Online Unileben

Vorlesung via Video

Die Konferenz-App Zoom verzeichnet seit Beginn der Corona-Krise trotz Datenschutzkritik einen explosionsartigen Nutzer*innenzuwachs. Doch wie geeignet ist die Plattform für den Einsatz im Lehrbetrieb?

Vertraute Umgebung für die Studierenden daheim am Laptop: So arbeitet LMU-Juraprofessor Rüdiger Veil im Online-Semester © Foto: Moritz Reichert

Von Janina Herberger

Während Home-Schooling inzwischen jedem ein Begriff sein dürfte, hat sich ein entsprechendes Pendant für Hochschulen, „Home-Uni“ etwa, (noch) nicht etabliert. Natürlich existiert sie, die Home-Uni, und läuft neben Plattformen wie Slack, Skype oder Microsoft Teams im Wesentlichen über Zoom ab. Auch die Ludwig-Maximilians-Universität München  (LMU) hat deshalb Anfang des Jahres eine Sonderlizenz für die Online-Meeting-Plattform erworben. Das Abonnement der Software ermöglicht eine Nutzung der Meetings auch über die standardmäßig eingestellte Dauer von 40 Minuten hinaus und wird an der LMU vor allem für Seminare und Vorlesungen genutzt. Die Plattform erleichtert dadurch zwar einiges, hat aber auch Nachteile.

Rüdiger Veil, Lehrstuhlinhaber an der juristischen Fakultät, lehrt und forscht vor allem zu Fragen des bürgerlichen Rechts, des Unternehmensrechts und des Kapitalmarktrechts. Täglich erlebt er, wo die Plattform an ihre Grenzen stößt: bei Lehrveranstaltungen mit hunderten Teilnehmer*innen. „Schon bei 100 Teilnehmern funktioniert das technisch nicht so gut. Da habe ich davon Abstand genommen. Was ich dann ab und zu mache, ist ein Q & A über Zoom.“ Der Rest wird über das Podcast-Format geregelt – für Veil eine geeignete Alternative zum Lehrbetrieb über Videokonferenzen. Die Studierenden allerdings haben klare Präferenzen. „Ich habe Studis gefragt, was sie bevorzugen. Drei Viertel wollten die Interaktion über Zoom, ein Viertel wollte den Podcast“, sagt Veil.

Die Beteiligung ist im Vergleich zu ’normalen‘ Vorlesungen eher gering

Aus der Situation heraus hat der Juraprofessor deshalb ein ganz spezielles Konzept der Zoom-Vorlesung entwickelt. In der Vorlesung „Kapitalgesellschafts- und Kapitalmarktrecht“ haben die teilnehmenden Student*innen weder einen Einblick in das Home-Office ihres Dozenten, noch einen Ausblick auf einen der virtuellen Sprecherhintergründe, die die Plattform zur Verfügung stellt. Stattdessen haben die Studierenden es mit einer Online-Vorlesung in ihnen vertrauter Umgebung zu tun: Gesendet wird live aus dem Hörsaal. „Ich habe dort einen Studenten und einen wissenschaftlichen Mitarbeiter dabei, die dann sozusagen die Studierenden repräsentieren. Das heißt, sie können mir Fragen stellen, darüber hinaus haben die beiden die Möglichkeit, über den Chat Fragen der Studierenden zu stellen, auf die ich dann zurückkommen kann.“

Die Videokonferenz-App Zoom wird nun viel genutzt – trotz Datenschutzkritik © Foto: Janina Herberger

Durch die Lehre in traditioneller Umgebung, vor Tafel und PowerPoint, hofft der Professor auf eine verstärkte Interaktion während der Online-Sitzungen. Trotzdem sei die Beteiligung, so Veil, in der Tendenz eher geringer. „Wenn man da komplett ins Schwarze hineinspricht, ist das natürlich nicht wirklich schön“, sagt er und kommt damit auf einen Punkt zu sprechen, den auch viele Student*innen kritisch sehen. Für Lehramtsstudentin Carla Borengässer gestaltet sich vor allem die Anonymität im Online-Chat problematisch: „Ich merke, dass ich in diesen Online-Kursen eine viel größere Hemmschwelle habe, etwas zu sagen. Man will sich nicht gegenseitig unterbrechen, man weiß nie, ob die anderen einen auch wirklich hören. Gerade dieses Zwischenmenschliche, das man im normalen Seminar in den Gesichtern abliest, fehlt einfach total und man traut sich oft gar nicht, sich zu äußern.“

Sowohl für Studierende als auch für Lehrende ist die Situation ungewohnt

Trotzdem freut sich die Studentin in Zeiten von Social Distancing inzwischen über jedes einzelne Zoom-Meeting. Durch Features wie die Breakout-Room-Funktion, die einen Austausch zwischen den Studierenden sowie das Teilen von Dokumenten ermöglicht, sei die Videokonferenzplattform doch näher an der Studienrealität als die Kommunikation über Chat-Rooms. Natürlich braucht es für einen funktionierenden Lehrbetrieb die Bereitschaft beider Seiten, sich mit den besonderen Umständen der Ausnahmesituation auseinanderzusetzen, Regelungen auszuarbeiten und Lösungen im Dialog zu finden. „Letztendlich“, sagt Veil, „ist momentan alles ein Learning by Doing.“

 

Dieser Artikel ist Teil unseres Online-Schwerpunkts „Gemeinsam“. Aufgrund der Corona-Krise haben wir uns dazu entschieden, dieses Semester auf eine gedruckte Ausgabe zu verzichten, stattdessen veröffentlichen wir Artikel unter diesem Thema. Die Ausbreitung des Virus hat das Studierendenleben von heute auf morgen verändert: Wie wirkt sich das auf den Uni-Alltag aus? Wie auf Lehre und Leben? Und vor allem: Welche Lösungen im Umgang mit dem Virus werden an Hochschulen gefunden? Mit diesen Fragen beschäftigen wir uns.

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