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Auf gleiche Weise ungleich

Naturkatastrophen, Krankheiten und sonstige „Schicksalsschläge“ unterscheiden angeblich nicht dabei, wen sie befallen, doch die Art und Weise wie stark sie bei wem zuschlagen, wird im Rahmen der Pandemie wieder einmal besonders deutlich.

Mehr als nur leere Hörsäle: Für viele gefährdet die Pandemie das Studiums (Symbolfoto)

Von Gözde Çelik

Aussagen wie „Vor dem Virus sind wir doch alle gleich. Es kennt keine Hautfarbe, Geschlecht oder soziale Herkunft.“ regen mich tierisch auf. Meist folgt auf solche Worte das wissende Lächeln einer Person, die meint, gerade den heiligen Gral der philosophischen Erleuchtung gefunden zu haben und nun endlich, endlich zu wissen, worum es bei der Sache wirklich geht. 

Denn klar, Naturkatastrophen, Krankheiten und andere Situationen, die sich zum Großteil  dem menschlichen Einflussbereich entziehen, unterscheiden nicht dabei, wen sie befallen. Aber nach den verheerenden Naturkatastrophen der letzten Jahre, wie beispielsweise den zahlreichen Bränden, dürfte doch wohl auch dem letzten Verfechter dieser „Ach, ich sehe keine Hautfarbe, soziale Herkunft und so weiter, ergo muss es auf der ganzen Welt so sein“-Einstellung eine Sache klar geworden sein: nämlich, dass reichere und ärmere Menschen zwar gleich gut brennen, aber das dennoch unter anderen Voraussetzungen.

Für die einen ist das Virus eine nervige Unannehmlichkeit, andere verlieren ihre Lebensgrundlage

Auch während der Pandemie lassen sich die manchmal subtilen Unterschiede mit ihren meist dramatischen Folgen beobachten. Für die einen ist das Virus eine nervige Unannehmlichkeit, die es im gemütlichen Eigenheim mit finanziellem Polster zu überstehen gilt, andere verlieren ihre Lebensgrundlage. Und auch, wenn ein Virus an sich nicht aktiv dabei unterscheidet wer sein*e nächste*r Wirt*in ist, werden Muster deutlich. Spoiler Alert: Die strukturell besonders Gefährdeten sind dabei meist nicht diejenigen, die in festen, gut bezahlten Jobs mit Home-Office-Option sitzen und deren größte Sorge der ausgefallene All-Inclusive-Urlaub auf den Malediven ist. 

Ungleichheiten werden mal mehr mal weniger und durch alle gesellschaftlichen Bereiche und Personengruppen hinweg deutlich. So sind auch Studierende, in diesem Fall vor allem im Raum München (eine Spezifizierung, die auch ohne erklärende Worte für Assoziationen sorgen sollte), nicht minder von der Pandemie betroffen und müssen mit den Konsequenzen zurecht kommen. 

In meinem Umfeld befinden sich Leute, deren Studienplan durch diese ganze Geschichte nur marginal verändert wurde. Leute, die ihre Jobs noch haben oder gar nicht erst arbeiten mussten und weiter ihre Miete zahlen können.

Nicht alle haben dieselben Chancen, ihr Studium auf die Weise fortzuführen wie noch vor der Pandemie

Es gibt aber auch Leute, die ihre Nebenjobs auf unbestimmte Zeit verloren haben, die Angehörige pflegen müssen, oder deren BAföG-Weiterförderung auf dem Spiel stand. Und viele sind beispielsweise auf die soziale Ungleichheit teilweise abdämpfenden Ressourcen, welche die Uni mal mehr, mal weniger bereitstellt, angewiesen, da sie diese nicht daheim haben. Das können bestimmte, sonst sehr teure, Bücher, Equipment, besondere Werkzeuge oder auch einfach die Möglichkeit sein, einen ruhigen Ort mit Computer und Internetzugang zu haben. Und auch, wenn die Bibliotheken teilweise wieder offen haben und das (Uni-)Leben langsam wieder seinen Lauf nimmt, haben nicht alle dieselben Chancen dabei ihr Studium auf eben die Weise fortzuführen, wie davor.

Studieren ist in vergleichsweise „normalen“ Zeiten bereits eine Option welche lediglich einer bestimmten privilegierten Gruppe an Menschen zugänglich ist. Während einer Situation wie dieser werden besagte Privilegien noch deutlicher und es wird, trotz einem farbenblinden sowie soziale Herkunft außer Acht lassenden Virus, klar: Gleiche Chancen haben wir noch lange nicht.

 

Dieser Artikel ist Teil unseres Online-Schwerpunkts „Gemeinsam“. Aufgrund der Corona-Krise haben wir uns dazu entschieden, dieses Semester auf eine gedruckte Ausgabe zu verzichten, stattdessen veröffentlichen wir Artikel unter diesem Thema. Die Ausbreitung des Virus hat das Studierendenleben von heute auf morgen verändert: Wie wirkt sich das auf den Uni-Alltag aus? Wie auf Lehre und Leben? Und vor allem: Welche Lösungen im Umgang mit dem Virus werden an Hochschulen gefunden? Mit diesen Fragen beschäftigen wir uns.

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