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About You Pangea Festival: ein Abenteuerspielplatz für Erwachsene

Ein Musikfestival kooperiert mit einem Modegiganten – kann das gut gehen? Die Befürchtungen mancher langjähriger Besucher*innen des Pangea Festivals, es könnte dadurch weniger persönlich werden, ließen sich zumindest nur teilweise ausräumen.

Die aufstrebende Künstlerin „Lary“ überzeugte mit feinstem Deutschpop © Fotos: Anna Tischler

Von Anna Tischler

Wenn Modeunternehmen neue Marketingstrategien erkunden, führt sie dieses Vorhaben zuweilen auf Festivals – so wie den Online-Versandhändler About You. Der möchte mit dem seit sieben Jahren bestehenden Pangea Musikfestival eine erlebbare Fantasiewelt aus Mode, Musik und Lifestyle für seine Kund*innen kreieren. Das ursprüngliche Pangea Festival wandelte sich dadurch nicht nur mit Blick auf die Besucher*innenzahl; dieses Jahr wurden rund 20.000 erwartet, was die bislang knapp 5.000 Besucher*innen weit übertraf. Sondern auch hinsichtlich einer größeren Angebotsvielfalt und einer fast doppelt so großen Festivalfläche.

Das Rahmenprogramm bot unter anderem eine riesige Auswahl an sportlichen Aktivitäten, wie Wakeboarden, Kitesurfen, BMX, Skaten, Longboarden, Stand-Up-Paddeln und Bouldern. Festivalbesucher*in konnten die Funsportarten entweder in Form von Wettkämpfen verfolgen oder sie selbst ausprobieren. Für die „Zartgesottenen“ gab es daneben ein vielfältiges Angebot aus Klang Yoga, Burlesque-Dancing, Akrobatik und mehr.

Das Festivalmotto „Never Stop Playing“ wurde in Form zahlreicher Spieleaktivitäten umgesetzt: etwa in Form eines Bällebads, einer Rollschuhbahn oder Human Kicker. Wer sich nach Ruhe sehnte, konnte in dem eigens hierfür vorgesehenen Familienbereich entspannen.

Konzerte werden zu Nebenschauplätzen

Musikalisch wartete das Festival mit einer Palette von Elektro-Sounds über Hip-Hop-Beats bis hin zu Indie-Klängen auf. Das Gelände, ein ehemaliger Flugplatz in Pütnitz am See in Mecklenburg-Vorpommern, stellte hierfür acht verschiedene Locations bereit. Neben Hip-Hoppern wie Trettmann und der deutschen Festivalgröße Marsimoto performten auch unbekanntere Bands wie Mogli und Lary.

Da das sonstige Angebot aber derart umfassend war, schienen die Konzerte zuweilen eher zur Nebensache zu werden und nicht wie üblich den Festival-Tages-Rhythmus vorzugeben. Dies zeigte sich auch entlang der teilweise sehr überschaubaren Zuschauer*innenzahlen bei den Auftritten einiger Künstler*innen, die es gewohnt waren, vor größerem Publikum zu spielen.

Einen weiteren Teil des Programms bildeten die über 40 verschiedenen Workshops, die sich von kreativen bis zu spirituellen Kursen erstreckten: Ecstatic Dance, Stoffdruckerei, Cajón-Instrumentenbau, Graffiti, Poetry Slam, Upcycling, Zero Waste, Kräuterwanderungen, um nur einige zu nennen. Vor allem das Thema Nachhaltigkeit, das sich durch das ganze Festivalkonzept zog, wurde in diesen Workshops sowie in Vorträgen und Podiumsdiskussionen erlebbar. In Anbetracht des Sponsorings durch den milliardenschweren Online-Versandriesen About You könnte dieser Schwerpunkt durchaus unauthentisch wirken.

Zirkusartist*innen sorgen für eine fantastische Atmosphäre

Im Hinblick auf die Umsetzung ist das Festival vergleichbaren Veranstaltungen in puncto Nachhaltigkeit jedoch um Längen voraus:  Kompost- und Vakuumtoiletten als umweltfreundliche und Wasser sparende Alternative zu herkömmlichen Lösungen; solarbetriebene Handyakku-Aufladestationen; ein Querfeld-Supermarkt, der von unverpacktem, krummem Bio-Obst und Gemüse über gerettete Müsliriegel bis zu fair produzierten Kondomen alles anbot, was das nachhaltig schlagende Festivalherz begehrt.

Der Einfluss der Modemarke machte sich aber spätestens in dem festivaleigenen Zelt für die „Vintage Wardrobe“ bemerkbar, in der sich aus einem riesigen Second-Hand-Fundus gegen Pfand Klamottenteile für die Festivalzeit ausleihen ließen. Für das richtige Styling und Make-up war ebenfalls gesorgt.

Die Veranstaltung ähnelt eher einem Freizeitpark

Alles in allem versuchte das Festivalkonzept, die befürchtete Überkommerzialisierung durch viel Liebe zum Detail in Form einer fantasievollen Dekoration sowie durch besondere Attraktionen zu verhindern. Etwa durch ein interaktives Musikhäuschen, in dem durch Bewegungen Klänge erzeugt werden konnten; oder durch vereinzelt aufgestellte Telefone, die über das Festivalgelände verteilt miteinander verbunden waren, so dass am anderem Ende der Leitung ein*e andere*r Festivalbesucher*in zu sprechen war.

Dies konnte aber nur zum Teil den Charakter eines eher riesigen Freizeitparks ausgleichen, den die Veranstaltung aufgrund ihrer Größe und Angebotsvielfalt darbot. Dennoch: Das Festival ermöglichte es den Teilnehmer*innen, dem Alltag zu entfliehen und in eine Welt aus Musik, Sport und Spaß einzutauchen.

 

Facts for Students:

  • Anreise aus München nach Ribnitz-Damgarten West: mit dem Zug knapp neun Stunden Fahrt inklusive ein Mal umsteigen; für 3,- gibt es einen Bahnhof-Shuttle
  • Das Vier-Tages-Festivalticket inklusive Camping kostete heuer 115,00 Euro. Für 2020 gibt es hier demnächst wieder Tickets (Early-Bird-Tickets bereit ausverkauft)
  • Wem das Geld ausgeht: Beim „Arbeitsamt“ kann man nach einem Job auf dem Festivalgelände fragen und sich den Lohn direkt auf einen Chip laden lassen
  • Wer spontan abreisen möchte: Es gibt einen Stand, bei dem Mitfahrgelegenheiten gesuchen oder angeboten werden können

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