Unileben

Verstaubte Angewohnheiten

64.000 Euro für Taxifahrten, extravagante Dienstessen, Tagungen in Venedig und einiges mehr. Der LMU wird die Verschwendung von Steuergeldern vorgeworfen. Das Problem liegt aber im System. 

Der momentan noch leere Audimax – In nicht pandemischen Zeiten sitzen hier Menschen aus verschiedenen sozialen Lagen unter einem Dach. Foto: Tobias Ostner

Von Gözde Çelik

Im vergangenen Jahr berichtete die Süddeutsche Zeitung erstmals über diverse verschwenderische Vorfälle , bei denen die LMU ihren Status als „Exzellenz-Uni“ wohl eher im monetären Sinne deutlich machte. So hat sich ein Vizepräsident über zehn Jahre hinweg Fahrten zur Arbeit und wieder zurück auf Staatskosten „geleistet“. Zudem fanden Restaurantbesuche wie auch Tagungen an bestimmten Fakultäten wohl nur unter der Prämisse statt, dass ein Abend mindestens den Monatslohn einer studentischen Hilfskraft betragen muss.

Die Empörung ist groß, das Bild der abgehobenen Elite gesellschaftlich mal wieder mehr als präsent. Besonders besagte Taxifahrten bekamen in den letzten Wochen aufgrund des bis vor kurzem noch laufenden Disziplinarverfahrens Aufmerksamkeit.

Es geht nicht um Einzelfälle, sondern um Strukturen

Dabei ist es einfach, Wut auf eine bereits privilegierte Person zu empfinden, welche die ihr wohlgesonnenen Strukturen (aus)nutzt. An diesem Punkt sollte der öffentliche Diskurs aber um eine Ebene höher gehoben werden. Denn ja, solch eine Verschwendung von Steuergeldern ist inakzeptabel und sollte auch dringend geahndet werden. Sie stellt jedoch nur die Spitze des Eisberges in einem System dar, welches solch einen Lebensstil jahrelang möglich machte und auch immer noch macht.

Hier geht es nicht um vermeintliche Einzelfälle, es geht um etablierte Strukturen, Selbstverständlichkeiten und alteingesessene Gewohnheiten. 

Es geht um den Sozialraum „Universität“, welcher in sich eine immer größere Diversität aufweist. Die Tage, in denen die wissenschaftlichen Hallen nur einer kleinen (lange Zeit ausschließlich männlichen) Elite vorbehalten waren, sind vorbei. Studierende und Mitarbeitende aus nicht akademischen Familien und unterschiedlichen sozialen Schichten finden, trotz der immer noch vorhandenen Widrigkeiten, ihren Weg an die Hochschulen. Es wird Zeit, dass die Uni entsprechend mitgeht und alte Gewohnheiten entstaubt. Dazu gehört, weniger Geld für schicke Restaurantbesuche und mehr für unbefristete Stellen im Mittelbau locker zu machen. Die selben Seminarräume, in denen soziale Ungleichheit diskutiert und an der Lösung für die Herausforderungen unserer Zeit geforscht wird, sind die Bühne für die Reproduktion eben dieser Probleme. 

Unterschiedliche soziale Lagen unter einem Dach

So sehr sich die Universität darum bemüht, Beobachterin und Forscherin der Gesellschaft und Welt zu sein, so sehr ist sie ebenso Produzentin dieser Welt. Sie birgt Studierende, die Pfandflaschen sammeln, da das Bafög in einer „Du kannst froh sein wenn du ein 500 Euro WG Zimmer kriegst“-Stadt wie München nicht reicht, Studierende, die nie auch nur die erste Seite eines Bafög-Antrags werden sehen müssen, Mitarbeitende im Mittelbau, die sich von einem Halbjahresvertrag zum nächsten hangeln, festangestellte und gut bezahlte Professor*innen wie auch den Vizepräsidenten, der sich den Luxus von regelmäßigen Taxifahrten erlauben konnte. All das unter einem Dach und all das mehr oder weniger innerhalb der etablierten Strukturen.

Eigentlich läuft es in den „geheiligten Hallen” der Universität, der Stätte des Fortschritts und der Wissensproduktion genauso, wie in anderen Bereichen der Gesellschaft auch. Einiges ist ungerecht, einiges liegt im Argen. 

Nun gilt es hinter die „Einzelfälle“ zu blicken und kräftig Staub aufzuwirbeln. Schließlich hat die Uni einen Ruf zu verlieren.

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