Studieren ist teuer, vor allem in München. Doch nicht immer werden Student*innen von ihren eigentlich leistungsfähigen Eltern finanziell unterstützt. Felix Gaillingers Buch „Um den Unterhalt kämpfen! – Junge Volljährige im Rechtsstreit gegen ihre Väter“ beschäftigt sich mit genau diesem Konflikt.
Von Milena Lisiecki
Der 18. Geburtstag – die meisten jungen Menschen fiebern ihm sehnsüchtig entgegen. Endlich allein Auto fahren, feiern gehen, in den Urlaub fahren. Das verbinden viele mit der Volljährigkeit. Für einige junge Erwachsene hat die neue Freiheit jedoch auch ihre Schattenseiten. Viele wollen studieren, und daran, das Leben komplett selbst zu finanzieren, ist kaum zu denken. Finanziell bleiben die meisten noch lange von der Unterstützung der Eltern abhängig. Manch eine*r, dessen oder deren Eltern getrennt leben, steht mit der Volljährigkeit vor folgender Situation: Mit dem 18. Geburtstag hört der Vater von heute auf morgen auf, Unterhalt zu zahlen. Nun steht der oder die junge Erwachsene schlagartig vor einem Problem. Zwar besteht während einer ersten beruflichen Ausbildung oft ein rechtlicher Anspruch auf Unterhaltszahlungen der Eltern, nur wird der oder die junge Volljährige vom einen auf den anderen Tag juristisch nicht mehr von Institutionen wie dem Jugendamt oder dem anderen Elternteil vertreten, sondern muss die Zahlungen nun selbst einfordern. Mit allen Konsequenzen. Während der Vater auf Forderungen staatlicher Institutionen meist noch eingeht, nimmt er die des eigenen Kindes häufig nicht ernst und übergeht sie einfach. Und klar, ein junger Mensch muss sich seiner Rechte auch erst einmal bewusst sein!
Es geht um Macht oder schlichtweg Desinteresse
Ein Konflikt, in dem es um mehr als nur Geld geht. Häufig mangelt es den Vätern keineswegs an Geld. Es geht um Macht oder schlichtweg um Desinteresse.
Felix Gaillingers Buch handelt ausschließlich von Vätern, die ihren volljährigen Kindern den Unterhalt verwehren, nicht von Müttern. Dies ist keineswegs die willkürliche Entscheidung des Autors, sondern leider gesellschaftliche Realität. In der überwiegenden Mehrheit der Fälle sind es die Väter, die Barunterhaltszahlungen an ihre volljährigen Kinder verweigern, während die jungen Erwachsenen häufig auch über das 18. Lebensjahr hinaus im mütterlichen Haushalt versorgt werden. So nehmen die Mütter indirekt ihre Verpflichtung zum Unterhalt wahr.
Laura, Dorian und Chiara – Felix Gaillinger spricht mit drei jungen Leuten, die sich in eben dieser konfliktreichen Situation befinden.
Laura – Ausklammerung jeglicher Emotionalität
Lauras Vater schaffte es schon während ihrer ganzen Kindheit und Jugend, sich aus seiner Verpflichtung, Unterhalt zu zahlen, herauszuwinden. Mit ihrem 18. Geburtstag fällt nun auch der Unterhaltsvorschuss durch den Staat weg, der Kindern, deren Eltern Unterhaltszahlungen verweigern, zusteht. In einem Schreiben des Jugendamts erfährt sie, dass sie noch Anspruch auf rund 14.000 Euro ihres Vaters hat, die sie nun einfordert. Für Laura geht es aber nicht nur um das ihr zustehende Geld, sondern auch darum, sich von ihrem Vater, dessen Spielchen sie nicht länger mitmachen möchte, zu emanzipieren. Immer wieder versucht er, Laura mit Gesten der Zuneigung emotional zu erpressen. Laura versucht deshalb, jegliche Emotionalität aus dem Konflikt auszuklammern, fordert ihren Vater auf, sie in seinen Briefen zu siezen und moralische Angriffe zu unterlassen. All dies ignoriert der Vater. Sie beschließt, sich von einem Anwalt und dem Jugendinformationszentrum rechtlich beraten zu lassen. Hier kann man ihr aber nicht wirklich helfen und die Beratungsgebühren stehen in keinem Verhältnis zum ausbleibenden Erfolg. Erst mit der kostenlosen Hilfe eines weiteren Anwalts kann sie eine Strategie ausarbeiten, wie sie das Geld von ihrem Vater einfordern will. Ob es klappen wird? Das steht noch in den Sternen.
Dorian – zwischen Distanz und Verpflichtung zur Nähe
Dorian, noch kein Student, aber durch seinen Bundesfreiwilligendienst in einer ähnlichen finanziellen Situation wie viele Student*innen, bekommt seit seiner Kindheit und auch über seinen 18. Geburtstag hinaus einen konstanten, allerdings eher symbolischen Unterhaltsbeitrag von seinem Vater. Durch seinen Auszug in eine eigene Wohnung reicht die monatliche Zahlung aber bei weitem nicht mehr aus. Deshalb fordert er eine höhere Summe. Die Beziehung zu seinem Vater beschreibt Dorian als nicht sehr eng, eher als eine Art Geschäftsverhältnis. Ähnlich wie Laura möchte Dorian eine gewisse Distanz zu seinem Vater bewahren, um keine Emotionalität in diesem Konflikt zuzulassen. Deswegen entscheidet er sich bewusst gegen seine Wohnung als Ort für das Gespräch. Er schlägt ein Essen im Restaurant vor. Im Gegensatz zu Laura und ihrem Vater können sich Dorian und sein Vater jedoch sehr schnell einigen und sein Vater überweist ihm monatlich sogar einen relativ hohen Betrag. Der eigentliche Konflikt dieser Situation ist also nicht ein Streit um Unterhalt, sondern das Gefühl, das in Dorian zurückbleibt: Rational weiß er, dass er seinem Vater keinerlei Gegenleistung schuldig ist, doch trotzdem fühlt er einen gewissen Druck, seinem Vater nun Raum in seinem Leben zu lassen.
Chiara – Unterhalt versus Beziehung
Dann ist da noch Chiara. Während andere Kinder zum 18. Geburtstag Geschenke und Glückwünsche von ihren Vätern bekommen, bekommt Chiara einen Anruf: Ihr Vater werde ab sofort keinen Unterhalt mehr zahlen. Da Chiara ja noch zu Hause bei ihrer Mutter wohne, brauche sie ja sowieso kein Geld von ihm. Für ihn sei das Thema nun erledigt, er rede nicht gerne über Geld. Chiara wendet sich an das Stadtjugendamt. Nicht ohne Zweifel: Einerseits erhofft sie sich dort Beratung und Unterstützung, andererseits befürchtet sie, dass ihr Vater den Gang zu einer öffentlichen Institution als Grenzüberschreitung betrachten wird. Dies würde, dessen ist sich Chiara sicher, die ansonsten ganz gute Beziehung zu ihrem Vater belasten. Mit Hilfe des Stadtjugendamts verfasst Chiara einen Brief an ihren Vater. Ihr allerdings ist das Amtsdeutsch zu nüchtern, deshalb formuliert sie einige Passagen um, um ihre Emotionen durchklingen zu lassen. Anders als Laura und Dorian möchte Chiara die Distanz zu ihrem Vater in diesem Konflikt etwas abbauen. Ihr relativ gutes Verhältnis ist ihr immer noch wichtig. Den Brief versendet Chiara auf Empfehlung des Stadtjugendamts per Einschreiben mit Rückschein. So kann ihr Vater nicht abstreiten, den Brief erhalten zu haben. Durch den trotzdem noch offiziellen Charakter des Briefes reicht Chiaras Vater, zu Chiaras Überraschung, die notwendigen Unterlagen zur Berechnung des Unterhalts ein. In einem weiteren Brief, diesmal direkt vom Jugendamt und ohne Änderungen durch Chiara, wird ihr Vater dann zur Unterhaltszahlung aufgefordert. Der nun unverblümt behördliche Charakter des Schreibens bringt den Konflikt zur Eskalation. Ihren Vater stört nun, dass Chiara sich Hilfe beim Stadtjugendamt gesucht hat, anstatt den Konflikt persönlich zu lösen und er weigert sich jetzt noch vehementer, den Unterhalt zu zahlen. Daraufhin versucht Chiara die persönliche Nähe wieder etwas herzustellen, indem sie ihre nächste Nachricht an ihren Vater, mit der erneuten Forderung auf Unterhalt, informell per E-Mail verschickt. Auch in diesem Porträt bleibt offen, wie und ob sich der Konflikt um den Unterhalt noch lösen wird.
Zwischen Rationalisierung und Emotionalisierung
Die Emotionalität einerseits, die notwendige Rationalität andererseits – der Spagat zwischen diesen beiden Polen des Konflikts ist wohl die größte Herausforderung für die Betroffenen.
Auch noch so viel Beratung und Unterstützung durch den Staat und öffentliche Institutionen wird diesen Balanceakt nicht erleichtern. Damit fertig zu werden, wird immer Aufgabe jedes und jeder einzelnen bleiben.
Felix Gaillinger:
„Um den Unterhalt kämpfen! Junge Volljährige im Rechtsstreit gegen ihre Väter“