Die Tierärztliche Fakultät zieht gerade schrittweise an einen neuen Campus nach Oberschleißheim und ihre alten Fakultätsgebäude im Univiertel sollen einem modernen Physik-Campus weichen – ein Bauvorhaben, über das seit zehn Jahren gestritten wird.
Von Anne Pechtold
Wo die Veterinärstraße langsam in den Englischen Garten übergeht, thront zur linken Hand ein mit sich dahinschlängelnden Nattern verziertes Eingangstor, das die dahinterliegende Tierärztliche Fakultät der LMU ankündigt. Bald werden nur noch dieses Tor und der Name der Straße, in der es steht, an die über zweihundertjährige Geschichte der Tiermedizin am Englischen Garten erinnern. Um einen letzten Blick in die dem Abriss geweihten Gebäude zu werfen, habe ich mich mit Karina verabredet. Sie hat dort kürzlich ihr Tiermedizinstudium abgeschlossen und sich dazu bereit erklärt, mir eine Führung über den Campus zu geben.
Karina erwartet mich an einem ihrer Lieblingsplätze auf dem Campus: am Schlangenbrunnen in der Königinstraße. Dahinter wechseln sich freundlich wirkende Gebäude aus der Zeit um 1900 mit schlichten Nachkriegsbauten ab – eine Mischung, die sich gut in die Architektur der Maxvorstadt einfügt. Auf unserem Rundgang durch die Gebäude, in denen Karina Vorlesungen zu Fächern wie Anatomie, Physiologie und Biochemie gehört hat, läuft uns kaum jemand über den Weg. Der Campus wirkt seltsam leer und ein bisschen zu still. Vieles deutet auf den bereits laufenden Umzug nach Oberschleißheim hin, den Karina in vielerlei Hinsicht als Abstieg empfindet.
Vor- und Nachteile des Umzugs
Im Vergleich zum alten Standort mitten im Universitätsviertel mit seinen Cafés und Restaurants sei in Oberschließheim für Studierende kaum etwas geboten. Fraglich ist auch wie viel Zulauf Aktionen der Fachschaft wie die Tiermediziner*innenpartys noch haben werden, sobald diese nicht mehr im „Kakaobunker“, kurz Kabu, auf dem Innenstadt-Campus stattfinden werden. Karina räumt ein, dass sich das kulturelle Angebot für Studierende in Oberschleißheim in den nächsten Jahren noch verbessern könne, allerdings ändere das nichts daran, dass man den Kontakt zu Studierenden anderer Fachrichtungen verlieren werde. Auch wenn es Karina für nachfolgende Studierendengenerationen leidtue, könne sie den Wegzug der Tiermedizin aus der Innenstadt nachvollziehen. Auf dem Campus am Englischen Garten sei nicht genug Platz, um die Fakultät mit all ihren Kliniken unterzubringen. Die Hörsäle seien zu klein und die Labore veraltet. In Oberschleißheim sei alles auf dem neuesten technischen Stand und man habe endlich den Platz, der am Rande des Englischen Gartens so rar war.
Proteste gegen das neue Bauvorhaben
Weniger Verständnis kann Karina für das Bauvorhaben aufbringen, das auf dem Gelände ihrer alten Fakultät bereits im Gange ist. Sie bedauert weniger den Abriss der ockerfarbenen Bauten, die sie zwar für gemütlich, aber nicht unbedingt erhaltenswert erachtet. Sie kritisiert viel mehr, wie das Areal in Zukunft gestaltet werden soll. Bei unserem Rundgang über den Campus kommen wir am bereits fertiggestellten Institut für Nanotechnologie vorbei, das laut Karina so aussieht, als wäre es in die Königinstraße gephotoshoppt worden. Da der Bau momentan noch im krassen Gegensatz zu der Architektur steht, die ihn umgibt, wirkt er auch auf mich etwas fehl am Platz. Bald wird der wuchtige Klotz aber von weiteren Kuben Gesellschaft bekommen, die gemeinsam den zukünftigen Physik-Campus der LMU ausmachen werden. Viele Münchner*innen hätten sich statt Neubauten den Erhalt und die Sanierung einiger alter Gebäudeteile erhofft, die in das Bauvorhaben hätten integriert werden können. Da aber nur das historische Eingangsportal, der Schlangenbrunnen und die Bibliothek aus den 50er-Jahren unter Denkmalschutz stehen, werden allein diese erhalten bleiben. Den restlichen Abriss konnte weder ein Bürgervotum noch eine Expert*innen-Petition der Initiative Altstadtfreunde München aufhalten.
Zwischen Tradition und Moderne
Wie ist der Protest gegen die Modernisierung von Universitätsgebäuden einzuordnen? Es ist wohl kaum von der Hand zu weisen, dass einige der alten Bauten den Anforderungen moderner Hochschulen – etwa hinsichtlich Energiestandards oder Barrierefreiheit – nicht mehr gerecht werden. Eine dementsprechende Sanierung wäre wohl, wenn überhaupt möglich, mindestens so zeit- und kostenintensiv wie ein Neubau. Sollte man also neue Bauvorhaben der Universität generell begrüßen, um dem Fortschritt nicht im Wege zu stehen? Auf der anderen Seite hat sich München mittlerweile an vielen Gebäuden sattgesehen, die einst als hochmodern galten. So droht einigen „Architekturperlen“ der 70er-Jahre, wie etwa dem betonbunkerartigen Monumentalbau der Fakultät für Mathematik in der Theresienstraße, nun der Abriss. Und wer weiß schon, ob man sich am Englischen Garten nicht in einigen Jahren beim Anblick funktionaler Glaskuben nach dem alten Straßenbild zurücksehnen wird? Diese Fragen schwirren mir durch den Kopf, als ich nach dem Treffen mit Karina nach Hause radle. Beide E-Mails, in denen ich die Altstadtfreunde um ein kurzes Interview zu ihrem Einsatz bezüglich der alten Tierklinik bitte, bleiben unbeantwortet. Und so frage ich mich noch immer, ob es einen Mittelweg gegeben hätte, der Tradition mit Moderne vereint hätte. Und ob wir damit in Zukunft wirklich glücklicher wären.