Mit seinem Start-up Good Crop bringt der Münchner Moritz Wiest regionales Urgetreide und Hülsenfrüchte fertig gegart auf die Teller. Ideal für Menschen, die wenig Zeit haben, sich aber gesund ernähren wollen, sagt der Gründer.
Von Özge Enis und Max Fluder
Unvorstellbar eigentlich: Vor gar nicht allzu langer Zeit war in diesem wenige Quadratmeter großen Raum noch eine Metzgerei. Denn jetzt findet hier das kulinarische Gegenteil statt, zumindest könnte man es so nennen. Hier wird keine Rinder- und keine Schweineschulter mehr durch den Fleischwolf getrieben, stattdessen wird allerlei Getreide – von Emmer bis Champagnerroggen – vakuumiert. Und dann an die Kund*innen geschickt.
Herr über diesen kleinen Raum, der an die Küche eines großen Hotels im Münchner Arabellapark angrenzt, ist Moritz Wiest. Wiest ist großgewachsen, hat blonde Haare, trägt Sneaker und war lange Zeit in der Film- und Fernsehbranche tätig. Jetzt hat er umgesattelt – und versorgt mit seinem Start-up, Good Crop heißt es, Läden und Einzelkund*innen mit hochwertigen, bereits vorgekochten Körnern.
Schneller Snack, Beilage oder in Salat
Die Idee ist einfach zu verstehen: Von kleinen landwirtschaftlichen Betrieben, viele der Höfe liegen in Bayern, lässt Wiest sich Getreidearten liefern, die man sonst nur noch selten findet, aber durch ihre Nährstoffzusammensetzung überzeugen. Rotkorn zum Beispiel, oder den eben bereits erwähnten Emmer. In seiner kleinen Produktionsstätte im Münchner Osten kommt die Rohware erst in einen Beutel, in den Wiest noch etwas Wasser und Speiseöl dazugibt, damit die Körner später nicht aneinanderhaften. Dann wird das ganze unter Druck gegart, sterilisiert und vakuumiert. Fertig ist das ungekühlt haltbare Produkt. Die Beutel für die Endverbraucher*innen enthalten zwei Portionen, Kleine Verpackungen gedacht für zwei Portionen sind rasch verbraucht, kein Verderb, keine Verschwendung. Als schneller Snack kommen sie meist in den Salat, aber auch als Hauptgericht oder Beilage lassen sie sich weiterverarbeiten.
Die Motivation hinter Wiests Start-up ist so schlicht: Konservierte Lebensmittel kommen oft mit Geschmacksverstärkern daher, meist auch in Aluminiumdosen. Und schlimmer noch: Richtig hochwertiges Getreide lässt sich konserviert kaum finden, wenn überhaupt. Dem jungen Gründer, dem allein schon als Vater zweier Zwillinge, eine schnelle, aber gesunde Alltagsküche wichtig ist, kam dann der entscheidende Gedanke beim Kochen. Beziehungsweise beim Zusammenwerfen einer Bowl. Denn dort vermisste er die Möglichkeit, Quinoa oder Roggen in eine Bowl zu werfen, ohne das Getreide dafür einzuweichen und selbst zu kochen.
Mit dem Start-up hat er „sein eigenes Problem gelöst“, wie Wiest es nennt. In seinem kleinen Zubereitungsraum neben der Hotelküche experimentiert er mit den unterschiedlichsten Sorten und seinem Druckkochtopf, den er sich extra aus Italien hat liefern lassen. Die Anzeigen auf der Maschine sind auf italienisch, aber nach ein bisschen herum Probieren und herum googlen kennt man sich auch damit aus. An den Raum im Hotel ist er eher zufällig gekommen, über Bekanntschaften, die ihm darauf aufmerksam machten. Aus hygienischer Sicht ist das für den Gründer großartig – denn sowohl in der Küche als auch in der Lebensmittelproduktion herrschen strenge Reinlichkeitsbedingungen.
Im Start-up arbeitet momentan vor allem eine Person: Wiest selbst
Im Start-up arbeitet momentan vor allem eine Person: Wiest selbst. Momentan stellt er an vier Tagen die Woche, jeweils in einer acht Stunden-Schicht, 800 Einheiten her. Das sind 100 kg Rohware, rohes Getreide, die er am Tag verarbeitet. Am fünften Tag geht es dann ans Etikettieren und Verpacken. Sobald die Nachfrage von 3000 Einheiten pro Woche kontinuierlich auf 5000 bis 6000 Einheiten steigt, würde er die Produktion ausweiten. In eine größere Anlage möchte er ausweichen, sobald die angestrebte Auslastung erreicht wird. Das Ziel, sagt Wiest, sei natürlich die Vollautomatisierung. „Ich möchte es mir beibehalten, dass ich alle Einsparungen am Prozess mache, nicht an den Mitarbeitern, nicht an der Rohware.“
Er selbst ernährt sich vor allem pflanzlich, vollwertig mit Ballaststoffen. Bei der Zubereitung lässt er sich von den Kochbüchern Yotam Ottolenghis inspirieren, das gibt er gerne zu. Auf Wiests Website , über die er auch seine Getreide vertreibt, kann man dem Gründer bei sich zu Hause beim Kochen zusehen. In der „Good Crop Show“ gibt Wiest Tipps rund ums Thema „Gesunde Ernährung.“ Er sagt: „Ich ernähre mich so, wie die Generationen vor uns, vor der Industrialisierung, mit echten Lebensmitteln. Ich halte mich nicht unbedingt fest an Vorgeschriebenes.“
Die Landwirte, mit denen Wiest zusammenarbeitet, stellt er auf seiner Website vor
Von dem erzielten Gewinn gehen pro Beutel zehn Cent an die Organisation Klim nach Berlin, um den CO2-Verbrauch, den das Produkt in der Herstellung erzeugt hat, überzukompensieren. Klim ist ein Verein, der Landwirte bei der Einhaltung von regenerativen Methoden auf ihren Anbauflächen ideell und finanziell unterstützt. Viele Partnerhöfe aus Bayern, von denen Good Crop Ware bezieht, setzen diese Prinzipien bereits um. „Breite Fruchtfolgen, Zwischenfrüchte, Untersaaten, all diese Sachen speichern CO2 in den Flächen ein. Der Landwirt spart Inputs, kommt mit wenigeren Niederschlägen aus, der Natur gehts besser, die Lebensmittel kommen in besserer Qualität raus,“ fasst Wiest kurz zusammen.
Die Landwirte, mit denen Good Crop zusammenarbeitet, stellt Wiest auf seiner Website ausführlich vor. Mit Texten und Bildern bekommt man genaueren Einblick, wie der Champagner-Roggen in St. Wolfgang angebaut, wie das Getreide in der Draxmühle in Rechtmehring gereinigt wird. „Die Menschen entlang der Wertschätzungskette vorzustellen, Beiträge zu verfassen, eine Kochsendung zu veröffentlichen – dadurch animiere ich die Menschen gesünder zu essen. Gleichzeitig ermögliche ich den Höfen, nachhaltiger zu erwirtschaften. Das ist die Rolle, die ich versuche, einzunehmen.“