Filmreihe

„Rickerl. Musik is höchstens a Hobby“ – Wiener Schmerzenslieder

Traust du dich deinem Traum zu folgen? „Rickerl. Musik is höchstens a Hobby“ erzählt von einem gescheiterten Musiker, der zwischen Gossenmusik und Wiener Schmäh versucht ein guter Vater zu sein.

Von Christopher Bertusch; Foto: PANDORA FILM

Kahle, weiße Wände, ein vollgestellter Schreibtisch und ein blinkender Monitor: Schon wieder sitzt Erich „Rickerl“ Bohacek im Arbeitsamt und schon wieder hat er den neuen Job verbockt, obwohl ihm die Arbeit ‚eigentlich‘ Spaß macht. Angefangen hat er auf einem Friedhof, aber die Kundenzufriedenheit lässt zu wünschen übrig und führt bald zur Kündigung.

Alles halb so schlimm, schließlich ist seine wirkliche Passion die Musik. Bestückt mit seiner liebevoll lädierten Gitarre spielt Rickerl die feinste Gossenmusik, singt zu den Alten in der Stammkneipe über vergangene Zeiten, in denen noch nicht alles am „Oarsch“ war, gegenüber seinen Freunden und selten Fremden. Manchmal kriegt er dafür etwas Kleingeld, manchmal bricht zu seinem Soundtrack eine Schlägerei aus. Inspiriert ist das Ganze von Hauptdarsteller Vodoo Jürgens eigener Musik. Regisseur Adrian Goiginger greift in seiner Tragikomödie dessen musikalischen Motive von Kneipen-Geschichten, Liebesschmerzen, Alkohol, Drogenzirkus und Melancholie auf. Jürgens lieferte weiteren kreativen Input für die Geschichte, auf seinen Wunsch hin musste die Hauptfigur „Rickerl“ heißen – alles andere fand er „blöd“, wie er in einem Q&A am Ende der Premiere in München verrät.

Viel Witz und eine Prise Sentimentalität

Bei all der Musik schwingt nicht nur das Tanzbein der Zuschauer*innen, sondern auch die Stimmungslage des Films hin und her: Einmal wird hier leidvoll über Schmerzen gesungen, im nächsten Moment spannen die Lachmuskeln an. Grund dafür ist nicht nur der österreichische Akzent, für den der Hochdeutsche Untertitel benötigt, sondern auch die lässig-säuselnde Art Rickerls, mit der er einen Witz nach dem anderen reißt – oftmals unbeabsichtigt.

Dieses schnelle Wechselspiel täuscht über den Charakter der Geschichte hinweg, denn eigentlich passiert recht wenig in „Rickerl“. Von Selbstzweifeln geplagt – hämisch denkt man im Verlauf des Films es ist eventuell nur Faulheit – lässt Rickerl sich durch das Leben treiben, vergeudet Chancen auf Auftritte und verlässt die Arbeit, um mit seinem Sohn Abenteuer zu erleben. Diese Momente zwischen Vater und Sohn sind der eigentliche Star der Show, eindrücklich dargestellt durch das aufgeweckte und sensitive Schauspiel des jungen Ben Winklers, der mit nur sechs Jahren und nach vier Monaten Gitarrenunterricht einen eigenen Song für das Ende des Films komponierte. Das berührt, auch wenn die Geschichte mitsamt ihren Höhen und Tiefen nichts Neues zu bieten hat.

In diesen Augenblicken zwischen Vater und Sohn tritt Rickerl aus seiner Routine heraus, die ihn sonst in der Vergangenheit festhält. Nicht nur seine eigene Wohnung, auch die übrig gebliebenen Kneipen der Stadt oder sein temporärer Arbeitsplatz in einem Erotikladen wirken, als hätte man sie just aus dem vergangenen Jahrtausend gestohlen. Seine Freund*innen sind mindestens zweimal so alt wie er und die Zuhörer*innen auf seinen bezahlten Gigs wollen immer denselben Austropop hören. In engen und handgeführten Kameraeinstellungen wandert Rickerl vor diesem Hintergrund durch die Stadt, baggert immer wieder seine Exfrau Viki an und präsentiert zwischen Zigarettenrauch und Bierschaum die Orte, über die er in seinen Liedern singt. Die Szenen wirken verwaschen, beinahe vergilbt. Set-Design und Kostüm verdienen es gelobt zu werden.

Auf der Suche nach dem Durchbruch

Offen bleibt es am Ende für Rickerl, auch wenn er einen neuen Schritt wagt – so viel sei verraten. Aber das passt ganz gut zu diesem Musiker, der immer feststeckt, dessen Musik akustisch wie ein Überbleibsel wirkt und dessen ungekämmte Haare und Anzug von gestern stammen. Die Suche nach Liebe und Erfolg endet bekanntlich nicht von heute auf morgen. Der Wunsch ist da, aber zuerst ruft das nächste Glas. Diese Geschichte ist charmant und unglaublich humorvoll, lässt die dargestellten Figuren aber oft auf der Oberfläche verweilen. Dafür ist die Musik einfach der Hammer und allein eine Empfehlung wert – wenn man sich nur auf den Wiener Schmäh einlässt.

„Rickerl“ kam am 01. Februar in die deutschen Kinos.

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