Filmreihe

Erinnerungskultur in Kurzfilmen

Aktuell läuft die Ausstellung „How to catch a Nazi“ im Staatlichen Museum für Ägyptische Kunst. Als Teil des Begleitprogramms zeigte der „Studentische Verein zur Förderung der Erinnerungskultur“ in Zusammenarbeit mit der HFF am 12.01.2024 Kurzfilme zur Erinnerung und Verarbeitung des Holocaust:

Von Jonas Hey

„KL“ (2017) von William Henne, Yann Bonnin

Der Kurzfilm „KL“ präsentiert eine Reihe von Bildern in einem rasanten Tempo: Zuerst sieht man Bahnschwellen, dann verrostete Schrauben und Muttern. Dem folgen Stacheldraht, Nummern, Wasserhähne und etwa Zyklon-B-Dosen. Jeder Gegenstand scheint sich etwas zu bewegen, bevor die nächste Gruppe von Gegenständen aus dem Konzentrationslager (KL) Auschwitz gezeigt werden. Dabei wird kein Wort gesprochen oder Schrift gezeigt. Die Bilder stehen für sich.

„Nach Auschwitz“ (2014) von Jan Sobotka

Bis zu seiner Schließung war Auschwitz ein Ort des Schreckens, während es heute eine Erinnerungsstätte geworden ist. „Nach Auschwitz“ zeigt in quälend langen Standbildern die Arbeit von Konservatoren des dortigen Museums. Sie suchen Graffiti der Gefangenen, reinigen schonend Koffer, Schuhe und Brillen. Ziel ist es dabei die Patina zu erhalten und nicht durch Putzen zu entfernen. Diese Einstellungen rufen aufgrund der fehlenden Narration zunächst Unverständnis hervor, doch am Ende regen sie zum Nachdenken an. Denn die vielen Besucher sorgen durch ihre Atemluft für Schimmelbildung und hinterlassen Müll auf dem Gelände. Die Mitarbeiter müssen die gegenständlichen Erinnerungen erhalten, um Auschwitz als authentischen Erinnerungsort zu bewahren.

„Compartments“ (2017) von Daniella Koffler

Im Animationsfilm „Compartments“ erzählt die jüdische Frau Netta über ihre Beziehung zu Deutschland. Dabei haben alle Figuren auf der Brust ein leeres Regal mit Abteilungen (compartments), in denen sich zweidimensionale Gegenstände befinden, die ihre Identität ausmachen. Nettas Vater ist geschichtsversessen und glaubt an die ewige Schuld der Deutschen, weshalb der gelbe „Judenstern“ bei ihm großen Raum erhält. Netta verliebt sich in einen Deutschen und bricht mit ihrem Vater. Denn sie erlebt Deutschland als frohes offenes Land; zumindest bis sie offen antisemitisch angefeindet wird, was die Warnungen ihres Vaters zurück an die Oberfläche befördert. Zuletzt können sie sich jedoch versöhnen und die Liebe zum Vater verdrängt die Angst vor einer Wiederholung des Holocaust. Durch die „compartments“ gelingt es dem Film, die Werte und Ängste der Figuren zu visualisieren, ohne sie aussprechen zu müssen.

Nella liest als Kind über den Holocaust, was sich in ihren “Compartments” ausdrückt. © Daniella Koffler, Uli Seis

Wie so ein lästiger Regen schweigen kann (2021) von Jakob Werner

In diesem Kurzfilm hört man Tonbandaufnahmen aus dem Frankfurter-Auschwitzprozess. In diesem wurde 1967 erstmals nach den Nürnberger Prozessen wieder eine Gruppe von SS-Leuten angeklagt. Zu einfach gezeichneten Animationen des Gerichtsverfahrens hört man, wie der Überlebende Otto Dov Kulka zu einem mörderischen Wachmann befragt wird, während der angeklagte SS-Mann gleich darauf der Aussage widerspricht. Der Kurzfilm fängt die Diskrepanz der Aussagen ohne Kommentar ein. Es wird noch einmal klar: Der Holocaust ist unleugbar, aber seine juristische Aufarbeitung hat in Deutschland (zu) lange gedauert.

„Holy Holocaust“ (2021) von Noa Berman-Herzberg, Osi Wald

Im letzten Animationsfilm „Holy Holocaust“ kommt es zu einer Begegnung, die den Klischees widerspricht: Die schwarze Deutsche Jenny trifft auf die blonde Israelin Noa, was beide zunächst amüsant finden. Dabei interessiert sie die Vergangenheit nicht und sie freunden sich an. Nach zwei Jahrzehnten bricht Jenny den Kontakt ab und damit konfrontiert gibt sie zu, dass sie vom Nazi Amon Göth (bekannt aus dem Film „Schindlers Liste“) abstammt. Diese Vergangenheit versucht sie in einem Buch zu verarbeiten, in dem sich Noa wiederum nicht richtig repräsentiert fühlt. Erst spät interessiert sie sich für ihre Familiengeschichte und erfährt, dass ein Großteil ihrer Vorfahren im Holocaust ermordet wurden. Dennoch stellt sie sich gegen die Vereinnahmung ihrer Freundschaft durch die Vergangenheit. Der Film spielt bewusst mit Gegensätzen, aber vor allem mit unterschiedlichen Formen der Vergangenheitsbewältigung. Wo Jenny trotz ihres Aussehens von der Last ihres Vorfahren erdrückt wird, lebt Noa unerschrocken in der Gegenwart.

Veranstalter Doria und Simon mit Daniel Lang von der HFF in der Diskussion © Florian Hupfer

Erinnerungskultur heute

Zu Beginn der Diskussion haben die Vorstandsmitglieder Daria und Simon als Veranstalter ihren Verein vorgestellt, der erst im letzten Jahr gegründet wurde. Seine Mitglieder haben sich der Erinnerungskultur im studentischen Rahmen verschrieben und wollen versuchen, mit Aktionen wie diesem Filmabend die Erinnerung wach zu halten. Explizit haben sie dabei auch den baldigen Tod der letzten Zeitzeugen angesprochen. Ohne deren direkte Erinnerung sind wir selbst aufgerufen, an die Schrecken des Holocaust zu mahnen. In der lebhaften Diskussion wurden Verbindung zwischen Erinnerungskultur und dem aktuellen Antisemitismus nach dem Angriff der Hamas auf Israel gezogen. Am Ende des Abends bleibt der Eindruck, dass es neben klassischen Dokumentarfilmen kürzere Formen gibt, um den Holocaust und seine Folgen filmisch zu verarbeiten.

Die Ausstellung „How to catch a Nazi” ist noch bis zum 30.04.2024 im Staatlichen Museum Ägyptische Kunst zu sehen.

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