Plötzlicher Millionär, Feuerbändiger und schließlich ungewöhnlicher Held mit Affenmaske: In seinem Regiedebüt „Monkey Man“ inszeniert sich Schauspieler Dev Patel zum ersten Mal als Action-Star und Rächer der Gerechtigkeit. Dass dabei jede Menge Köpfe rollen und Blut fließt, scheint selbstverständlich.
Von Christopher Bertusch; Foto: © Universal Studios
Samstagabend, ein kleiner, halb leerer Kinosaal in Neufahrn. Langsam geht das Licht aus und eine idyllische Szene breitet sich vor dem Publikum aus. Mutter und Kind spielen im Wald, lesen Geschichten vor, lachen und umarmen sich. Alles wirkt wie aus einem Bilderbuch, die Farben sind satt und das Bild hell. Es ist eindeutig, dass dieses Paradies nicht lange währen wird.
Ein solcher Rückblick ist Action-Fans bekannt: Die letzten Momente einer geliebten Person, bevor ihr Ableben einen blutigen Rachefeldzug in Gang setzt. Unerwartet ist hingegen die Mythologie, die dabei bedient wird. Die Mutter liest eine Geschichte über Hanuman vor, einer hinduistischen Gottheit in der Gestalt eines Affen. Es ist eine Figur, die westlichen Kinogängern weniger geläufig sein wird, die aber perfekt in das MCU oder zu Superman und Co. gehören könnte. Hanuman ist stark, mutig und integer, aber auch ein Außenseiter, ein Schelm und ein Sprücheklopfer. Am Ende entziehen ihm die Götter als Vergeltung für seine Taten seine Kräfte.
Von der Ohnmacht zur Gewalt
Auch die Geschichte von Kid (Dev Patel) beginnt zunächst in der Ohnmacht. Sein Dorf wird massakriert, als einziger Überlebender verdient er Jahre später sein Geld mit illegalen Straßenkämpfen und lässt sich hauptsächlich verprügeln, ganz zur Freude des Publikums. Doch in ihm brodelt ein Feuer, das schon bald ausbrechen wird. „Monkey Man“ macht schnell deutlich, um was für einen Film es sich hier handelt. In einem zusammengeschusterten Boxring tummeln sich dutzende verschwitzte, muskelbepackte Männer, die ihre Identität durch Masken geheim halten. Um sie herum qualmt es, es wird geschrien, gejubelt, Geldwetten werden eingesammelt und ein ebenso schmieriger wie amerikanischer Ringmeister heizt die Menge auf.
Im Kontrast dazu steht der exklusive Club, in dem Kid als Tellerwäscher arbeitet. Hier verkehren die Reichen und Schönen, die Schattenmächte im Kern der Stadt, und wie sich herausstellt, auch die Ziele seiner Rache. Während die Zuschauer*innen zu Anfang noch rätseln, wer nun wer ist und wer bald dem Tod begegnen wird, beginnt schnell ein blutiges Gemetzel: Kid kämpft sich durch Tanzflure, Bars, Restaurants und Pools in einem riesigen Wolkenkratzer. Gemtezel ist das passende Wort für „Monkey Man“, denn es werden Beine gebrochen, Kehlen aufgeschlitzt und Menschen (ein wenig) angezündet. Visuell genießt der Film das Spektakel, inszeniert Patel in roter Farbe, Schatten und Kontrasten.
Kid ist entschlossen, seine Rache zu nehmen. Etwas unentschlossen erscheint hingegen die Kameraführung: Manchmal erreicht sie unerwartete Höhen, schwingt sich durch Menschenmassen und fokussiert scharf die Action, die sich vor ihr entfaltet. Ein anderes Mal zittert sie, rast hin und her und lässt kaum Zeit die Szene zu verarbeiten. Man fühlt sich an Filme wie „The Raid“ oder „John Wick“ erinnert, vollkommen erreicht wird das euphorische Spektakel dieser aber nicht. Auch Bruce Lee und die Hongkong-Actionfilme der 80er und 90er stehen auf dem Inspirationsboard.
Action mit Herz und Mythos
Dafür verleiht Patel seinem Werk mehr narrative Substanz als es ein „John Wick“ bietet. Es geht um den Einfluss der Religion und ihre Gefahren. Darum, wie Prediger in Penthouse-Suiten die Masse verleiten und im Namen ihrer Gottheit Grausamkeiten entschuldigen. Parallelen zu wirklichen, indischen Parteien und der Marginalisierung gewisser Minderheiten, führten wahrscheinlich dazu, dass Netflix den zunächst für 30 Mio. Euro gekauften Film niemals ausstrahlte. Stattdessen kaufte Universal Studios auf Wunsch von Produzent Jordan Peele „Monkey Man“ Netflix ab und bringt ihn nun in die Kinos (ein Verlustgeschäft für Netflix von rund 20 Mio. Euro).
Patel spielt Kid nicht als starren Actionheld ohne Mimik. Stattdessen fühlt man mit und verdrückt selbst als hartgesottener Actionfan eine Träne, wenn gezeigt wird, woher seine Brandnarben kommen und wie seine Mutter verstarb. Mythologisch bleibt es spannend: Wiedergeburt und Zerstörung, die Gottheit Shiva, Trainingsmontagen und ein Gift, das angeblich übermenschliche Kräfte verleiht. Manchmal fühlt sich das an, als hätte man kurz den falschen Film erwischt. Auch Figuren, die man in anderen Rachefilmen vergeblich sucht, machen Lust auf mehr. Aber das Mehr bleibt aus.
Philosophisch beschäftigt man sich nur wenig mit den Gründen oder Folgen der Rachefantasie: „Es braucht Zerstörung, um etwas Neues zu erschaffen.“ Aber was ist das Neue? Wie geht es nun weiter, wenn überhaupt? Oder geht alles wieder von vorne los, im ewigen Teufelskreis der Gewalt und Rache? Wirkliche Lösungsvorschläge liefert Patel nicht, das Ende bleibt für das Genre erwartbar.
Narrativ greift er in die Trickkiste, kombiniert ungewöhnliche Elemente und verspricht Vieles, liefert aber nicht vollständig ab. Nicht immer rund, dafür visuell mitreißend, schauspielerisch berührend und mit Actionszenen versetzt, die Lust auf weitere Filme des Regisseurs machen, ist „Monkey Man“ einen Kinogang am Wochenende definitiv wert.
“Monkey Man” ist seit dem 04. April in den deutschen Kinos zu sehen. 120 Minuten, im Vertrieb von Universal Studios.