Soziale Ungleichheit und somit auch keine gleichen Bildungschancen? Ein Problem, das weiterhin aktuell bleibt. Genau hier setzt der gemeinnützige Verein Studenten bilden Schüler e. V. an und bietet kostenlose Nachhilfe für sozial schwächere Familien.
Von Andrea Kurz
Für diesen Artikel habe ich unter anderem mit Leonie Schümmer gesprochen. Sie ist 19 und Chemiestudentin an der TU München. Seit einem halben Jahr gibt sie ehrenamtlich Nachhilfe im Fach Englisch für den Verein. Je nachdem wie viel Zeit die Uni erfordert, trifft sie sich ein bis zweimal die Woche mit ihrer Nachhilfeschülerin, die aktuell in die 7. Klasse geht. Der Fokus liegt dabei nicht nur auf der Wissensweitergabe. Wichtig ist vor allem, selbstständiges Lernen zu vermitteln und, dass Lernen auch Spaß machen kann. Was Leonie vor allem begeistert: Die Motivation, die das Mädchen mitbringt. Sie will die Nachhilfe wirklich. Etwas, das Leonie bei anderen Nachhilfeschüler*innen vor ihrer Arbeit bei dem Verein nicht so sehr erlebt hat.
Deutschlandweit 55 Standorte
Seit seiner Gründung 2012 hat Studenten bilden Schüler e. V. einige Nachhilfelehrer*innen wie Leonie vermitteln können. Mit inzwischen 55 Standorten ist er deutschlandweit vertreten. Der Standort in München ist einer der ältesten. Das Konzept ist immer gleich: Studierende aller Fächer werden an den Universitäten angeworben und an passende Nachhilfeschüler*innen vermittelt. Vermittelnd sind hier oft soziale Institutionen wie die Caritas, die Tafel oder das Jugendamt über die sich finanziell schwächere Schüler*innen an den Verein wenden können.
Hoher Bedarf an Nachhilfe in München
Leider übersteigt der Bedarf an Nachhilfe das Angebot von Studierenden stark. Um einen Vertreter der Standortleitung zu paraphrasieren: Würden sich von heute auf morgen hundert Nachhilfelehrer*innen melden – man würde alle unterbekommen. Insgesamt gibt es nicht viele Vereine, die in München kostenlose Nachhilfe anbieten. Die Nachhilfeindustrie ist in den letzten Jahren stark gewachsen, während es gleichzeitig immer mehr Menschen im sozial schwächeren Bereich gibt, die nicht das nötige Geld für Nachhilfe zusammen haben. Der Verein muss persönliche Anfragen oft ablehnen, weil die Kapazitäten nicht mehr Lehrer*innen hergeben. Hier stellt sich natürlich auch die Frage, wie der Verein zwischen Familien filtern kann, die sich Nachhilfe wirklich nicht leisten können, und denen, die sich einfach etwas Geld sparen wollen. Andere Standorte setzten auf Vertrauen, während in München ein „Filter“ eingerichtet wurde: Wenden sich die Nachhilfesuchenden über soziale Träger oder Organisationen an den Verein, geht man davon aus, dass wirklich Bedarf besteht. Andere werden erstmal abgelehnt. Keine optimale Lösung, grundsätzlich wolle man ja jedem helfen, aber eine richtige „Bedürftigkeitsprüfung“ kann der Verein nicht realistisch stemmen.
Unterstützung nicht nur durch Nachhilfe
Leonie erzählt, dass sie sich bei Studenten bilden Schüler e. V. gut aufgehoben fühlt. Regelmäßig wird nachgefragt, wie es in der Nachhilfe laufe und ob sie etwas bräuchte. Lernmittel werden den Lehrer*innen zur Verfügung gestellt und über Sponsoren finanziert. In normalen Zeiten, in denen Corona nicht das soziale Leben lahmlegt, versucht man den Nachhilfepaaren auch außerschulische Aktivitäten zu ermöglichen. Zum Beispiel durch gemeinsame Zoo-, Schwimmbad- oder Kinobesuche. Dinge, die sich diese im Alltag oft nicht leisten können. Allgemein will man auch auf persönlicher Ebene Ansprechpartner*in für die Kinder zu sein, oder in anderen Aspekten zu helfen. Zu Zeiten der improvisierten Online-Lehre unterstütze der Verein beispielsweise auch durch gespendete Laptops. Es sei erschreckend gewesen, wie viele Familien sich nach neun Monaten Homeschooling meldeten, weil sie keinen Computer haben, mit denen ihre Kinder am Onlineunterricht teilnehmen konnten. Oft müssten sich auch mehrere Geschwister einen PC teilen – eine Herausforderung, wenn jedes Kind einen anderen Stundenplan hat. Eigentlich wäre dies Aufgabe des Freistaates, aber wegen der hohen bürokratischen Hürden, die vor allem für Nichtmuttersprachler*innen oft eine große Herausforderung sind, hat man sich dennoch entschlossen die Familien hier zu unterstützen.
Allgemein mache die Arbeit für den Verein Spaß, sei abwechslungsreich und könne gut in den Alltag integriert werden. Das berichten sowohl Fabian Sommer als auch Leonie Schümmer. Der Arbeitsaufwand beträgt meist nur weniger Stunden die Woche und lässt sich somit gut mit dem Studium verbinden. Für beide eine gute Möglichkeit sich sozial zu engagieren und so der Gesellschaft etwas zurückzugeben.