Filmreihe

„Joana Mallwitz” – Frauenpower im Konzertsaal

Im Dokumentarfilm Joana Mallwitz – Momentum von Günter Atteln begleiten wir die namensgebende Stardirigentin. Der Film konzentriert sich auf die durch Mallwitz verkörperte Männlichkeit, lässt dabei aber intime Einblicke vermissen.

Von Jonas Hey; Bild: © déjà-vu film

Gleich zu Beginn sieht man Joana Mallwitz, wie sie Noten für ein kommendes Konzert studiert. Dies wird zu einem bekannten Anblick, denn der Film zeigt immer wieder, wie sie zu Hause oder in einem Hotel in die Komposition vertieft ist. Hin und wieder wird aus Gesprächen klar, dass sie sich gerade auf ein Konzert oder eine Opernaufführung in München, Wien oder Paris vorbereitet. Außerdem erfährt man zu Beginn des Films, dass sie 2021 in Nürnberg am Staatstheater als Dirigentin arbeitet.

Voller Einsatz

Darüber hinaus bleibt die Chronologie des Films aber verworren. Oft ist nicht klar, wo sie gerade welches Stück probt. Einzig ihr Baby wird größer und die Veranstaltungsorte wechseln. Die Proben und Konzerte sind beeindruckend, ist die Kamera doch immer nah dran. Man sieht sie einzelne Passagen in Sinfonien korrigieren oder voller Einsatz das Orchester bei einer Aufführung kommandieren. Zwischendurch spricht sie mit glühenden Augen und viel Gestik von ihrem Weg zum Erfolg und ihrem Interesse an der Arbeit. Es geht ihr um nichts Geringeres, als eine perfekte Aufführung abzuliefern.

Eine Frage des Geschlechts

Ihr Job als Dirigentin versetzt sie in eine Position der Stärke. Wie eine Generälin kommandiert sie das Orchester. Dabei wirkt sie nicht herrisch oder arrogant, sondern selbstgewiss und bestimmt. Sie nimmt eine klassisch männliche Rolle als Anführerin ein. Teilweise tritt sie im Hosenanzug und ärmelfreier Bluse auf. Mit ihren unbedeckten muskulösen Armen zeigt sie, dass sie nichts verstecken muss. Dieses Rollenbild setzt sich zu Hause fort, wo sich im Film hauptsächlich ihr Mann um Kind und Haushalt kümmert. Mallwitz sieht man hingegen nur selten bei etwas anderem als der Arbeit. An einer Stelle äußert sie, dass sie sich bewusst für diese Rolle im Rampenlicht entschieden hat, um die eigene Unsicherheit zu überwinden.

Gegen Ende des Films wird sie Chefdirigentin des Konzerthausorchesters in Berlin. Dabei wird sie von einem Reporter vom Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) auf ihre Rolle als Frau in einer Männerdomäne angesprochen. Darauf reagiert sie zwar gelassen, schafft aber erst beim zweiten Versuch eine zusammenhängende Antwort. In einem zweiten Interview wird sie spezifisch auf ihre Mutterrolle angesprochen. Auch hier kann sie mit den Fragen nichts anfangen, wobei es unklar bleibt, ob sie nicht antworten will oder kann.

Fehlender Tiefgang

Gerade bei den Interviews wäre ihre Meinung interessant gewesen. Doch dazu kommt es nicht. Die Kamera bleibt stets auf der Ebene des Oberflächlichen, nur in einzelnen Szenen blickt man wie durch einen Riss in der Fassade. Dabei stellen sich bei einer solchen Karriere und Rolle viele Fragen zu ihren Gefühlen und zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Der Film will darauf keine Antworten liefern. Stattdessen werden Szenen aus der Arbeit gezeigt, doch auch diese bleiben oberflächlich. So wird dem Publikum nicht einmal erklärt, warum ein Dirigent welche Gestik verwendet. In der letzten Szene steht Mallwitz in enger Umarmung mit ihrem Mann vor dem Opernhaus in Berlin. Man sieht nur ihren Rücken und ihre Emotionen bleiben ungesehen. Dies ist bezeichnend für einen Film, der nur an der Oberfläche kratzt und nicht in der Tiefe schürft.

Der Film feierte beim DOK.fest München am 5. Mai 2024 seine Premiere und kam am 16. Mai 2024 in die deutschen Kinos.

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