Filmreihe

„Jeff Koons: A Private Portrait“ – das makellose Image

Der italienische Regisseur Pappi Corsicato zeigt in „Jeff Koons: A Private Portrait“ das Leben des berühmten Künstlers. Die Doku bleibt allerdings oberflächlich und zeigt einen Mann, der so sehr strahlt wie seine bekannten, glänzenden Skulpturen.

Von Jonas Hey; Bild: © Nexo Digital

Viele kennen die Skulpturen in Form eines Luftballon-Hundes. Mit diesen und anderen Kunstwerken aus Spielzeug ist der Künstler Jeff Koons berühmt geworden. Der 2023 erschienene Film will hinter die Kulissen des Kunsttitanen blicken und seine private Persönlichkeit aufzeigen. Dabei kommen Familienmitglieder, Weggefährten und natürlich er selbst zu Wort. Alles beginnt in einer Kleinstadt in Pennsylvania, in der Koons mit seinen Eltern aufwuchs. Sein Vater war Innenausstatter und ein Perfektionist. Aus dieser Phase seines Lebens scheint er die Inspiration für alle seine Werke zu ziehen. Die blauen Kugeln kommen vom Christbaum, den der junge Koons nicht berühren durfte, die erwähnten Skulpturen wiederum erinnern an das Spielen im Garten. Der Perfektionismus führt dazu, dass Koons teils Jahre braucht, um Kunstwerke fertigzustellen.

Regisseur mit Vorerfahrung

Dieser Dokumentarfilm stammt vom Regisseur Pappi Corsicato, der noch bis 2008 Komödien und Spielfilme drehte. Doch erst 2008 mit einem Film über den italienischen Grafiker Armando Testa schwenkte er über zum Dokumentarischen und dem Kunstbetrieb als Gegenstand seiner Filme. Der entstandene Film „Armando Testa – Povero ma moderno“ erhielt bei den Filmfestspielen von Venedig einen Sonderpreis. Dann schuf er 2017 den Film „Julian Schnabel: A Private Portrait“ und wählte nun denselben Untertitel. Was unter einem „Private Portrait“ zu verstehen ist, zeigt sich über den Film hinweg, geht es ihm doch anscheinend um eine intime, aber genehme Darstellung des Protagonisten.

Die Darstellung von Koons ist nämlich ausschließlich positiv, was die Frage aufwirft, wie stark der Künstler Einfluss genommen hat. Zum einen kommen überhaupt keine Kritiker*innen oder Kunsthistoriker*innen vor. Selbst seine Autobiografin Debra Lee berichtet nur von positiven oder neutralen Ereignissen. Ansonsten kommen sein Förderer Julian Schnabel, ein Kunde und sein Galerist vor. Alle anderen Stimmen kommen von Koons oder aus der Familie. Dennoch ist Koons in der Kunstwelt stark umstritten: Viele Kritiker*innen werfen ihm vor, keine Kunst, sondern Kitsch zu produzieren. Ob man einen tieferen Sinn in einem Werk sieht oder nicht, ist natürlich nach wie vor den Zuschauer*innen überlassen, allerdings bleibt das Bild des Künstlers unvollständig. Auch hätte es Spannung geschaffen, die dem Film so fehlt. Außerdem wurde Koons mehrfach aufgrund von Urheberrechtsverletzungen verklagt und verlor einige dieser Fälle, was der Film ebenso ausklammert.

Ein Familienmensch?

Seine Biografin Lee äußert, dass Koons nur zwei Dinge liebe: seine Kunst und seine Familie. Gerade auf Letztere legt der Film einen großen Fokus. Alle seine Kinder erhalten das Wort und loben ihren Vater über den Klee. Dieses Augenmerk scheint daran zu liegen, dass er mit seiner ersten Freundin als Student eine Tochter bekam, die das Paar zur Adoption freigab. Koons macht dafür im Film unverblümt seine damalige Partnerin verantwortlich, doch sollte klar sein, dass zur Zeugung eines Kindes immer zwei gehören. Diese Adoption scheint ein tiefes Trauma in Koons ausgelöst zu haben, welches im Film angesprochen, aber nicht tiefer analysiert wird.

Passenderweise führte er mit seiner ersten Ehefrau, der italienischen Pornodarstellerin Ilona Staller, einen jahrelangen Sorgerechtsstreit um ihren gemeinsamen Sohn. Auch dies wird im Film so dargestellt, als hätte er ein Recht auf das alleinige Sorgerecht. Mit seiner jetzigen Frau hat er mindestens fünf Kinder, die allesamt zu Wort kommen. Seine Frau aber darf nur vom Kennenlernen berichten und zuletzt ergänzen, dass sie vielleicht doch etwas Einfluss auf seine Werke hat. Da er aber ja um die Welt reisen und seine Kunst promoten muss, wird klar, dass sie sich um die Kinder kümmert. Hinter der Fassade dieses Strahlemanns verbirgt sich ein Egomane, der sich nur um andere schert, wenn es auch ihm selbst etwas bringt.

Über Kunst sprechen statt Kunst schaffen

Zuletzt erfahren die Zuschauer*innen sehr wenig über den Entstehungsprozess der Kunstwerke. Meist läuft Koons durch die Museen und erklärt seine Interpretation. So steht der Basketball im Aquarium für das Gleichgewicht des Lebens und seine Glaskästen sind Zeugnisse der Modernität. Allerdings sieht man nie, wie Koons selbst Kunst schafft. Am ehesten ist er noch in seinem Studio zu sehen, wo klar wird, dass wie bei vielen bekannten Künstler*innen andere die Arbeit machen. So sieht man einen konzentrierten Maler an einem Bild arbeiten oder einige Leute an Bildschirmen sitzen. Doch am Ende wird Koons geehrt und reich, nicht aber die Arbeitsbienchen im Hintergrund. Er wirkt wie ein General, der befiehlt und zuletzt vor dem Ergebnis posiert.

Der Film lässt einen etwas ratlos zurück, was man sich gerade angeschaut hat. Sicher erfährt das Publikum viel über Koons Privatleben, doch zugleich fragt man sich, ob man nicht einen Werbefilm gesehen hat. Es bleibt unklar, warum der erfahrene Regisseur Corsicato solch unkritische Werbung produziert.

Der Film feierte auf dem Filmfest Rom Premiere und erschien dort und in den USA im Oktober 2023 limitiert im Kino. In Deutschland feierte der Film beim Fünf Seen Filmfest Anfang September 2024 seine Premiere. Ein Kinostart ist zum Erscheinen der Kritik noch nicht bekannt. 

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