Filmreihe

„Love Lies Bleeding“ – ein queerer Thriller?

In „Love Lies Bleeding“ geraten zwei queere Frauen in einen Thriller mit romantischem Einschlag und einigen Familienproblemen. Das führt zu einem Durcheinander der Themen, welches eine Entwicklung der Figuren verhindert.

Von Jonas Hey; Bild: © Plaion Pictures

Zu Beginn schwebt die Kamera auf eine heruntergekommene Lagerhalle hinab. Dort wird nur dem Muskel gehuldigt und so schreitet man eine Reihe muskulöser Männer ab, die hier trainieren. Trotz dieses Anfangs geht es nicht um eine Pumper-Geschichte. Stattdessen sehen wir, wie die Protagonistin Lou (Kristen Stewart) die Toilette reinigt. Sie hat auch sonst ein eher beschissenes Leben, welches sie in einer kleinen Wohnung mit ihrer Katze verbringt und stets erschöpft in die Kamera blickt. Das alles ändert sich jedoch, als sie der bisexuellen Jackie begegnet.

Eine erfahrene Regisseurin

Der Film ist der zweite Langfilm von Regisseurin Rose Glass, die zu Beginn ihrer Karriere durch experimentelle Kurzfilme auffiel. Ihr erster Langfilm Saint Maud wurde direkt für den BAFTA nominiert und erzählt von einer tiefreligiösen Krankenschwester, die göttliche Visionen hat und versucht, eine schwer kranke Frau zu bekehren. Jeder ihrer Filme hat einen feministischen Kern, sind doch meist Frauen, zudem meist queer, ihre Protagonistinnen. Auch überschreitet sie Genregrenzen und vermischt gekonnt Horror, Spannung und Erotik. Einen konventionellen Film zu drehen, ist ihr wohl zu langweilig und es ist gut, dass sie mehr wagt. Produziert wurde der Film vom mittlerweile legendären Studio A24, das für Filme mit Kante und Charakter steht. Zuletzt erschienen etwa „Priscilla“, „The Zone of Interest“ oder „Civil War“.

Regisseurin Glass stellt Kristen Stewart eine starke Frau an die Seite: Katy O’Brien spielt Jackie, eine stets optimistische Bodybuilderin aus Oklahoma, die auf der Durchreise zu einem Wettbewerb ist. Sie nimmt einen Job bei Lous mysteriösen Vater (Ed Harris) auf einem Schießplatz an. Als sich die beiden Frauen begegnen, springt der Funke über, sie verlieben sich ineinander und haben stürmischen Sex in Lous Wohnung. Immer wieder wird der muskelbepackte Körper von Jackie gezeigt, womit Glass eine konträre Ästhetik zu den seit Jahrzehnten dominierenden männlichen Körpern in der Filmgeschichte entwirft. Doch bis auf einen Gag am Ende spielt diese Ästhetik keine Rolle für die Handlung und bleibt so leider nur Schauwert.

Bloß eine queere Romanze will der Film aber nicht sein: Es kommt Spannung auf, als Jackie Lous gewalttätigen Schwager JJ (Dave Franco) ermordet. Während sie völlig schockiert in der Badewanne sitzt, schafft Lou die Leiche hinaus. Diese Dualität bestimmt den restlichen Film: Lou ist energiegeladen, beinahe manisch und versucht die Probleme zu lösen, wohingegen Jackie in Starre verfällt und passiv die Szenerie verfolgt. Dadurch wirkt sie einfältig und ihre Charakterentwicklung bleibt stecken.

Blasse Charaktere

Schließlich schieben die beiden das brennende Auto von JJ in eine Schlucht und Lou deutet ominös an, dass da unten noch mehr Tote lägen. Die Rauchsäule alarmiert nicht nur das FBI, sondern auch Lous Vater, der offensichtlich selbst Leichen in der Schlucht begraben hat. Hier entsteht noch ein Familiendrama als Thema des Films. Romanze und Thriller waren nicht genug, das Chaos muss noch durch diese Vater-Tochter-Geschichte erweitert werden.

Diese Masse an Motiven lässt die Charaktere farblos erscheinen, da die Regisseurin ihnen keine Zeit mehr lässt, eines der Themen intensiv zu durchleben. Gerade bezüglich des  Familiendramas fehlt es an Hintergrund und Charaktertiefe. Lous Vater ist ein generischer Antagonist, der böse und ein Verbrecher ist. Hier hätte man sich mehr Hintergrund gewünscht. Doch ohne diesen ist er kein übermächtiger Gegner, sondern nur ein Schatten seiner selbst.

Glass konnte sich offensichtlich nicht entscheiden, welches Thema sie hauptsächlich verfolgen wollte. Da gibt es die queere Liebesgeschichte, die ständig durch den Thriller unterbrochen wird, um nicht zu sehr in eine schnöde Romanze abzudriften. Hinzu kommt noch eine Prise Familiendrama, um Lou eine Motivation zu geben. Das führt natürlich zu Chaos im Film. Viele Szenen hängen dementsprechend in der Luft oder sind nur lose verbunden. Ein präziseres Erzählen hätte den Thriller besser gemacht.

„Love Lies Bleeding“ feierte beim Sundance Festival im Januar 2024 seine Weltpremiere und kam am 18. Juli 2024 in die deutschen Kinos.

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