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Bangen um neues Kulturcafé

Am Kolumbusplatz wollen die Betreiber der Gans am Wasser ein weiteres Lokal entgegen dem Münchner Chic aufmachen. Jetzt brechen wegen Corona Einnahmen weg und geht ihnen das Geld aus. Sie hoffen auf Spenden.

Noch im Entstehungsprozess: Das Kulturcafé „Gans Woanders“ in Untergiesing soll Mitte Juni eröffnen © Foto: Helena Borst

Von Helena Borst

Noch sperrt ein Bauzaun das dreieckige Grundstück ab, doch dahinter tut sich seit Oktober schon einiges. Wo früher ein baufälliger Kiosk stand, entsteht heute ein hölzernes Hexenhäuschen: das „Gans Woanders“. Mitte Juni soll es eröffnen. Der Name bezieht sich auf seine unromantische Lage zwischen Hochgleisen und befahrenen Straßen, und auf Julian Hahns erstes Café, das „Gans am Wasser“ im Westpark.

Julian ist einer der drei Betreiber, die hier einen Ort schaffen wollen, an dem sich verschiedene Generationen und Themen begegnen. Dafür sollen neben Speisen und Getränken auch ein Programm mit sowohl internationalen Künstler*innen als auch lokalen Gruppen geboten werden. Auf die abwechslungsreichen Veranstaltungen, die von Literatur über Workshops bis Musik reichen werden, freut sich Julian schon. Jede*r soll hier die Möglichkeit haben, einen Beitrag für die Open Stage anzumelden.  Ein Großteil der Veranstaltungen soll kostenlos sein. Auch bei den Lebensmitteln verspricht Julian, neben Nachhaltigkeit auch auf einen fairen Preis zu achten.

Kostenlose Kultur an einem Wohlfühlort

Anfänglich habe er an dem Projekt gezweifelt, gesteht Julian, als er 2018 von der neuen Gelegenheit erfahren habe. Der verwahrloste Platz, die ungemütliche Lage und der bis 2024 begrenzte Pachtvertrag schienen wenig vielversprechend. Gleichzeitig, meint er, motiviere es ihn, den Schandplatz in einen Ort zu verwandeln, an dem sich die Gäste wohlfühlen. Dafür sei zunächst der heruntergekommene Kiosk abgerissen worden, um auf seinen Fundamenten ein Holzhaus zu errichten. Heute bleiben Spaziergänger*innen vor dem Hexenhaus stehen, das mit seinen alten Fenstern, dem spitzem Dach und Schornstein einem Märchen entsprungen sein könnte.

Künftig sollen die Gäste auf einer Hochterrasse zwischen den Bäumen sitzen können. Ginge es nach Julian, wäre das Gans Woanders noch verspielter geworden. Allerdings mussten manche Ideen aus Gründen der Statik oder aufgrund städtischer Richtlinien verworfen werden.

Die Betreiber (v.l.): Philipp Behringer, Julian Hahn und Florian Jund © Fotos (2): Gans Kreativ GmbH

Seine Leidenschaft, sagt Julian, gelte dem „Erschaffen von erfüllenden Orten“, wie er sie nennt. Dabei lege er Wert auf detailreichen Eigenbau, der sich von Kataloghäusern abhebt. Wer Julian zuhört, wie er von seinen Bauprojekten erzählt, gewinnt den Eindruck, die entstehenden Gastronomiebetriebe spielen eine Nebenrolle und dienen lediglich der Finanzierung. Der 27-Jährige, der sich nach einer Ausbildung zum Rettungssanitäter auf einen Medizinstudienplatz bewirbt, und seine beiden Freunde wollen nun gemeinsam das Gans Woanders eröffnen. Ihre fantasievollen Pläne können sie auch deshalb selbst umsetzen, weil sie von ihren Kenntnissen als Kfz-Mechatroniker und Hotelkaufmann profitieren.

Zur Fertigstellung fehlen 50.000 Euro

Allerdings verkalkulierten sich die Drei bei den Kosten, und der finanzielle Engpass verschärft sich weiter, nachdem durch die Pandemie die Einnahmen der Gans am Wasser wegfallen. Die Corona-Soforthilfe sei zwar bereits angekommen, doch ohne weitere Unterstützung könne das Projekt nicht fertiggestellt werden, wie Julian in einem Spendenaufruf in den sozialen Medien erläutert.

Insgesamt fehlen nach Homepage-Angaben 50.000 Euro, davon etwas weniger als die Hälfte für den Innenausbau der Küche und die Einrichtung. Auch wenn die bislang gesammelte Summe von gut 21.000 Euro nicht ausreicht, motiviert sie die Betreiber. Um die ihnen zuteil werdende Unterstützung auch anderen zugute kommen zu lassen, ruft das Gans Woanders über soziale Medien dazu auf, den Bauzaun mit Lebensmitteln und Hygieneartikeln für Wohnungslose zu behängen, die sich früher oft an dem alten Kiosk aufhielten.

Betreiber hoffen auf Verlängerung der Pacht

Allein um die entstandenen Kosten zu decken, hoffen die drei Betreiber, den Pachtvertrag in vier Jahren verlängern zu können. Abhängig ist das davon, ob die Grundstücksbesitzer vor Gericht eine Baugenehmigung einklagen können. Sollte dem so sein, müsste das Gans Woanders einem Bürogebäude weichen. Für diesen Fall, sagt Julian, habe er bereits bei den Eigentümern angefragt, ob das Kulturcafé auf das Dach des Neubaus verlegt werden könnte.

Doch neben der finanziellen Lage und der Dauer des Fortbestehens herrscht auch Unklarheit darüber, wie sich die Corona-Beschränkungen entwickeln. In welchem Maße Menschen wieder Gaststätten und Kulturveranstaltungen besuchen können, wenn das Hexenhäuschen frühestens Mitte Juni eröffnet werden kann, lässt sich schwer vorhersagen. Indes, obwohl das Gans Woanders noch nicht einmal fertiggestellt ist, haben Julian und seine Freunde bereits ein weiteres Bauprojekt im Visier: ein Café in Form eines Zeltes auf dem Dach der U-Bahnstation Partnachplatz. Auch hier wollen sie den öffentlichen Raum aufwerten – und vor allem weiter bauen.

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