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Münchner Nordosten statt Allianz Arena: Wo Fußball schon heute queer ist

Die Streetboys des Team München e.V. sind das erste und bisher einzige schwule Team, welches im offiziellen Ligabetrieb der DFB vertreten ist. Wir sprechen mit Außenverteidiger Christoph Hertzsch (33) über Fußball und seine Schwierigkeiten als schwuler Mann in diesem Sport aufzutreten. 

Christoph Hertzsch auf dem Trainingsgelände der Streetboys. Foto: Elias Weikmann

Das Interview führte Elias Weikmann

Die fehlende Freigabe der UEFA, die Münchner Arena anlässlich des letzten deutschen Gruppenspiels in Regenbogenfarben zu beleuchten, hat weite Wellen des Protests nach sich gezogen – nicht nur in München. So schlagkräftig die Gegenwehr, so mangelhaft bleibt weiterhin die Akzeptanz queerer Sexualität im männlichen Profifußball. 

Einen echten Lichtblick ganz ohne architektonische Luftkissen kann man nur ein paar Kilometer stadteinwärts erleben. Dort – in den städtischen Trainingsgeländen des Münchner Nordostens – haben die Amateurfußballer der Streetboys des Team München e.V. ihr Zuhause. Bereits im Vorfeld der aktuellen Debatte hatten wir Gelegenheit uns zusammenzusetzen, um Christoph Hertzschs´ Sichtweise auf den Fußball kennenzulernen. Aufgewachsen in Suhl im Thüringer Wald ist er über den Umweg Augsburg in München angekommen und dort schon im sechsten Jahr bei den Streetboys aktiv. 

Christoph, wie hat deine Liebe zum Fußball begonnen?

Ganz einfach – Ich wurde als Fünfjähriger in den Fußballverein gesteckt, weil ich hyperaktiv war. Der Arzt hat gesagt ich muss mich mehr bewegen, mich auspowern. Das hat geholfen. 

Hast du dich dort im Verein wohlgefühlt? 

Ja, definitiv. Mit den Leuten dort bin ich zusammen auf die Schule gegangen, später auch aufs Sportgymnasium. 

Wie kam dort deine Homosexualität an?

Zum ersten Mal geoutet habe ich mit 14 vor Freunden. Über die Schule hat das seinen Weg auch in die Mannschaft gefunden. Das war dort aber nie ein großes Thema für mich. Mein Trainer meinte danach einmal zu mir, es wäre ihm egal welche Sexualität ich habe, solange ich nur den Ball treffe.

Wie waren deine Erfahrungen später bei den Streetboys?

Als ich den Streetboys eine Mail geschrieben hatte, kam innerhalb einer halben Stunde die Rückmeldung für das Training am Tag darauf. Dort wieder auf dem Platz zu stehen, war die Erleuchtung. Alle waren super freundlich und ich bin mit den Jungs danach auch gleich in unsere Stammkneipe im Glockenbachviertel gegangen. Ich habe mich direkt integriert gefühlt.

Welche Erfahrungen mit Homophobie hast du dort gemacht?

Ein Klassiker, den man von gegnerischen Teams hört ist ein Spruch wie „wir gehen erst später in die Kabine, wir wollen nicht zusammen mit den Homos duschen“. Wenn Ihnen das bei 4 Grad Außentemperatur und Regen lieber ist, soll mir das recht sein.

Am schlimmsten habe ich einen Vorfall in Erinnerung als unsere Fans von anderen Fans angegangen worden sind, mit Worten, aber auch mit Androhung von Prügel. Bei diesem Spiel war der Schiedsrichter tatsächlich cool. Er hat das Spiel unterbrochen, die gegnerischen Fans vom Platz verwiesen und angedroht das Spiel mit 2:0 für uns zu werten, falls das nicht aufhört. Das war das erste und einzige Mal, dass ein Schiedsrichter so rigoros für uns aufgetreten ist. 

Jogi Löw, der Bundestrainer der Nationalmannschaft, hatte sich in einem ausführlichen Interview im Vorfeld zur laufenden EM zu Homosexualität im Fußball geäußert. Er bedauerte darin einerseits die fehlende Offenheit. Außerdem erklärte er auf die Frage: „Wie würden Sie handeln, wenn es Sie beträfe?“ „Dann würde ich dazu auch stehen.“ Was hältst du von seiner Aussage? 

Prinzipiell sehe ich es schwierig, eine solche Aussage zu treffen, da er selbst die Erfahrung nicht gemacht hat. Man sollte von Spielern auch nicht verlangen, sich zu outen, sondern sollte klar machen, dass man im Falle für sie da ist und sie unterstützt.

Die Allianz Arena im unbeleuchteten Zustand – Viele hätten sich Regenbogenfarben zum letzten Gruppenspiel der deutschen Nationalmannschaft gewünscht. Foto: Alex Fox auf Pixabay

Angefangen bei Äußerungen Philipp Lahms, über #wirstehenhintereuch bis hin zu #kickout war das Thema Homosexualität im Fußball das ganze Jahr über medial überdurchschnittlich präsent. In #kickout bekannten sich über 100 Fußballer*innen hauptsächlich aus dem Amateurbereich öffentlich zu Ihrer Sexualität. Darunter auch du. Wie kamst du dazu? 

Wir wurden als Verein direkt angeschrieben. Ich habe der Aktion daraufhin auch den Kontakt einiger weiterer queerer Fußballvereine weitergeleitet. 

Besonders bemerkenswert fand ich die Teilnahme eines Teammitglieds von mir, das erst seit eineinhalb Jahren bei uns ist. Anfangs war er nicht geoutet und bedacht nirgendwo in der Öffentlichkeit aufzutreten. Dass er sich nun getraut hat im Verbund mit vielen anderen Fußballern aufzutreten, sehe ich als starken Erfolg der Aktion.  

Am 11.06 ist die EM 2020 gestartet! Wie hast du die Spiele bisher erlebt? 

Ich muss zugeben, dass ich gar nicht so in EM-Vorfreude war. Das lange Warten, der neue Modus, die Verteilung auf verschiedene Standorte. Jetzt gucke ich am Ende aber doch jeden Tag.

Wer holt den EM-Titel?

Italien. Die hab ich getippt! Anfangs hatte die noch keiner auf dem Schirm.

 

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