Sind wir eine Merkel-Generation? Eine Generation von entschiedenen Jain-Sagern und entschlossenen Feiertags-Vegetariern? Eine Polemik
G8 und der Bologna-Prozess haben eine neue Studentengeneration hervorgebracht, die akademische Titel hat, ohne wissenschaftlich arbeiten zu können. Selbst wenn wir doch nach unserer Meinung gefragt werden, herrscht bedrücktes Schweigen im Kurssaal. Lieber abwarten und Klappe halten. Der Nutzen des neuen Bachelor- und Mastersystems ist ebenso ungewiss wie die damit verbundene Studienzeitverkürzung. Gerade der Sinn der Geisteswissenschaften wurde durch die Umstellung des Systems untergraben.
Das eigene Leben wird wie selbstverständlich durch die verschiedenen Lehranstalten, elterliche Zwänge und gesellschaftlichen Erwartungen vorausgeplant. Einige machen eine Ausbildung, wer in der Schule gut auswendig lernen konnte den Bachelor und für die ganz gescheiten gibt es sogar einen Master. Eine sagenhaft Auswahl wie bei 10.000 genau gleich individuellen Ikea-Regalen.
Machen wir uns doch nichts vor. Man erwartet von unserer Generation, intelligent genug zu sein, um alles in Stand zu halten; aber bitte ja nicht selber denken. Und das Allerschlimmste daran ist: Wir machen auch noch mit. Ja, wir wollen es gar nicht anders. Wir sind heimwehkrank nach der perfekten Wirtschaftwunderwelt, wo man von seinem Geld noch etwas hatte und die Renten sicher waren. Vielleicht ist das die Erklärung dafür, warum wir eine so konservative Jugend sind.
Später Sex, gesunde Lebensführung und eine unglaublich frühe Fixierung darauf, den perfekten Lebensabschnittgefährten zu finden. Der Alkoholkonsum wird immer extremer: Viele trinken gar nicht mehr und die wenigen, die trinken, trinken gleich für alle anderen mit. Willkommen in der brave new world, einer apathischen Generation, die auch nichts gegen einen Big-Brother-Staat an. Die Schuld kann man vielleicht bei 9/11 oder der Wirtschaftskrise suchen, doch die Auswirkungen prägen unsere ganze Generation fürs Leben.
Wo bleibt die Opposition gegen diese öde Politik? Wo ist denn der berühmte Wutbürger? Nicht in unserer Generation. Auch wenn man die FDP schon zuvor nie ganz ernst nehmen konnte, aber nun bezeichnet sie sich allen Ernstes als APO (Außerparlamentarische Opposition). Und leider hat sie damit auch noch recht. Normalerweise denkt man bei APO an Hippies, Studentenrevolten oder Benno Ohnesorg. Aber es passt zu unserer Zeit, dass die FDP momentan Teil der APO ist und nicht eine Studentenbewegung.
Was für den Lehrsaal gilt, kann man auch auf die Wahlurne übertragen. Nur die Hälfte aller Erstwähler hat die Möglichkeit wahrgenommen zu wählen. Es ist ein ewiges Duckmäusertum: ja nicht zu viel vom Leben erwarten und sich keinen Idealen hingeben. Doch dabei haben wir vergessen, dass Ideale nicht unbedingt Illusionen sind. Indem wir nicht mehr das Unwahrscheinliche fordern, machen wir auch das Mögliche unmöglich.
Wir sollten auf den französischen Résistance-Kämpfer Stéphane Hessel hören: Empört euch! Oder wenn man sich so manche Kommilitonen ansieht: Hab erst einmal den Mut dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!