Interview Unileben

„Man muss für Verbesserungen keine Hörsäle besetzen“

Ein Gespräch mit Cosima Schäfer, ausscheidende Geschäftsführer*in der Studierendenvertretung der LMU über arme Fachschaften und die Frage, warum es in Bayern wieder eine Verfasste Studierendenschaft braucht.

Das Interview führte Pauline May

Philtrat: Unter anderem von den Besetzer*innen im Mai wurde gefordert, dass die Hochschule wieder ein politischerer Raum werden muss. Teilst du die Beobachtung, dass die Uni im Vergleich zu früher ein entpolitisierter Raum ist? Auch das Referat gegen Faschismus hatte ja von Schwierigkeiten berichtet, Räumlichkeiten zu bekommen – weil ihre Veranstaltungen als „zu politisch“ gelten. 

Cosima: Natürlich gibt es die Problematik, dass unsere Uni relativ unpolitisch ist, vor allem, wenn man sich zum Beispiel die TUM anschaut, die sich viel mit Politik auseinandersetzt. Das Ding ist, es bessert sich. Diese Sachen von wegen, wir dürfen keine Räume buchen für angeblich politische Sachen, das funktioniert für die kritischen Einführungswochen zum Beispiel wieder. Und wir setzen uns mit der Hochschulleitung auseinander, damit die weiß, was wir wollen. Auch, dass Fachschaften in der Vergangenheit keine Räumlichkeiten für Spieleabende erhalten haben, gehört zur Problematik dazu. Da haben wir uns auch mit Herrn Mülke, unserem Vize-Präsi drüber unterhalten und es wird auf jeden Fall an Verbesserungen gearbeitet. Aber dafür muss man keine Hörsäle besetzen. Das kann man auch konstruktiv in Gesprächen klären. 

Philtrat: Am 23. Juli warst du im Bayrischen Landtag zur Etablierung des Bayrischen Studierendenrats (BayStuRa). Wie hast du diese Veranstaltung wahrgenommen? Worin besteht der Unterschied zwischen BayStuRa und dem Vorgängergremium, der Lande-AStenkonferenz? 

Cosima: Die Sitzung an sich war super organisiert, es hat sehr gut funktioniert und dafür bedanke ich mich nochmal gerne. Die Delegierten und die Sprecher*innen sind alle auf eine produktive Zusammenarbeit auf Landesebene aus. Die Entwicklung von Anträgen zum Bayrischen Zentrum für Nachhaltigkeit zeigt, man holt hier das Beste raus, was man rausholen kann. Das Auftreten der Politiker, die geladen waren, ist wieder eine andere Sache. Natürlich findet da, gerade drei, vier Monate vor den Landtagswahlen, viel Wahlkampf statt. Aber sich dann so auf den Wahlkampf zu fokussieren und nicht auf die Studierenden und das, was wir brauchen, ist einfach schade. Und da haben wir uns von den Politikern weder wahrgenommen noch respektiert gefühlt.

Philtrat: Was braucht ihr denn deiner Meinung nach? 

Cosima: Die Landes-AStenkonferenz hat es auch schon mehrmals besprochen, dass wir uns für eine verfasste Studierendenschaft in Bayern einsetzen, und zwar für jede Uni. Von uns und anderen Unis kam dabei der Einwand, dass bei dem Wort in Bayern immer die Alarmglocken läuten und eine komplette Gegenreaktion auslösen, deswegen haben wir es ein bisschen umschrieben. Aber an sich ist es eine verfasste Studierendenschaft, die wir fordern und bräuchten, um uns noch besser für andere Studierende einsetzen zu können.

Philtrat: Was würde sich für euch durch eine verfasste Studierendenschaft verändern?

Bild: Cosima Schäfer

Cosima: Wir hätten vor allem ein eigenes Konto und wären nicht mehr von Ministeriumsgeld abhängig. So haben wir ein recht knappes Budget in Höhe von ein bisschen mehr als 53.000 Euro und wir haben etwa 54 000 Studierende. Das heißt, wir haben weniger als einen Euro pro Studi zur Verfügung. Viele Fachschaften haben auch Vereine gegründet, natürlich können die dadurch auch ein bisschen Geld einnehmen, Spenden sammeln. Aber, dass es für einen Großteil der Fachschaften notwendig ist einen Verein zu gründen, um Veranstaltungen auf die Beine zu stellen, ist schade. Kleinere Fachschaften mit einem Budget von 200 bis 300 Euro können im Jahr vielleicht ein, zwei Feiern veranstalten. 

Philtrat: Hast du das Gefühl, dass eure Arbeit für andere Studierende, die nicht in der Hochschulpolitik aktiv sind, zugänglich ist? 

Cosima: Theoretisch können natürlich alle Studierende teilhaben, jede*r kann in den Konvent, die StuVe kommen oder sich für ein Gremium aufstellen lassen. Das Problem ist nur, dass die Kommunikation schwierig ist. Wir können unsere News hauptsächlich über unsere Fachschaften und den Konvent teilen. Wenn wir versuchen etwas über die Kommunikationskanäle der Uni zu verschicken, kommen von der Uni eher zögerliche Reaktionen oder ein „Hey, nein, das ist nicht von der Uni selbst“. Dabei denke ich mir: Die Studierendenvertretung ist ein Teil der Uni und sie sollte als ein Teil der Uni wahrgenommen werden. Nur, weil wir nicht selbst von der Institution angestellt sind, sollte es nicht immer so eine Abwehrreaktion uns gegenüber geben. Teilweise funktioniert es aber auch: beispielsweise bezüglich Veränderungen beim Semesterticket oder Namensänderungen, das sind auch superwichtige Themen für die Studis. 

Philtrat: Du hast vorhin schon erwähnt, in wie vielen Gremien du aktiv bist. Kannst du einschätzen, wie viele Stunden du im Schnitt damit beschäftigt bist?

Cosima: Teilweise sind es zwei Stunden die Woche, manchmal sitzt du aber auch spontan, beispielsweise nach der Hörsaalbesetzung oder der Einführung von Studiengebühren für internationale Studierende an der TUM, fünf Stunden lang im Büro der Studierendenvertretung und sprichst mit Leuten – weil das in eben diesem Moment wichtig ist. 

Philtrat: Lohnt sich das finanziell für dich? 

Cosima: Manche Leute in der Geschäftsführung sind bis zu 50 Stunden die Woche im Büro am Arbeiten, während sie noch ihren eigentlichen Job haben und studieren. Wir erhalten dafür aktuell eine Aufwandsentschädigung von 75 Euro. 

Bei verfassten Studierendenschaften gibt es teils 1000 bis 2000 Euro Gehalt für die Geschäftsführung oder ähnliche Stellen. Dann kann man diese Arbeit auch erledigen, ohne einen Nebenjob machen zu müssen. Wenn man nur bei uns in der StuVe arbeitet, damit kannst du dir ein Leben in München meist nicht leisten. Dadurch schließt man einen Großteil der Studierenden davon aus, sich bei uns engagieren zu können. Viele Kompetenzen können dadurch nicht eingesetzt werden. Das ist sehr schade. Das betrifft auch die Motivation für die Fachschaftsarbeit: Das Einzige, was du für Fachschaftsarbeit am Ende kriegst, ist vielleicht mal ein Kasten Bier. 

Philtrat: Empfindest du den BayStuRa im Vergleich zur Landes-AStenkonferenz als eine Verbesserung?

Cosima: Ja, schon. Wir haben mehr Rechte, ein Anhörungs- und Informationsrecht festgeschrieben im BayHig [Bayrisches Hochschulinnovationsgesetz, Anm. d. Red.] und weiß Gott was alles. Aber es könnte noch besser sein. Natürlich kann das auf Landesebene keine Verfasste Studierendenschaft sein, wie wir sie uns wünschen und brauchen. Denn auf Uniebene haben wir noch immer zu wenig Rechte. Daran hat sich seit 50 Jahren nichts geändert. [In Bayern wurde 1973 mit dem Hochschulgesetz die Verfasste Studierendenschaft abgeschafft, Anm. d. Red.]

Begriffsglossar: 

Konvent: Auch bekannt unter den Namen Studierendenparlament/Studentische Versammlung.  Vertretung der fachbereichsübergreifenden Belange der Studierenden

Fachschaftsrat: Interessenvertretung der Studierenden eines Fachs.

Referat: Referate arbeiten über einen längeren Zeitraum zu einem Thema. An der LMU gibt es beispielsweise Referate mit den Schwerpunkten, Umwelt, Queerness, Anti-Klassismus und Antifaschismus (das betroffene Referat darf sich aber nicht Antifa-Referat nennen). 

Arbeitskreise (AKs): Arbeiten temporär zu einem bestimmten Thema – sei es Mobilität und die Frage, wie man das Semesterticket am gerechtesten gestalten kann oder die prekäre Wohnsituation vieler Studierender in München.

StuVe: Studierendenvertretung

Bayrischer Studierenrat(BayStuRa): Hieß früher Landes-AStenkonferenz.  Zusammenschluss lokaler Studierendenvertretungen auf Landesebene, nun im Hochschulgesetz definiert.

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