Unileben

Zukunftsmusik – Das Letzte, was ihr hören wollt

Nichts ist so sicher wie der Tod. Trotzdem möchte sich kaum jemand schon zu Lebzeiten mit dem Eigenen auseinandersetzen. Doch wer keine Vorsorge trifft, läuft Gefahr mit Helene Fischers „Atemlos“ ausgesegnet zu werden. Was ist das Letzte, was Münchener Studenten hören wollen – Philtrat hat nachgefragt.

© Isabel Prößdorf

Von Isabel Prößdorf

Aus den Lautsprechern in der U-Bahnstation des Münchener Prinzregentenplatzes dröhnen Vivaldis „Vier Jahreszeiten“. Gefühlt 90 Prozent der Fahrgäste haben Kopfhörer in den Ohren und Streaming-Apps wie Spotify oder Deezer sind auf Millionen Handys installiert. Musik ist allgegenwärtig, der Tod auch. Mit ersterem beschäftigen sich Menschen gern, mit letzterem eher weniger. Während in den deutschen Charts 2017 die verschiedensten Variationen von Hip Hop wie Jung Brutal Gutaussehend 3 von Kollegah und Farid Bang über Schlager von Helene Fischer bis zu Rammsteins Live-CD aus Paris um Zuhörer kämpften, ist die Musik auf Beerdigungen relativ starr. „‚Ave Maria‘ von Bach/Gounod, ‚Time To Say Goodbye‘ und ‚Es ist Feierabend’ sind Lieder, die ich bei Terminen zur Vorsorge häufig eintrage und das seit Jahrzehnten, sagt Hubert Knebel vom Städtischen Bestattungsdienst München. Auf der Website des Instituts finden sich zudem „Über allen Gipfeln ist Ruh“ von Bach oder die dagegen moderner anmutenden Lieder „Candle In The Wind“ von Elton John oder Paul McCartneys „Yesterday“ im Angebot der Musikstücke, die von Orgel, Violine oder auch Cello vorgetragen werden können.

Ob Lieder wie diese jetzt und vor allem in gut 50 Jahren noch zeitgemäß sind und gerade bei emotionalen Momenten wie dem Abschied eines geliebten Menschen dessen Persönlichkeit widerspiegeln, ist fraglich. Was aber kann man an Beerdigungen spielen, ohne pietätlos zu wirken oder die Hinterbliebenen mit Fragezeichen im Gesicht zurückzulassen? „Wenn ich mich jetzt entscheiden müsste, würde ich ‚He Lives In You‘ von König der Löwen spielen lassen. Es ist fröhlich aber auch melancholisch, persönlich und thematisiert das Fortleben der Seele“, sagt die 21-jährige Amerikanistikstudentin Nina. Dagegen weiß Ben (20 Jahre/Germanistik) schon länger, was bei ihm im Fall der Fälle seinen Abschied einläuten sollte: „Mein Vater sagt immer, dass er ‚Words Of Wisdom‘ von Christopher Cross bei seiner Beerdigung spielen würde, deshalb möchte ich das auch.“ Wünsche wie diese können natürlich auch berücksichtigt werden, nur kommt die Musik dann meistens von CD und wird seltener live vorgetragen, erklärt Hubert Knebel.

I‘m a Loser baby

Doch es gibt auch Personen, die einen raueren Ton bevorzugen. 2006 hat sich der Berliner Rapper Sido im Song „Mein Testament“ ebenfalls mit seinem Tod auseinandergesetzt und veröffentlicht, welche Freunde und Verwandte nach seinem Ableben etwas vom Erbe bekommen. Dabei lässt er auch nicht aus, was all diejenigen kriegen, die „mich hinterrücks gefickt hab’n, bekomm‘ nix, nur die Reste aus mei’m Dickdarm.“ David Guetta dagegen würde mit fröhlicheren Beats aus dem Leben scheiden. Im Interview mit der britischen Tageszeitung The Guardian hat er verraten, dass an seiner Beerdigung das von ihm produzierte Lied „I Gotta Feeling“ von den Black Eyed Peas den Abschied untermalen sollte. Auch Maja, die an der LMU gerade Slavistik studiert, findet, dass die eigene Totenzeremonie positiv gestaltet werden sollte: „Ich würde ‚Loser‘ von Beck spielen lassen. Es klingt im ersten Moment zwar so, als ob ich mich selbst als Loser bezeichnen würde aber ich meine das ironisch. Am Ende des Songs schlägt der Text ins Gegenteil um, da heißt es dann ‚I‘m a driver, I‘m a winner – things are gonna change, I can feel it‘. Es wäre einfach etwas entgegen der Erwartung der Leute, sich selbst mit einem Augenzwinkern als Loser zu verabschieden, das würde mir gefallen.“

Wer nun glaubt, dass alle Studenten bei ihrer Musikauswahl auf moderne Songs setzen würden, irrt. VWL-Studentin Maria beispielsweise könnte bei ihrer Feier durchaus auf das gängige Repertoire der Institute zurückgreifen und ihren Wunsch live vorspielen lassen. „‚Großer Gott wir loben dich‘ ist auf kirchlichen Beerdigungen passend aber nicht so trostlos und trist wie andere Lieder. Ich finde es einfach schön.“, erklärt die 20-Jährige ihre Wahl. Und auch Moritz bleibt in puncto Musik im klassischen Bereich. „Semntanas ‚Moldau‘ finde ich ein schönes Lied“, so der 25-jährige Masterstudent, eine weitere Begründung dafür braucht es aus seiner Sicht nicht.

Das Beste kommt zum Schluss

Ruhige Klänge sind also auch bei der jungen Generation noch immer gewünscht. Anna, die im Bachelor Geschichte studiert, wünscht sich zum Beispiel „With or without you“ von U2. Der Grund: „Es ist eines meiner Lieblingslieder und für den Anlass angemessen.“ „‚Summer‘ von den Beatsteaks ist für mich ein Rückblick auf eine schöne Zeit, aber nicht wehmütig. Die Musik ist positiv und ich finde mich in dem Lied ziemlich oft wieder, es begleitet mich schon ewig“, sagt auch Biologiestudent Florian und erkennt somit indirekt, worauf es bei Beerdigungen wohl eigentlich ankommt. Die Trauerfeiern sind für die Hinterbliebenen. Hier können sie Abschied nehmen und realisieren, dass ein Mensch wirklich gegangen ist. Wenn die Ansprache des Trauerredners und die Musik das Wesen des Verstorbenen zum Ausdruck bringen, ruft das bei der Familie, den Verwandten und Freunden oft schöne Erinnerungen hervor und macht den Abschied manchmal weniger schwierig, erklärt Bestatter Knebel.

Dass Studenten eher selten eine Vorsorge beim Bestatter abschließen, ist keine Überraschung schließlich ist der Tod meist noch weit weg und es gibt Alternativen, wie man auch ohne offizielles Papier zumindest die wichtigsten Wünsche erfüllt bekommt. So kann jeder mit guten Freunden oder Verwandten darüber reden, was im Fall der Fälle geschehen soll und auch auf einer handschriftlichen Notiz, die möglicherweise in einem Ordner mit anderen wichtigen Dokumenten abgeheftet wird, kann das Letzte was ihr hören wollt festgehalten werden. Für Ratlose hat Hubert Knebel noch einen Tipp: „Junge Menschen sollten sich nicht zu sehr auf den jetzigen Geschmack festlegen. Daher empfehle ich ihnen, eher etwas klassisch Zeitloses zu wählen, das sowohl heute als auch in späteren Jahren hörbar ist. Mir fällt dabei ,Oh mio babbino caro’ von Puccini ein, wunderschön und unabhängig von kurzlebigen Trends. Hat zwar nichts mit dem Thema zu tun, ist aber schön anzuhören.“

Hier findet ihr noch weitere Inspirationen:

Thu (24, Kommunikationswissenschaften): Chasing Cars – Snow Patrol

Marius (31, Philosophie): Don‘t You (Forget About Me) – Simple Minds

Ines (22, Rhetorik): La Vie En Rose – Edith Piaf

Matthias (26, BWL): Highway To Hell – ACDC

Theresa (21, Interkulturelle Wirtschaftskommunikation): Leaving Hogwarts – John Williams

Felix (25, Wirtschaftsinformatik): The Other Side – Paul van Dyk

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