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Datenschutz: Das WhatsApp-Dilemma

Nachdem WhatsApp Anfang des Jahres die Einführung neuer Nutzungsbedingungen ankündigte, hagelte es Kritik von Datenschützer*innen und Nutzer*innen. Viele sagten sich daraufhin von dem beliebten Messengerdienst los, die meisten aber konnten sich aus Sorge, soziale Kontakte zu verlieren, nicht zu diesem Schritt entschließen. So stellten sich auch unserer Autorin die Fragen: Was ist eigentlich so problematisch an WhatsApp? Und lohnt es sich überhaupt, auf die Konkurrenz umzusteigen?

Nutzung von WhatsApp trotz Bedenken hinsichtlich des Datenschutzes? Für viele keine leichte Entscheidung. Illustration: Anja Blaser

Von Sophie Opora

Habt ihr auch diese eine Person in eurem Umfeld, die aus Angst um ihre Privatsphäre WhatsApp abschwört und wegen der ihr euch dann einen „sichereren“ Alternativ-Messenger wie Threema oder Signal herunterladen müsst? Wer, genau wie ich bis vor kurzem, überhaupt nicht bei dem Thema WhatsApp und Datenschutz durchblickt und diese Person immer als Verschwörungstheoretiker*in abgetan hat, kann aus diesem Text etwas mitnehmen. Denn die Diskussion um den Messengerdienst wird nicht grundlos immer wieder entfacht. 

Bevor wir uns dieser widmen, erstmal ein paar Fakten zur datenschutzrechtlichen Lage in der EU: Seit 2018 gilt die Datenschutzgrundverordnung, kurz DSGVO, in der EU. Sie regelt die grundsätzliche Verarbeitung personenbezogener Daten – ob die Cookie-Richtlinien im Internet, das Datenschutzformular beim Zahnarzt oder die Kontaktformulare zum Corona-Infektionsschutz. Auf einen einheitlichen Gesetzesentwurf speziell für digitale Kommunikationsdienste, der auch unter dem Namen „ePrivacy-Verordnung“ bekannt ist, konnten sich die EU-Mitgliedstaaten bis dato jedoch noch nicht einigen. 

Ein Schlupfloch in der Datenschutzgrundverordnung

Wie wahrscheinlich mittlerweile den meisten bekannt ist, gehört WhatsApp zu Facebook. Was mindestens genauso bekannt ist: Der Konzern finanziert sich, indem er personenbezogene Daten zu Werbezwecken weiterverkauft. Und damit hat er sich in den vergangenen Jahren – wie zum Beispiel 2016, als für den US-Präsidentschaftswahlkampf Daten von über 50 Millionen Nutzer*innen abgegriffen wurden – nicht gerade mit Ruhm bekleckert. 

Steigen wir direkt ins Kardinalproblem von WhatsApps Datenschutzordnung ein: Trotz der 2014 eingeführten Ende-zu-Ende-Verschlüsselung sammelt der Messengerdienst sogenannte Metadaten. Das sind Informationen über Daten selbst – zum Beispiel woher eine Nachricht verschickt wurde. Obgleich dank der Verschlüsselung keine Dritten die Nachricht mitlesen oder mithören können, ermittelt der Messenger Abschicker*in und Empfänger*in der Nachricht, Standort, Uhrzeit und einiges mehr. All das also, was schon für das Erstellen eines Profils seiner Nutzer*innen ausreicht. Solche Metadaten werden zwischen WhatsApp und seinem Mutterkonzern ausgetauscht und gegebenenfalls ergänzt. So gleicht der Messenger alle Kontakte aus unserem Adressbuch mit den gespeicherten Nummern von allen WhatsApp-Nutzer*innen ab, um anzuzeigen, wer von unseren Kontakten WhatsApp ebenfalls benutzt – somit eben auch von den Kontakten, die kein WhatsApp verwenden und dementsprechend überhaupt keine Chance haben, dieses Verfahren abzulehnen. 

Bedenklich ist auch, dass all diese Daten auf amerikanischen Servern gespeichert werden, wo die DSGVO nicht gilt. Dieses Vorgehen rechtfertigt Facebook mit einem verbesserten User-Erlebnis und einer höheren Sicherheitsgarantie – legalerweise – denn es hat damit ein Schlupfloch in der DSGVO gefunden. Falls ihr euch nun fragt, welche Daten WhatsApp über euch gesammelt hat, könnt ihr von eurem Recht auf Auskunft nach Artikel 15 der DSGVO Gebrauch machen und direkt in der App eine Übersicht erstellen lassen (unter Einstellungen – Account – Account-Info anfordern). 

Hinsichtlich des Datenschutzes sicherere Messenger wie Threema, Signal oder Telegram werten im Vergleich zu WhatsApp kaum Metadaten aus und sind ohne Kontakt-Synchronisation nutzbar. Sie arbeiten generell datensparsamer, hinter ihnen stecken auch keine großen Datensammler à la Facebook und ihre Server befinden sich meist in Europa, sodass auch die Weiterverarbeitung der Daten der DSGVO unterliegt. Bei Threema muss nicht einmal die Handynummer angegeben werden. 

Gibt es einen „WhatsApp-Zwang“?

Schön zu wissen, dass Alternativen existieren, aber haben wir als Studierende überhaupt die Freiheit, diese auch zu nutzen? An der Uni hat sich WhatsApp als gängiger Messenger für große Gruppen etabliert. Die Verwendung eines Chatdienstes hat eben den Sinn, dass meine Kontakte ihn ebenfalls gebrauchen. Wer kein WhatsApp hat, verpasst gegebenenfalls wichtige Infos oder soziale Aktivitäten, was gerade in Zeiten der Online-Lehre problematisch werden kann. Und um WhatsApp in vollem Umfang nutzen zu können, also Sprachnachrichten zu erstellen oder Fotos zu verschicken, ist es nun einmal nötig, dem Messenger Zugriff auf Funktionen wie Mikrofon oder Kamera zu gestatten. 

Scheint, als wäre es heutzutage schwerlich möglich, ohne WhatsApp zu studieren. Dementsprechend bleiben die meisten Studierenden wahrscheinlich aus Bequemlichkeit bei dem Chatdienst. Man möchte vielleicht auch ungern diese eine Person sein, wegen der jetzt alle umsteigen müssen – auch wenn es sich dabei um eine durchaus legitime Forderung handelt.

Die Entscheidung zwischen Anschluss an seine Mitstudierenden und Privatsphäre zu treffen gestaltet sich für viele schwierig. Es bleibt abzuwarten, ob diese Entscheidung auch in Zukunft noch nötig sein wird.

 

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