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Der Tod und die Klassik

Das Konzept Klassik im Club will Berührungsängste beseitigen

 

Das Konzept von Klassik im Club ist schnell erklärt: Die Hemmschwelle vieler Menschen, die großen Konzerthäuser wie den Gasteig oder das Prinzregententheater zu betreten, ist groß, also werden die klassischen Ensembles einfach nach draußen geholt und in eine alternative Umgebung versetzt. Die Pianistin Maria Nguyen-Nhu rief die Konzertreihe 2009 ins Leben und will so der Klassik neue Hörerschaften erschließen. Kann das funktionieren? Oder wird klassische Musik doch aussterben? Philtrat ging der Sache auf den Grund.

 

Violinen
Von links nach rechts: Julian Shevlin (1. Violine), Simon Fordham (2. Violine), Valentin Eichler (Viola), David Hausdorf (Violoncello). Foto © Matteo Porro

Am Donnerstag, den 7. Februar war es wieder so weit: Das Streichquartett der Münchner Philharmoniker, bestehend aus Julian Shevlin, seines Zeichens auch Erster Konzertmeister, Simon Fordham (2. Violine), Valentin Eichler (Viola) und David Hausdorf (Violoncello) führten drei Quartette auf, jeweils eines von Joseph Haydn, Franz Schubert und Ludwig van Beethoven. An sich nichts Ungewöhnliches, wäre da nicht der Ort: das BobBeaman in der Gabelsbergerstraße. Damit ist die Idee hinter Klassik im Club bereits umrissen: Klassische Musik in der „entspannten und kommunikativen Atmosphäre eines Clubs“. Auf diese Weise soll ein neues Publikum begeistert werden, das sonst eventuell über Berührungsängste verfügt. Diese kann Shevlin vorerst abbauen: Er führt unterhaltsam durch den Abend und steuert zahlreiche Anekdoten über die Komponisten bei, was gerade bei Laien einen ersten Zugang zur oft gefürchteten klassischen Musik bilden kann.

Das Publikum ist sehr gemischt. Neugierige Klassikfreunde (erkennbar an der feinen Abendgarderobe oder – leider! – doch auch immer noch am fortgeschrittenen Alter) mischen sich mit den eher leger und hip gekleideten klassikinteressierten Stammgästen des Clubs und sorgen für eine besondere Stimmung. Neugier liegt in der Luft und spätestens, als während der Vorführung kein Bier mehr ausgeschenkt wird, ist allen klar, dass dieser Abend unkonventionell zu werden verspricht.

Vieles ließe sich bestimmt über die Interpretation sagen. Angesichts der hervorragenden und vielfach preisgekrönten Musiker erscheint der Eintrittspreis von 15€ mehr als fair. Diskutieren oder streiten kann man sicherlich auch über die Kompositionen, etwa Beethovens  Harfenquartett oder Schuberts Quartettsatz Nr. 12 in c-moll. Darum geht es an diesem Abend zwar auch, aber nicht in erster Linie. Interessanter ist vielmehr die Frage, ob das Konzept von Klassik im Club aufgeht oder man nur hingeht, weil man Angst hat, bei all den hippen Trends auf der Strecke zu bleiben. Aperol Sprizz, Hugo, jetzt halt Klassik?

Gäste
Foto © Matteo Porro

Die Gäste sind neugierig, aber auch unsicher. Wie bei großen Symphonien und Konzerten ist es eigentlich auch bei Streichquartetten üblich, dass man nicht zwischen den Sätzen, sondern erst am Ende des geschlossenen Gesamtwerks klatscht. Die einzelnen Sätze hängen zusammen und sind vielfach aufeinander bezogen – Applaus würde da nur stören. Obendrein verlangt die Darbietung den Künstlern auch einiges an Konzentration ab. Im BobBeaman ist dieses ungeschriebene Gesetz außer Kraft gesetzt und es stört sich auch niemand daran. Schließlich ist es dieses unsichtbare und doch gleichsam in Stein gemeißelte Regelwerk, das Hörer, die der Klassik prinzipiell nicht abgeneigt wären, oft abschreckt und den Blick auf die eigentlich wesentliche Musik verstellt.

Ob aber die Konzertreihe klassische Musik wirklich in eine „neue Ära“ führen kann, wie es im Pressetext heißt, muss bezweifelt werden. Dazu wirkt das Publikum einfach zu behäbig und vom Stehen ausgelaugt. Gedanken driften ab, hier und da wird gegähnt und die Pausen zwischen den Sätzen werden intensivst für laute Plaudereien, Flaschengeklapper oder zum Rauchen genutzt, was die Musiker allerdings geduldig ertragen. Eigentlich ist das aber auch nichts anderes als das analoge, sich fast ekstatisch entladende Räuspern und Husten auf der anderen Isarseite im Gasteig. Die Klassik ist zwar in eine ungewohnte Umgebung versetzt, doch versteht es keine Musik so gut wie sie, eben dieser Umgebung ihre eigenen Gesetze aufzuerlegen oder sie in Ehrfurcht, Langeweile bzw. Gefühlsüberschwang zu versetzen.

Daran ändert sich nichts, egal ob die Streichquartette im Konzerthaus, der Fußgängerzone oder eben im Club aufgeführt werden. Daran erweist sich auch die Lebendigkeit und Kraft, die von dieser Musik ausgeht: Sie stellt sich selbst automatisch in den Mittelpunkt; das Ambiente beispielsweise im BobBeaman ist nur Beiwerk und kann das Hören nie maßgeblich beeinflussen oder ersetzen. Doch vielleicht sind auch einige Zuhörer dabei, die neugierig geworden sind und der Sache weiter auf den Grund gehen wollen. Allein dadurch hat es Klassik im Club bereits weiter gebracht als viele gutgemeinte pädagogische Projekte.

 

NACHTRAG

Aus einer Email der Veranstalterin Maria Nguyen-Nhu an Philtrat:

„Desweiteren wünschen wir uns als KIC- Veranstalter inklusive der Betreiber des Clubs, dass die Veranstaltung generationen-übergreifend ist […] Unsere Idee ist es nicht nur, ein neues Publikum mit Klassik zu erreichen, sondern auch Gäste im Club willkommen zu heißen, die sonst nie in Clubs gehen. Christoph Hanke, Eventmanager des Bob Beaman, erzählt der Presse auch immer gerne die Anekdote von der Oma bei KIC, die zum ersten Mal in einem Club war und sich zum ersten Mal in ihrem Leben einen Cocktail bestellt hat. Bei uns sind also alle Altersgruppen willkommen, auch wenn die Kernzielgruppe zwischen 20 und 40 sein soll.“

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