David Wnendts Verfilmung von „Feuchtgebiete“ macht Spaß – und lässt den Zuschauer etwas ratlos zurück.
Als ich vor zwei Jahren mit der Lektüre von Charlotte Roches Roman Feuchtgebiete begann, hatten sich die Wogen der Empörung schon wieder geglättet. Zwar wollte ich mich dieser unbezwingbaren Masse an Rezensionen und Buchbesprechungen bewusst nicht aussetzen, doch ganz konnte ich mich dem Hype am Ende dann dennoch nicht entziehen.
Aus purem Katastrophentourismus gönnte ich mir also einen Ausflug in die Welt der missglückten Analrasuren und geplatzten Wundwasserbläschen. In zwei Tagen hatte ich das Buch durch und was soll ich sagen – ich hatte Spaß! Ja, ich fand es schreiend komisch, wenn Helen Memel der aus Klopapier selbstgebaute Tampon in ihrer Muschi verloren geht, sie „Papas schicke Holzgrillzange“ daraufhin zum Suchen benutzt und bei Grillfesten immer ein breites Grinsen im Gesicht hat.
Ein Musterstück dreister Hemmungslosigkeit
Diesem Musterstück dreister Hemmungslosigkeit haben sich nun Regisseur David Wnendt und Produzent Peter Rommel (Sommer vorm Balkon) angenommen. Interessant ist dabei die Rolle, die Charlotte Roche bei der Produktion des gleichnamigen Films übernommen hat: Sie entschied sich dagegen, die Rechte ihres Debütromans an eine renommierte Filmproduktionsfirma zu verkaufen und bot sie stattdessen dem finanziell weniger gut ausgestatteten Peter Rommel an, von dessen bisherigem Werk sie persönlich vollkommen überzeugt war. Auch wenn es spätestens seit der Talksendung Roche und Böhmermann nicht mehr nötig ist, die Sympathien dieser brutal ehrlichen Frau hervorzuheben, so ist dieser Schritt doch erstaunlich: Nicht Geld, sondern Qualität schien ihr bei der filmischen Umsetzung wichtig.
Dabei lebt und atmet der inhaltlich sehr stark am Buch orientierte Film von der für diese Rolle scheinbar gemachten Carla Juri. Fast etwas mutlos scheint es dabei, dass eine so attraktive und wohl proportionierte Frau die oftmals ekelerregenden und hygienisch grenzwertigen Eskapaden der jungen Helen Memel verkörpern soll. Das Anliegen von Feuchtgebiete, dem im 21. Jahrhundert dominierenden Hygiene- und Sauberkeitswahn am eigenen Körper etwas entgegen zu setzen, wird mit einer solch schönen Verzerrung der Realität etwas unterlaufen. Natürlich entspricht der makellose Intimbereich Carla Juris nicht der Regel, eine Darstellerin mit Rasurbrand, Orangenhaut und Hängebrüsten hätte das von Charlotte Roche propagierte Selbstbewusstsein dem eigenen Körper gegenüber sicher deutlicher gemacht. Dennoch ist die Originalität des Films fast ohne Einschränkungen auf die dem Gegenstand diametral entgegengesetzte naiv-schüchterne Art Juris zurückzuführen, die sich noch bis in die mit leichtem Sprachfehler besetzte Stimme hinein zieht.
Auf der Schwelle zum Krankhaften
Mit einem breit aufgestellten Sortiment von Aufnahme- und Bearbeitungstechniken gelingt der Verfilmung vor allem die Darstellung einer in der breiten Berichterstattung oftmals wenig thematisierten Seite, die bereits im Buch ständig präsent war und die den Zuschauer (bzw. Leser) etwas ratlos in seinem Kinosessel zurück lässt. Mitnichten beschränkt sich Feuchtgebiete auf die alleinige Darstellung von Intimitätsextremen. Ständig bewegen sich die Ekelepisoden auf einer gefährlichen Gradwanderung und kippen oftmals ins Krankhafte und Gestörte, und eben nicht mehr Witzige. Dazu zählt nicht nur die wage Befürchtung Helens, dass ihre Mutter ihr nachts aus Neid die langen Wimpern abschneidet, sondern auch die Tatsache, dass sie sich mit der erlangten Volljährigkeit sterilisieren lässt, um die Reihe unglücklicher Töchter in ihrer Familie zu beenden. Avocadokerngeburten sollen die selbstverbaute Möglichkeit auf Nachwuchs ersetzen. Dieser Abgrund, der sich langsam in der Psyche Helens auftut, findet seine cineastische Umsetzung in abrupten Bildeinschüben, untermalt von akustischen Extremen, die für den Zuschauer zunehmend unangenehm, fast störend wirken. Nun lassen sich solche Nebenschauplätze leicht also pseudo-literarische Metaebenen abtun, die im Ganzen betrachtet nicht über den Anspruch eines inkonsistenten Belletristik-Romans hinaus gelangen – und dennoch bleibt dem Zuschauer in vielen Momenten das Lachen tief im Halse stecken.
Mit Feuchtgebiete ist David Wnendt und Peter Rommel ein origineller deutscher Film gelungen, der Charlotte Roches literarische Grenzen durchaus gewagt auch bildlich umzusetzen vermag. Und vielleicht nimmt er sogar die ein oder andere Angst vor Eichelsmegma.