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Übers Heimkommen

Von Sarah Weiß

Wir fahren weg. Wir sind Generation flexibel. Jedes Semester gehen wir auf Abschiedspartys von Freunden, die jetzt ein Jahr lang durch Südamerika reisen, ein Semester in Kapstadt studieren oder für ein Praktikum die nächsten Monate in Paris verbringen werden. Das macht man jetzt so, das bringt einen weiter im Leben, das erweitert den Horizont – und natürlich ist es auch genauso. Wir erleben eine großartige Zeit. Aber irgendwann ist der Zeitpunkt gekommen, an dem es ans Heimfahren geht.

Ich habe mich nach mehr als vier Monaten nach einem Almsommer auf den Weg nach Hause gemacht – dachte ich zumindest. Angekommen bin ich nicht daheim, sondern in einem Vakuum. Einem engen, leeren Raum, in dem ich zuerst nicht mehr richtig Platz gehabt habe. Ein Ort, dessen Geborgenheit mich nicht sofort wieder eingehüllt hat, dessen konkrete Aufgabe für mich zunächst verloren schien. Im eigenen Zuhause war ich ein Fremdkörper.

Wenn man die große Dichte an bewegenden Momenten und die Möglichkeit, ständig etwas zu tun, das man noch nie zuvor getan hat, wieder aufgeben muss, macht man keine Luftsprünge. Nach der kurzen Auszeit haben mich die alten Probleme wieder eingeholt: Worüber werde ich meine Masterarbeit schreiben? Wie verdiene ich mein Geld neben dem Studium – und vor allem: danach? Wo will ich hin in den nächsten Jahren?

Gleichzeitig habe ich Sehnsucht. Sehnsucht nach meinem Berg in den Tiroler Alpen. Sehnsucht nach meinen Tieren, nach den wunderbaren Menschen, mit denen ich dort so viel Zeit verbracht habe. Und ich habe Sehnsucht nach mir – nach mir in einem Zustand, in dem ich mich nicht täglich mit den Fragen gequält habe: Was wirst du als nächstes tun? Kannst du das? Lohnt sich das? Es war das Privileg dieser künstlichen Situation eines zweiten, eines parallelen Lebens, mich nur mit dem hier und jetzt zu beschäftigen. Entscheidungen waren frei von Rentabilitätsgedanken und Selbstzweifeln. Ich war völlig angekommen. So muss zu Hause sein.

Heimkommen scheint also nicht die Rückkehr an den Ort zu sein, an dem ich losgefahren bin. Vielmehr: Das, was ich in der Fremde gewonnen habe, mit dahin zu nehmen, wo ich jetzt bin.

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