Filmreihe

„Ein Himmel voller Bienen“ – ein Kratzen an der Oberfläche

Am 8. Juni lud das seit Mai neu anlaufende Projekt Biodiversität im Quartier zu einem kleinen Auftakt am Giesinger Grünspitz ein: eine Open-Air-Vorführung der Doku „Ein Himmel voller Bienen“. Der Name ist Programm und die Thematik zweifellos wichtig, doch es fehlt ein wenig der Feinschliff – denn die Vorführung zeigte eine stark gekürzte Fassung des Films.

Von Pavel Fridrikhs; Bilder: © Herz Film Productions

Bienen aller Arten – und es gibt überraschend viele – sind für uns und unsere Ökosysteme absolut unverzichtbar. Ihre Bestäubung ist die treibende Kraft, die viele Lebensmittel, welche wir tagtäglich zu uns nehmen, erst ermöglicht. Den anthropozentrischen Blick mal beiseite gelassen, bleibt das Bild fast unverändert: Zahlreiche Ökosysteme sind auf die kleinen Tierchen angewiesen. Diese Erkenntnis lag auch dem Volksbegehren „Rettet die Bienen“ im Februar 2019 zugrunde. Millionen von Menschen in ganz Bayern gingen dabei raus, um ihre Stimmen abzugeben. Sie forderten von der Landesregierung mehr Engagement für den Artenschutz im Bundesland.

Artenschutz im Rahmen Bayerns

Es blieb allerdings nicht bei diesen Stimmen. Der gesamtgesellschaftliche Diskurs war nun in vollem Gange und erreichte unter anderem Vanessa Weber von Schmoller. Schon 2018 beobachtete sie das Artensterben bei den Bienen mit Sorge – das Volksbegehren und dessen Reichweite jedoch festigten ihren Entschluss: einen Film drehen rund um die Bienen und auch die Menschen, die sich mit ihnen beschäftigen. 2022 fertig gedreht und produziert, gewann „Ein Himmel voller Bienen“ anschließend mehrere kleinere Filmpreise. Anlässlich seiner öffentlichen Vorführung am Giesinger Grünspitz stellt sich nun die Frage: Wie gerecht wird der Film seiner noblen Thematik und dem positiven Feedback? Und: Wie erschwert es die Kurzfassung, Antworten auf diese Fragen zu geben?

Das Volksbegehren „Retter die Bienen“ Anfang 2019 hat viel Aufmerksamkeit auf das Artensterben gelenkt.

Weber von Schmoller hat im Film eine dreifache Rolle inne: Sie ist Regisseurin, Drehbuchautorin und Protagonistin zugleich. Als letztere geleitet sie die Zuschauer*innen in Bayern von Ort zu Ort, besser gesagt von Mensch zu Mensch. Diese bilden auch den roten Faden des Films, denn einen wahren Erzählstrang hat er nicht. Stattdessen schildern diverse Personen, die sich privat mit Bienenzucht oder -schutz beschäftigen, ihre Erfahrungen und Projekte. Die Doku bleibt dabei lokal, denn Weber von Schmollers Gesprächspartner*innen leben und wirken in München und dem ländlichen Bayern. Das bietet natürlich spannende Einblicke in persönliche Initiativen und die sind lobenswert. Der Film wirkt dadurch aber auch etwas ziellos. Zu Beginn nimmt die Dokumentation nämlich durch den Bezug auf das Volksbegehren und die möglichen katastrophalen Folgen eines Bienensterbens recht schnell Fahrt auf – im weiteren Verlauf wird hier aber die angerissene politische Ebene wieder ausgeklammert und eine wahre Konklusion bleibt aus. Angesichts dessen, dass der Film in seiner ursprünglichen Länge nicht frei zugänglich ist, ist ein Vergleich der zwei existierenden Versionen nicht möglich. Dass die 50-minütige Fassung sich der besagten politischen Ebene kaum wieder nähert, ist bereits an und für sich kritisch zu betrachten. 

Positivität auf Kosten der Genauigkeit

Nichtsdestotrotz sind die jeweiligen Geschichten von Weber von Schmollers Gesprächspartner*innen durchaus interessant oder sogar überraschend. Gerade der Abschnitt, in welchem sie bei Quirin – einem Teenager aus dem ländlichen Bayern – zu Besuch ist, lässt die Zuschauer*innen Stereotype überdenken. Quirin wirkt wie ein gewöhnlicher Jugendlicher, skatet und trägt auch im Sommer leidenschaftlich gerne Beanies. Dass er in seinem Haus Bienenstöcke hat, im Go-Kart Blumen sammeln fährt und Videos zu seinem Imkertum schneidet, würde man hingegen weniger erahnen. Diese und andere Vignetten hinterlassen einen positiven Eindruck, weil sie uns vor Augen führen, dass das Bienensterben auch seine Gegenstreiter*innen hat. 

Quirin (l.) erzählt Weber von Schmoller (r.) von seinen vielen Interessen und Projekten.

Während also die kleinen Erfolgsgeschichten dem Film Herz verleihen, schwächeln andere Szenen leider ein wenig. Gerade die Momente, in denen die Rede von den Schattenseiten und der damaligen prekären Lage der Honig- und Wildbienen in Bayern ist, wirken schwerfällig. Oftmals sind sie von kitschig anmutender Musik untermalt und lassen Details und tiefere Ausführungen der Sachlage vermissen. Es ist verständlich, dass „Ein Himmel voller Bienen“ die Betonung auf das Gute setzen möchte, das man als Privatperson beitragen kann. Das hat allerdings auch zur Folge, dass der Film sich auf inhaltlicher Ebene eher in seichteren Gefilden bewegt. Auf visueller Ebene hingegen ist er kompetent gemacht: Hier wird viel mit weitläufigen Aufnahmen von bayerischen Landschaften gearbeitet. Auch die Besuche fühlen sich intim an – und versprühen eine wohlige Bequemlichkeit. Zudem kommt der Lokalbezug gut zur Geltung und macht das Gezeigte für die Zuschauer*innen nahbarer. Auf emotionaler Ebene punktet die Doku also.

Lobenswert, aber durchwachsen

Das reicht jedoch nicht, um ein Gefühl der Ganzheitlichkeit entstehen zu lassen. Natürlich ist die Rezension der deutlich gekürzten Fassung eines jeden Films schwierig, aber auch der Inhalt solcher Versionen darf sich nicht zum Ende hin verlaufen. So, wie er auf dem Grünspitz aufgeführt wurde, hat „Ein Himmel voller Bienen“ seine Stärken in der Präsentation der Personen, Orte und Ideen, aber auch seine Schwächen in seiner Auseinandersetzung mit der Materie und ihren Hintergründen. Beispielsweise wurde die Dokumentation zwischen 2019 und 2022 gedreht, trägt der Entwicklung des Diskurses während dieser Zeitspanne aber nicht Rechnung. Es steht zur Frage, ob nicht ein anderer Schnitt – etwa mit einem Besuch weniger, aber dafür mit einem konkreteren Fazit – dem Erzählbogen nicht gut getan hätte. Dennoch funktioniert Weber von Schmollers Werk durchaus als Heranführung an die Thematik „Arten-“ bzw. „Bienenschutz“ – und die Sichtbarmachung der Bemühungen um diesen Schutz ist in jedem Fall wertvoll.

Der Film feierte am 13. September 2022 Premiere und läuft in erster Linie auf Veranstaltungen, die sich um Biodiversität und Nachhaltigkeit drehen, sowie auf Filmfestivals.

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