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Abgeknipst!

Am 19.01.2015 schaltet die LMU das Licht in sämtlichen dem Geschwister-Scholl-Platz zugewandten Gebäudeteilen ab. Der Grund: Die Mügida, ein münchner Pegida-Ableger, plant eine Demonstration durch Schwabing. Warum die LMU damit ein falsches Symbol setzt.

Das LMU Hauptgebäude ist schon ein außergewöhnlich schönes Gebäude.  Besonders nachts, wenn sich in den hohen Fontänen der beiden Brunnen am Geschwister-Scholl-Platz die tausend Lichter des stolzen Altbaus brechen und die ganze Umgebung erhellen. Ein Monument der geistigen Freiheit im politischen Frieden.

Die Dresdener Frauenkirche ist auch schön. Der barocke Bau, im zweiten Weltkrieg noch dem Erdboden gleich gemacht, er steht wieder und trägt die Steine des Grundgemäuers in sich, die sich wie Denkzettel des Krieges, seiner Diskriminierungen und Zerstörungen in den Himmel aufrichten. Majestätisch und trotzig wirft er tagsüber einen mächtigen Schatten ins Dresdner Stadtzentrum. Nachts wird die Frauenkirche von allen Seiten dezent beleuchtet und schimmert in die Nacht, so als wäre sie nie weg gewesen.

Doch am 09.02.2015 bleibt die Frauenkirche dunkel. Der Grund: Vor ihr hissen mehrere tausend Menschen aus ganz Deutschland Flaggen, recken Kreuze in die Höhe und tun noch so allerhand anderes Unerhörtes um als „Pegida“ gegen die sogenannte Islamisierung des Abendlandes zu demonstrieren. Die Kirche möchte das nicht unkommentiert lassen und reiht sich mit ihrer Stellungnahme in die lange Reihe Dresdener Gebäudeinhaber ein, die Pegida schon das Licht ausgeschaltet haben, die Semperoper und die gläserne Manufaktur etwa.

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Auch in Berlin (hier vor dem Brandenburger Tor) wird den Pegida-Demonstranten das Licht ausgeschalten.

Ein paar wenige Münchner finden Pegida gut. Also kündigt man für den 19.01.2015 eine Demonstration, nein gleich zwei Demonstrationen der Münchner Pegida-Töchter „Bagida“ und „Mügida“ an. Die Mügida plant eine Demonstration in Schwabing. Von den über hundert angemeldeten Demonstranten erscheinen aber nach Angaben von muenchen.de nur knapp zwanzig. Ihr traurig einsamer Marsch lässt sie dabei auch am LMU-Hauptgebäude vorbeiziehen. Die leitenden Stellen der LMU entscheiden: Das finden wir nicht gut, also lass doch auch mal die Lichter ausschalten. „Die LMU ist eine international ausgerichtete Universität […]. Aus diesem Grund möchten wir mit der Verdunklung unserer Gebäude am Geschwister-Scholl-Platz und am Professor-Huber-Platz ein Zeichen für die Weltoffenheit und Toleranz setzen.“, heißt es aus erster Hand von LMU-Präsident Bernd Huber etwas gediegener.

Eine Universität knipst ihre Lichter aus. Der Geschwister-Scholl-Platz erstrahlt nicht weiter in symbolischem Glanz. In den Gängen, Lehrräumen und Bibliotheken der Universität steht der Betrieb still. Die Gedanken ruhen in der Umnachtung. Ein Zeichen für Weltoffenheit und Toleranz? Aus mehreren Gründen nicht.

Erstens: wenn eine Universität die Lichter ausstellt und den Betrieb unterbricht, ist das für sich betrachtet und in erster Linie ein Symbol für ebendies: Die Universität macht eine Denkpause. Und das sollte, egal, wer da ante portas steht, nicht das Symbol einer freien Bildungsstätte sein.

Das Lichtausschalten ist – zweitens – ein Zeichen, das sich unmittelbar gegen die demonstrierenden Personen  wendet. Das Licht als Symbol steht für Wärme, Heimat und Willkommensein. Ein Gegenstand, der immer leuchtet nur dann nicht, wenn jemand Bestimmtes ankommt, sagt: „Du bist hier nicht erwünscht.“. Nun muss niemand einen jeden vorbeimarschierenden Demonstranten mit offenen Armen willkommen zu heißen. Wer aber gezielt eine Gruppe von Menschen wegen ihrer intoleranten politischen Ansichten abweist, der ist diesen gegenüber gerade nicht tolerant und verurteilt jeden Einzelnen der Demonstranten als an der Universität nicht erwünscht. Gerade vor dem Hintergrund der Behauptung hierdurch besonders tolerant zu handeln, entpuppt sich die Geste der LMU als Symbol einer Intoleranz gegenüber der Intoleranz, als Symbol gegen eine Meinung und gegen deren Anhänger.

Mit dieser Symbolwirkung geht die LMU-Leitung nun zuletzt entschieden einen Schritt über ihre Befugnisse als freie Lehranstalt und gemeinnützige Körperschaft hinaus. Als staatlich finanzierte und organisierte Bildungsstätte ist die Universität den Grundrechten verpflichtet. Ihre Funktion ist Bildung weiterzugeben und Meinungsbildung zu fördern, nicht aber eine eigene Meinung für sich in Anspruch zu nehmen. Im Gegensatz steht sie damit zur Kirche, die eine Glaubensrichtung und ein Weltbild vertritt. Die Universität ist daher nicht verpflichtet, alle Meinungen zu repräsentieren, sehr wohl jedoch sie zu respektieren, solange sie nicht in aggressiven und anti-demokratischen Tendenzen ausarten. Daher muss sie auch die Meinung tolerieren, durch die sich die Pegida definiert, nämlich, dass einer „Islamisierung des Abendlandes“ entgegengewirkt werden müsse. Niemand muss diese Ansicht gutheißen. Ein friedlicher Diskurs, egal welcher verbalen Schärfe, ist gerade im Sinne der Demokratie.

In den Debatten dieser Tage wird häufig vergessen, welche Aussage ein politisches Statement über andere Betroffene trifft. Im Falle der Münchner Demonstrationen wurden alle Demonstranten zu den Feinden der Universität pauschalisiert. Das geschah wohl auch aus dem Eifer, den Generalverdacht, den die deutsche Geschichte aufzuerlegen scheint, in aller Vehemenz von sich abzuweisen. Jeder Pegida-Demonstrant wird hierbei aber automatisch mit den anti-demokratischen Gruppierungen gleichgesetzt, die einen Teil der Pegidademonstrationen in ganz Deutschland ausmachen. Ein solches politisches Statement sollte jedoch durch das Volk unmittelbar getroffen werden, nicht durch staatliche Institutionen. Und erfreulicherweise finden sich ja einige Deutsche bei friedlichen Demonstrationen ein, um Stellung zu beziehen. Zehntausende gingen beispielsweise am Tag der Mügida-Demonstrationen zur offiziellen Gegendemonstration. Die Deutschen trauen sich wieder politische Gesten zu, die über die Aussagekraft von Stammtischparolen und facebook-likes hinausgehen. Sophie Scholl lebt – Licht am Geschwister Scholl-Platz. Das wäre ein Symbol.

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