Klausurtermine und Deadlines versauen fast drei Millionen Deutschen regelmäßig die Studienzeit. Besonders Hausarbeiten zwingen dazu, Selbstdisziplin zu üben. Das klappt nicht immer. Damit es nicht allzu hart wird, helfen an der LMU regelmäßig das Schreibzentrum – und Ryan Gosling.
Von Isabel Prößdorf und Annemarie Rencken
Der Lüfter brummt, Word ist geöffnet und der Curser blinkt. Alles ist bereit, um 45.000 Zeichen über Politikverdrossenheit zu schreiben. Sogar das Internet funktioniert, allein das Hirn ist abgeschaltet. Wie verlockend scheinen in diesem Moment Staubsaugen und der Abwasch – oder prinzipiell alles, was nichts mit der Uni zu tun hat. Wie man die Aufschieberitis hinter sich lässt und alle Schreibblockaden überwindet, wissen die Mitarbeiter vom Schreibzentrum. Das rund 27-köpfige Team veranstaltet jedes Semester Die lange Nacht der aufgeschobenen Hausarbeiten. Schon mal da gewesen? Nein? Wir auch nicht. Zeit für einen Selbstversuch.
Die guten Nachrichten zuerst: Auf alle, die sich von Netflix loseisen konnten, warten nicht nur rund 333 Leidensgenossen und Schreibprofis, sondern auch Ryan Gosling und Boromir aus Herr der Ringe. Zwar nur als Meme auf dem Papier aber um Letzteres dreht sich in dieser speziellen Nacht schließlich alles. „Im Workshop ‚Schreib dich mal locker!‘ gibt es Tipps gegen die leeren Seiten. Mir selbst fällt das Anfangen oft schwer, deshalb nutze ich in solchen Situationen Freewriting“, erzählt Carina Eckl vom Schreibzentrum, für die es diesmal die zweite Veranstaltung ist. Vereinfacht heißt das, ‘einfach drauf los schreiben’, um die ersten Ideen zu Papier zu bringen – und nicht mehr auf gähnende Leere im Word Doc starren zu müssen.
„Achtet auf euren Atem“
Im ‘Schreibcafé’ im obersten Stock des Lehrturms am Professor-Huber-Platz herrscht schon kurz vor dem offiziellem Veranstaltungsbeginn reges Gedränge, die Plätze füllen sich schnell. Frei nach dem Motto ‘Geteiltes Leid ist halbes Leid’ ist es hier – anders als in der Bibliothek – nicht völlig still. Ein Platz am Rand ist empfehlenswert, wenn man sich schnell beobachtet fühlt und es nicht mag, auf den Bildschirm gestarrt zu bekommen. Für alle, die sich durch die Geräuschkulisse an der produktiven Arbeit gehindert fühlen, gibt es auch Flüsterräume.
Raumwechsel: „Achtet nur auf euren Atem.“ Rund 25 Studenten sitzen kniend und mit geschlossenen Augen auf dem Boden. Nur ihre Köpfe ragen über die Tische hinweg. Vor ihnen sitzt ein Dozent – ebenfalls kniend – auf dem Pult. Wir sind hier nicht in einem komischen Film gelandet, sondern im Meditationsworkshop von Martin Jäger. Er und weitere Lehrende geben den Studenten bei der Langen Nacht Tipps, wie sie Schreibblockaden und den Stress in der Prüfungsphase überwinden und den Kopf frei machen können. Und auch wir fühlen uns schon ein bisschen entspannter und sind bereit, an unserem Philtrat-Artikel zu arbeiten.
Zwischen Pizza und Schreibberatung
Doch die Studenten kommen nicht nur hierher, um in produktiver Atmosphäre an ihren Hausarbeiten zu arbeiten, sich mit Pizza und Snacks zu verwöhnen oder um an Thai-Chi-Workshops teilzunehmen, wie Anglistikstudent Lukas Klaas verrät: „Ich gehe jedes Mal zur langen Nacht der aufgeschobenen Hausarbeiten und lasse mich individuell beraten. Mir hilft das total, vor allem wenn ich beim Schreiben festhänge und nicht weiß, wie ich meine Gedanken am besten sortieren sollte. In den Workshops bin ich eher selten, dafür gehe ich zwischendurch in die Bib und komme zu einem späteren Zeitpunkt wieder.“
Germanistikstudentin Tatjana Schumacher ist dagegen das erste Mal bei der Veranstaltung. „An verschiedenen Orten zu arbeiten, kann die Produktivität und die Kreativität steigern. Meine Seminararbeiten schreibe ich am liebsten im Sommersemester. Da kann ich mich auch mal in die Natur setzen und bin gleich viel inspirierter. Diesmal muss ich im Februar ran und habe es jetzt hier im Schreibcafé versucht“, erzählt die Masterstudentin.
Du bist nicht allein
Neben allem, was bei dieser Veranstaltung im Voraus geplant ist, ereignet sich auch viel spontan. Die Studenten lernen sich kennen. Was mit einem „Ist neben dir noch frei?“ anfängt, endet schnell im Austausch von Ratschlägen oder dem kurzen Gegenlesen gerade verfasster Textpassagen. Wer will, lädt auf Facebook den zweiten Satz auf der dritten Seite seiner Hausarbeit hoch und gewinnt mit etwas Glück einen Kaffee-Gutschein – endlich eine gelungene Motivation zum Schreiben. Und so verwandelt sich der gesamte Lehrturm vom kalten, steinigen Gebäude in ein warmes studentisches Ökosystem, das nach Pizza riecht, Probleme löst und niemanden alleine lässt.
Das Wichtigste in Kürze:
Ihr fragt euch, wie die Angebote bei der Langen Nacht der aufgeschobenen Hausarbeiten genau ablaufen oder was das Schreibzentrum für euch tun kann? Wir haben mit den Veranstaltern gesprochen und die wichtigsten Antworten für euch zusammengefasst.
Wie genau läuft die individuelle Schreibberatung ab?
Carina Eckl: „Inhaltlich dürfen wir nicht beraten. Wir geben Hilfestellungen, wenn es darum geht, Thesen aufzustellen und beantworten grobe Fragen. Auf Grammatik und Stil können wir achten, aber es gibt keine Tipps, die dir die Arbeit an sich abnehmen.“
Was tun, wenn ich an der Langen Nacht keine Zeit habe?
Lara Rößig: „Wer nicht auf unsere Veranstaltung warten will, kann montags und mittwochs in unsere offene Sprechstunde kommen. Dafür muss man sich nicht anmelden und bekommt schnell eine Antwort auf seine Fragen.“
Könnt ihr auch direkt in Uni-Seminaren unterstützen?
Lara Rößig: „Für Dozenten haben wir auch ein Angebot. Bei den ‚In Class‘ Veranstaltungen kommen Tutoren in die Kurse und machen kurze Workshops. Hier sollten die Dozenten aktiv auf uns zukommen. Die Studierenden können sich dabei in Absprache mit ihren Dozenten ein Thema wünschen und dann kommen wir je nach Bedarf auch mal nur für eine halbe Stunde.“
Welche Speed-Tipps habt ihr gegen Schreibblockaden?
Carina Eckl: „Manchmal zwinge ich mich am Ende des Schreibens, einen Satz in der Mitte zu beenden und ihn erst am nächsten Tag zu vollenden. So ist man direkt im Schreiben drin und muss keinen Anfang finden. Anderen das eigene Thema zu erklären, ist auch eine sehr gute Möglichkeit, die Arbeit zu strukturieren. Man kommt in den Zwang, klar zu formulieren, worauf man hinaus will und es vor allem so zu erklären, dass andere es nachvollziehen können. Dadurch entwickelt sich ganz automatisch eine Art roter Faden.“