Jedes Jahr findet in vielen deutschen Städten ein Christopher-Street-Day statt. Doch nur wenige wissen, warum deutsche LGBTQIA+-Pride-Events diesen Namen tragen und welche Geschichte dahintersteckt.
Ein Gastbeitrag von Leonie Lange, stellvertretende Referentin des Queer-Referats der Studierendenvertretung der Ludwig-Maximilians-Universität München
Wo ist eigentlich die Christopher Street?
Am 10.07.2021 ist es wieder soweit: In München findet der Christopher-Street-Day (CSD) statt. Die erste Veranstaltung dieser Art fand in München am 28. Juni 1980 statt und hieß „Stonewall Demo“. Mit diesem historischen Vorläufer ist auch schon die Verknüpfung zum gemeinsamen Namensgeber des CSD, der Stonewall-Demo und internationalen Pride-Veranstaltungen gefunden: Das Stonewall-Inn in New York, das sich an der Kreuzung der 7th Avenue mit der Christopher Street befindet.
Und was hat sie mit Pride zu tun?
In dieser Bar, die vor allem von einem LGBTQIA+-Publikum besucht wurde, wehrten sich Besucher*innen in den frühen Morgenstunden des 28. Juni 1969 gegen die wiederholten Polizeirazzien die in „gay bars“ zu dieser Zeit üblich waren. Mit den Besucher*innen des Stonewall Inn wehrten sich auch Besucher*innen anderer Bars und Anwohner*innen des Greenwich Village gegen Polizeigewalt, Razzien und Festnahmen. Besonders hervorzuheben ist die Rolle von Schwarzen und lateinamerikanischen Personen in den Stonewall-Aufständen, die besonders stark von Polizeiwillkür betroffen waren (und sind) und sich dieser in den Stonewall-Aufständen an vorderster Front entgegenstellten. Diese Stonewall-Aufstände hielten mehrere Tage an und werden als Katalysator der weltweiten LGBTQIA+-Bewegung angesehen.
In den folgenden Jahren und Jahrzehnten fanden nicht nur in New York, sondern in immer mehr Ländern und Städten Proteste und Paraden statt, die sich gegen Queerfeindlichkeit und für Befreiung und Sichtbarkeit einsetzten. Die Pride-Bewegung, die es LGBTQIA+ Menschen ermöglichte, offen und stolz zu sich selbst zu stehen und sich nicht zu verstecken, sondern gegen ihre Unterdrückung auf die Straße zu gehen, entwickelte sich – aus Bars und dem von der Mehrheitsgesellschaft abgegrenzten Leben hinaus auf die Straßen der Welt. Im deutschsprachigen Raum wurden diese Proteste und Paraden nicht nach dem Stonewall Inn selbst, sondern nach der Christopher Street, der Straße, in der es zu einem sechstägigen Aufstand kam, benannt.
Haben die heutigen Christopher Street Days damit noch etwas zu tun?
Auf den ersten Blick haben heutige CSD-Paraden mit den Stonewall-Aufständen nicht viel zu tun: Partys, gute Laune, große Firmen und bunte Farben. Doch auch heute gehen mit dem CSD politische Forderungen nach Gleichheit, Gleichberechtigung und eine protestartige Sichtbarkeit einher. Die heutigen Pride Veranstaltungen stehen im Spannungsfeld zwischen der Anpassung und Aufnahme queerer Menschen in die Mehrheitsgesellschaft und dem Widerstand gegen immer noch bestehende Diskriminierung und Heteronormativität. Auch wenn der CSD kein gewaltvoller Aufstand mehr ist, so ist er doch ein Zeichen gegen das Verstecken, für Sichtbarkeit und Stolz darauf, offen sein zu können, wer man ist. Demnach steht auch dieser CSD in der Tradition der Stonewall-Aufstände, denn „the first pride was a riot!“
Das Queer-Referat am CSD
Auch wir, das Queer-Referat der Studierendenvertretung an der LMU, sind dieses Jahr am Münchner CSD vertreten. Auch wenn aufgrund der Corona-Pandemie keine große Parade stattfinden wird, werden wir an der dezentralen Demoaktion des CSD am Samstag, 10.07.2021. In der Münchner Innenstadt sein und am Sonntag, 11.07.2021 bei der Radl-Demo teilnehmen, um zu zeigen, dass wir, dass die LMU, dass München, bunt ist.
Unter #QueerOnCampus schreiben Studierende des Queer-Referat der Studierendenvertretung der LMU über LGBTQ+ und andere Themen, die queere Personen im Zusammenhang mit München und dem Studium betreffen. Für die Inhalte sind allein die jeweiligen Autor*innen verantwortlich. Alle Beiträge der Serie hier nachlesen.