Kulturphilter Stadtplan

Harmonische Klänge

Jede Saison geben die Münchner Philharmoniker ein Konzert exklusiv für Studenten. Zum siebten Mal fand das Unikonzert dieses Jahr am 15. und 16. Juni im Gasteig statt. Diesmal standen Felix Mendelssohn Bartholdy und William Turner Walton auf dem Programm. Philtrat hat sich das Konzert angesehen, oder genauer: angehört.

 

Ein untrügliches Anzeichen, dass man sich in einer auf Studenten ausgelegten Veranstaltung befindet, dürfte die berühmte akademische Viertelstunde sein. Auch Im Konzertsaal der Philharmonie öffneten sich nach dem ersten Stück der ersten Hälfte noch einmal schüchtern einige Seiteneingänge, um zahlreiche Nachzügler unauffällig in die Ränge der Studenten schleichen zu lassen. Vertreter so ziemlich aller akademischer Disziplinen, vom Literaturwissenschaftler, über den Historiker bis hin zum Politologen und Naturwissenschaftler, hatten sich an diesem sommerlichen Abend am Gasteig eingefunden, um den Philharmonikern zu lauschen. Auch stiltechnisch war jede Kategorie von Student vertreten: vom Hipster über den simplen schwarzen Anzug oder das adrette Abendkleid bis hin zu lässigen Jeans und Flip-Flops.

Die Münchner Philharmoniker (© wildundleise.de)

Der Abend eröffnet mit einer musikalischen Interpretation der beiden Gedichte „Meeres Stille“ und „Glückliche Fahrt“ von Johann Wolfgang von Goethe durch Felix Mendelssohn Bartholdy. Damit reihte sich Mendelssohn in die damals populäre Tradition der symphonischen Dichtung ein, die dem Komponisten sehr viel mehr Freiheiten lässt, als die streng organisierte Symphonie selbst. Diese künstlerische Freiheit hört man denn auch gleich zu Beginn heraus: Ohne in drei getrennte Sätze geteilt zu sein, wie es die Symphonie vorsieht, geht die ruhige Anfangsstimmung in das Gefühl düsterer Beklemmung über, wie es auch in Goethes Gedicht der Fall ist, um sich schließlich unter dem Brausen der Fanfaren zu einer triumphalen Ankunft im Hafen zu steigern. Mit sehr viel Feingefühl zieht der Dirigent Ivor Bolton hierbei die Philharmoniker von einem vorsichtigen Piano bis zum stürmischen Fortissimo. Mendelssohn hat sich am Ende des Stückes über die poetische Vorlage hinaus gewagt, denn bei Goethe ist das Land lediglich in Sicht. Die tatsächliche Ankunft hielt aber wohl größere musikalische Möglichkeiten für den Komponisten bereit.

Auf den romantischen Auftakt folgt ein Violinkonzert des moderneren Komponisten William Turner Walton, der 1902 in England zur Welt kam, Teile seines Lebens aber in Italien verbrachte. Mit einem sehnsuchtsvollen Schluchzen der Geige, die von dem Solisten Julian Shevlin technisch virtuos und mit ungeheurer Sensibilität gespielt wird, eröffnet Walton sein Stück und versetzt den Zuhörer bereits mit den ersten Takten in „das Land, wo die Zitronen blühen“, um nochmals Goethe heranzuziehen. Die lyrischen Passagen der Violine wirken fast als wären sie von neapolitanischen Volksmelodien inspiriert, was vielleicht auch damit zusammenhängt, dass die ersten beiden Sätze an der italienischen Amalfiküste entstanden sind. Das geht aber nicht auf Kosten der musikalischen Qualität: Immer wieder lösen sich die Melodien zugunsten virtuoser Soli auf und machen Platz für experimentelle Momente, die Shelvin viel abverlangen. Bolton gelingt es dabei fast immer, das Orchester in den entscheidenden Momenten ins Piano zu zwingen, um der Violine genug Entfaltungsraum zu geben. Nur an wenigen Stellen übertönen die Bläser die feinen Klänge von Shevlins Geige. Der dritte Satz nimmt wiederum das nostalgische Eingangsmotiv auf und hinterlässt die Zuschauer in euphorischem Zustand. Das lässt zumindest der begeisterte Pausenapplaus vermuten.

Der Dirigent in dieser Vorstellung: der Engländer Ivor Bolton (© ivorbolton.com)

Zum Abschluss rekurrieren die Philharmoniker auf das romantische Motiv mit Mendelssohns Symphonie Nr. 3 a-Moll op. 56, besser bekannt als Schottische Symphonie. Das Stück, vermutlich inspiriert durch eine Schottlandreise im Jahr 1829, wurde erst 1841 fertiggestellt und ein Jahr später uraufgeführt. Geschickt für den studentischen Anlass ausgewählt, stellt dieses Werk ein Musikstück dar wie es romantischer nicht sein könnte: Das lebhafte Sprudeln der Klarinettenklänge, das sich schließlich über den tragenden ersten Teil mit seinen tief in die Seele greifenden, düsteren Streicherpassagen legt, vermischt zusammen mit Paukenschlägen und klagenden Trompetenfanfaren die verschiedenen Themen und Stimmen zu einem sublimen, geradezu transzendental-romantischen Ganzen. Sehnsucht und landschaftliche Weite durchziehen dieses Werk in Form von chromatischen Solo-Sequenzen und pompösen Orchester-Tuttis. Sie enden schließlich nach dem Durchschreiten der fließend ineinander übergehenden Sätze im vierten Teil, dem Allegro guerriero vivacissimo – Allegro maestoso assai, mit einem fulminanten Spektakel aus Bläsern, Streichern und Pauken. Wie das Begleitheft betont, das für die Studierenden kostenlos vor dem Konzertsaal im Gasteig ausliegt, schrieb ein Kritiker gar, anläßlich der Prager Erstaufführung 1845, die Schottische Symphonie sei „das Bedeutendste, was seit Beethoven in diesem Genre geleistet“ wurde. Dem schien auch der lautstarke Applaus des studentischen Publikums zuzustimmen, welches sich durch seine Beifallsbekundungen bei Dirigent, Solist und Orchester begeistert und ausgiebig für das Konzert bedankte. Kein Wunder also, dass die Philharmoniker gerne jede Saison aufs Neue den Studenten dieses Konzert bieten – und dass diese es so enthusiastisch besuchen.

 

Mehr Infos zu anstehenden Konzerten und Events finden sich auf der Website der Philharmonie.

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