Kulturphilter Stadtplan

Das Menschliche in der Kunst

Warum handeln wir so, wie wir handeln? Welche anthropologischen Motive treiben uns an? Nicht viele Konzepte sind von derart basaler Erklärungskraft wie das Bedürfnis nach Anerkennung und nur Wenige prägen den menschlichen Alltag nachhaltiger. In der Katholischen Hochschulgemeinde der LMU umspielen fünf junge Künstler der Akademie der Bildenden  Künste dieses menschliche Grundbedürfnis bis zum 31. Juli 2012 unter dem Titel „Der Kampf um Anerkennung“.

 

Das Ausstellungsplakat zu "Kampf um Anerkennung"

Innerhalb eines Monats haben die beiden studentischen Kuratorinnen Sarah Donderer und Anne Götzelmann zusammen mit den Künstlern das Projekt umgesetzt – und damit eine Kooperation zwischen Kunstgeschichte der LMU und Kunstklassen der Akademie der Künste ins Leben gerufen. Ihren jeweils ganz eigenen Zugang zum Ausstellungsthema gewinnen die Künstler, indem sie den Begriff der Anerkennung auf unterschiedlichen Ebenen des Menschlichen in Szene setzen. Bei Jakob Steiger ist das die Ebene des Individuums: Schemenhafte, menschliche Konturen erkämpfen sich ihren Platz im Auge des Beobachters in „Fotorealismus in Eden“ –  heillos verstrickt in eine wilde Bewegung aus Kameras, Äpfeln, Nummern-Girl und Erektionsdarstellung. Sechs Bildschichten stehen hier im Widerstreit mit der siebten, letzten Übermalung und an den Rändern blitzt noch paradiesblau die erste Schicht durch. Die pure Dynamik des Kampfes galoppiert einem in der großformatigen dreiteiligen Serie „ Ein siebenköpfiger Besucher auf der Suche nach seinem Schlachtfeld“ entgegen – und auch hier dringen wieder Menschenfiguren durch das Bild. Legt schon Steigers schichtenförmiger Bildaufbau einen hermeneutischen Interpretationszugang nahe, so wird die geistige Ebene noch verstärkt durch das Werk „Fliegender Tisch“, in dem der Künstler das Buch mit Messer und Gabel darbietet und so seine Arbeitsweise thematisiert – das Ausgehen von literarischen Inspirationen, die im Produktionsprozess verarbeitet werden. Der dynamische Kampf der Schichten der Bildmaterie mit sich selbst als Allegorie auf das endlose, geistige Kampfesgeschehen im Inneren des Menschen, den Widerstreit der Gedanken um Form und Anerkennung. Geradezu majestätisch ruhig wirkt demgegenüber Christine Kopkas Installation „Chinesenskalps“ die im großen Saal der Katholischen Hochschulgemeinde an Steiger anschließt. Eine Ruhe freilich, die stumme Anklage ist, worauf die Jahreszahlen unter den Skalps verweisen. Kopka rückt damit den Begriff der Anerkennung in einen politischen Kontext und will so die Folgen eines globalen Kampfes um Anerkennung zum Thema machen – jedes Büschel traditioneller chinesischer Haarkunst steht für einen Markstein auf dem Weg der Preisgabe kultureller Identität zugunsten einer Anpassung an westliche Gepflogenheiten. Neben abgeschnittener Haarpracht drückt die Künstlerin den Zusammenhang der äußerlichen Manifestation des Kampfes um Anerkennung auch in ihrem Gemälde der Therese von Konnersreuth aus. Sie schlägt damit einen Bogen zu Steiger, indem sie eindrucksvoll die Wirkmacht des rein Geistig-Innerlichen auf das Äußerliche im Hervorbrechen der Wundmale der Heiligen thematisiert.

Von Stigmata und Performance

Auf Performance setzt Franziska Schmelzle mit ihrer Plastik  „Pferd, Schwanz, Mexiko“ die sich an Stahlseilen befestigt, über die Eingangshalle der Katholischen Hochschulgemeinde spannt. Der Golfschläger liegt bereit, der stumme Impuls tut seine Wirkung und tatsächlich, unter der Aufmerksamkeit vieler Ausstellungsbesucher wird zum Sportgerät als Waffe gegriffen, der Pferdebauch der Plastik eingeschlagen – und heraus quellen rote Süßigkeiten. Dennoch, für einen kurzen Moment waren die umstehenden Besucher wie gebannt gewesen, der Rausch der Gewalt hatte sie ergriffen – und schon kurz darauf bezeigen sie dem unbekannten Gast, der zum Schläger gegriffen hatte, klatschend ihre Anerkennung.
Das alles trägt sich zu unter dem Kreuz aus der Installation „monitoring systems“ von Lenka Richterová zu. Eine kleine, mechanisch blinkende Kamera, die auf dem Querbalken der metallenen Kreuzesdarstellung angebracht ist, schwenkt stetig von links nach rechts, mechanisch blinkend beobachtet sie die Ausstellungsbesucher – und so mancher Besucher fragt sich: Gehört das zur Ausstellung?
Klasse als Masse, so interpretiert Julia Schoell den Titel der Ausstellung und will sich Anerkennung auf quantitativem Wege erkämpfen. Mit ihrer Serie „2000 Drucke“ bespielt sie die Galerie der Katholischen Hochschulgemeinde und liefert eine Auswahl sich nur geringfügig unterscheidender Kleindrucke mit ovaler Fantasiesymbolik.

Anerkennungs-Topos und Panoptikum des Menschlichen

Die Ausstellung „Der Kampf um Anerkennung“ kontextualisiert so das anthropologische Grundbedürfnis nach Anerkennung auf der Ebene des Individuums, in seinen sozial-alltäglichen Erscheinungsformen, die unvermittelt in Gewalt umschlagen können, und in seiner politischen Konsequenz – sie errichtet so ein Panoptikum des Menschlichen. Vor allem aber, und das ist das Besondere an dieser Ausstellung, macht sie im Anerkennungs-Topos unverblümt zum Thema, was die jungen Künstler und Kuratorinnen bewegt, die neu in den Mikrokosmos Kunst eintreten. Die Reflexion der jungen Künstler über ihr eigenes Tun und Hoffen, ihre ganz spezifische Verortung in der Welt der Kunst, ihren Umgang mit den dort vorherrschenden Mechanismen und nicht zuletzt die Erwartungen über die eigene berufliche Zukunft, das ist das eigentliche Thema des „Kampfes um Anerkennung“.
Bei niemandem ist das besser zu beobachten als bei Schoell, die den Kampf um Anerkennung am unmittelbarsten auf die Kunstszene bezieht. In ihren Texten, nachzulesen im Ausstellungskatalog, liefert sie, wenn vom Tod die Rede ist, in Klammern die Verstehenskonventionen des Todesbegriffs gleich mit und reflektiert so die Kommunikationscodes der Kunstwelt kritisch.
In ihren kleinformatigen Druckserien perspektiviert sie Kunst als zähe Knochenarbeit und das Gesetz des Schweißes als Gütekriterium der Kunstproduktion, nur um diesen Deutungskontext im persönlichen Gespräch selbstironisch zu brechen, wenn sie schelmisch von ihren Verkaufserfahrungen auf dem Kunstmarkt berichtet.
„Der Kampf um Anerkennung“ stellt eine reflexive Auseinandersetzung mit den Mechanismen des Kunstbetriebes dar, von einem Standpunkt, der innerhalb der Kunstwelt liegt, dabei jedoch noch den Charme des Neuankömmlings besitzt. Ausgestellt sind damit Perspektivierungen und Einsichten junger Künstler über Gegenwart und Zukunft ihrer Zunft – Einsichten, die neugierig machen auf mehr.

 

 

Vom 06.06.2012 bis zum 31.07.2012 zeigt die KHG Werke von 5 Studenten der Akademie der Bildenden Künste zu dem Thema „Kampf um Anerkennung“. Organisiert wurde die Ausstellung von den Studentinnen Anne Götzelmann und Sarah Donderer.

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