Kulturphilter Stadtplan

Kunst spricht für sich selbst

Ein Kreuz kann auch da überraschen, wo man es am ehesten erwartet hat.

Die Rede ist nicht von Kathedralen, sondern von der Katholischen Hochschulgemeinde München (KHG). Wenn sich die KHG also mal wieder Kunst ins Haus holt, diesmal unter dem Titel „Kampf um Anerkennung“, wer ist da schon verwundert unter den Ausstellungsstücken auch ein Kreuz zu finden. Oder zumindest ein etwas merkwürdiges Konstrukt, das nur aus der Frontalsicht die Form eines Kreuzes annimmt und an dem, aus jedem Blickwinkel gut sichtbar, eine sich im 180° Grad Winkel schwenkende Überwachungskamera hängt.

 

Entlarvt die sich ohne Unterlass drehende Kamera die Religion als mechanisches Instrument, dazu erschaffen um den Menschen zu maßregeln?

Betitelt ist das Werk mit „monitoring systems“, eine Ausnahme, wie die Künstlerin Lenka Richterovà zugibt. Normalerweise ziehe sie es vor ihren Werken keinen Namen zu geben um Interpretationen nicht vorzugreifen und dem Betrachter nicht eine Deutung aufzuzwingen. Wie gut, dass sie diesmal eine Ausnahme gemacht hat. Bei dem Verweilen vor dem Kunstobjekt schweifen die Gedanken unweigerlich zu der Frage ob die Sicherheit, das Vertrauen und die Hoffnung die früher durch die fortwährende Präsenz der Religion gewährleistet wurden, nun durch den allgegenwärtigen Vater Staat vermittelt werden.
Oder entlarvt die sich ohne Unterlass drehende Kamera die Religion als mechanisches Instrument, dazu erschaffen um den Menschen zu maßregeln? Ein Kreuz kann aber auch nur ein unorthodoxer Ort sein um eine Kamera anzubringen. Und was sagt die Künstlerin dazu? „Ich mache Kunst, damit ich nicht darüber reden muss. Kunst spricht für sich selbst.“
Früher sprach die Kunst nicht für sich selbst sondern meist für andere. Das Christentum hat sich seit seinen Anfängen die Kunst in den Dienst des Herren gestellt. Epochale Werke der Malerei entstanden, wie die Sixtinische Madonna Rafaels, laut der Staatlichen Kunstsammlung Dresden „die schönste Frau der Welt“. Ebenso wurden prächtige Fresken und Kirchen, zierliche Statuen und monumentale Kathedralen erschaffen und exquisite gregorianische Gesänge klangen durch heilige Bauten. Mit der Aufklärung setzte die langsame und dennoch unaufhaltsame Emanzipation der Kunst ein. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts verweigerte sie sich unter dem Motto „l’art pour l’art“ endgültig jedweder Vereinnahmung. Der Ausstellungstitel „Kampf um Anerkennung“ greift also weit in die Kunstgeschichte hinein um der Gegenwart provozierend ins Gesicht zu rufen „Wer hat den Kampf um Anerkennung denn nun gewonnen? Ist es jetzt nicht vielmehr die Religion, das Christentum, welches händeringend um Aufmerksamkeit buhlt?“ Das Überwachungssystem der Religion hat also ausgedient, spätestens seitdem Nietzsche den Tod Gottes ausgerufen hat.
Die Kunst ist zwar niemals auch nur in den Verdacht geraten zu der Überwachung des Menschen instrumentalisiert zu werden. Dennoch wird Kunst immer mehr als Prestigeobjekt gesehen, die um jeden Preis angeschafft werden muss. Zuletzt so geschehen bei Edvard Munchs „Schrei“ der mit 119,9 Millionen Dollar (91,3 Millionen Euro) den höchsten Verkaufserlös aller Zeiten erzielte. Gehen die immer exorbitanteren Summen mit einer erhöhten Wertschätzung von Kunst einher? „Heute kennt man von allem den Preis, von nichts den Wert“ orakelte schon Oscar Wilde. Kunst sollte nicht zu einer bloßen Investition oder zu einem Statussymbol verkommen, während die dahinterstehende Ideen vergessen werden.
Die Idee hinter dieser Ausstellung ist jedenfalls so vielschichtig wie die ausgestellten Künstler. Deshalb das Fazit: Anschauen! Anschauen! Anschauen!

 
Vom 06.06.2012 bis zum 31.07.2012 zeigt die KHG Werke von 5 Studenten der Akademie der Bildenden Künste zu dem Thema „Kampf um Anerkennung“. Organisiert wurde die Ausstellung von den Studentinnen Anne Götzelmann und Sarah Donderer.

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