Unileben

Wie alles begann (1): Eine Reisekolumne von Leonie Stoll

Eine Kolumne über die Achterbahnfahrt der Kulturen, Erfahrungen und Lernprozesse meiner letzten 5 Lebensjahre. Komm mit zu den unterschiedlichen Stationen meiner beruflichen und persönlichen Reise durch die ganze Welt – neben meinem Online-Studium.

Von Leonie Stoll

WIE ALLES BEGANN oder DER WINDIGE SOMMER NACH DEM ABITUR: Meine Zeit auf Fuerteventura

Freiheit, endlich. Tschüss Kleinstadt, hallo Welt! Aber wohin mit mir? Wir schreiben das Jahr 2019 – das Jahr, in dem ich Abitur mache. Eins war mir schon vor meinem Schulabschluss klar: Lebenserfahrung sammeln und Neues kennen zu lernen wird meine Priorität nach der finalen Notenvergabe. Also ging es ab dem Herbst 2018 direkt an die Jobsuche und hier nutzte ich (damals noch minderjährig und dementsprechend mit Hilfe von Mama und Papa) einige persönliche Connections. Eine uns bekannte Hotelkette suchte Mitarbeiter*innen für die Kinderanimation. Da leben, wo andere Urlaub machen und nebenbei kreativ mit Kindern arbeiten? Die Vorstellung, zwar weg von daheim, aber in eine doch schon bekannte Umgebung zu ziehen, beruhigte mich auch etwas.

Und so schickte ich die erste wirkliche Bewerbung meines Lebens ab. Der Weg vom Anschreiben bis zur Anstellung war für mich als ungeduldiger Mensch eine Zerreisprobe. Andererseits fühlte ich mich sehr erwachsen dabei, neben der Schule den gesamten Bewerbungsprozess, inklusive Kennenlerngespräche, Assessment-Center und Co auf meiner Agenda zu haben.

Station 1: Etwas anders als normalerweise

Lange Rede, kurzer Sinn: am Ende war ich drin. Im Juni nach dem Abitur ging es mit einem unbefristeten Arbeitsvertrag als Kinderanimateurin nach Fuerteventura. Mein Plan zu diesem Zeitpunkt war es, das Ganze für ein knappes Jahr zu machen und dann im Herbst ein klassisches Vollzeitstudium anzugehen.

Zu Fuerteventura an sich: Die Steininsel bietet nicht gerade viel touristische Kultur (sprich Museen oder Shoppingcenter), dafür aber umso mehr lokalen Charm, was Kulinarik, verschlafene und entspannte Küstenstädte angeht. Meine freien Tage waren geprägt von Wandern, Essen und Kartenspielen in der Sonne. Mit einer Delfinsafari erfüllte ich mir einen Kindheitstraum und ich glaube, so viele Armbänder hatte ich nie wieder an meinem Handgelenkt – entweder von den Kindern selbstgemacht oder auf verschlafenen Märkten entdeckt.

Sonneuntergänge und Palmen auf Fuerteventura. Bild: Leonie Stoll

Auch mich warteten auf der Insel tausende erste Male. Zum Beispiel, das erste Mal meine eigene „Wohnung“ (Mitarbeiterzimmer) zu gestalten. Im Endeffekt nur 15 Quadratmeter dunkler Holzboden, aber mein eigenes Reich mit bunter Polaroidwand und einer Küche, immer voll mit Schokolade. Das erste Mal selbständig meine freie Zeit und auch meine finanziellen Ausgaben gestalten, das erste Mal Wäsche waschen und einkaufen gehen zu müssen. Das erste Mal eine Gemeinschaft von Gleichaltrigen und Kolleg*innen als engste Beziehungspersonen zu haben – und nicht mehr die Familie. Viele Mädels im Team, die zwar teilweise kommunikativ herausfordernd sein konnten, aber auch die tollsten Playlists für Roadtrips hatten.

Wind unter den Flügeln

Das ist mein „Raus aus den Babyschuhen“-Moment gewesen, auch wenn Mama und Papa natürlich wöchentlich angerufen wurden. Ich schwebte quasi sorgenfrei, genoss die Zeit mit den Kindern und erfüllte alle Pflichten voller Freude: Bastelvorlagen gestalten, Schatzsuchen leiten oder bei Kochdiensten im Hotelrestaurant Vorspeisenteller mit Lachstatar anrichten. Tatsächlich wurde ich, rückblickend betrachtet, noch sehr bemuttert von Vorgesetzten und älteren Freund*innen vor Ort. Zusammengefasst trug ich eher wenig Verantwortung. Aber gelernt habe ich trotzdem einiges – vor allem an sozialer Kompetenz. Noch heute kann ich wegen meiner Zeit auf der Insel schnell neuen Situationen und Mitmenschen mit einem Lächeln begegnen, denn hier wurde mir gezeigt: Was du gibst, bekommst du auch zurück. Auf Fuerteventura verbrachte ich die bisher unbeschwertesten Wochen meines Lebens und konnte Energie tanken, für die Steine meines Lebenswegs, die danach noch kommen sollten.

Und mein Kopf war sowie schon immer ein wenig in den Wolken, denn ich begann meine erste ernsthafte Beziehung auf der Insel – mit einem Österreicher. Und somit war nach einigem Hin und Her und Herzschmerz, auch die Frage beantwortet, wo ich denn mein Studium angehen würde. Ich entschied mich von meiner Hotelblase aus für den Studiengang Germanistik an der staatlichen Uni Graz. Ein kleiner, feiner Fehler. Warum, lest ihr dann in der nächsten Episode…

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