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Was kannst Du denn?

Von Thilo Schröder

Nicht erst, seit der Dativ dem Genitiv sein Tod wurde; nicht erst, seit in Chats und Messengern die kleinschreibung (Achtung, Kunstwort!) der Großschreibung den Rang abgelaufen hat; nicht erst, seit der Dreibuchstaber „lit“ die Vierbuchstaber „nice“ und „cool“ abgelöst hat, zweifeln Menschen an der lange Zeit unhinterfragten letzten Instanz der deutschen Rechtschreibung: dem Duden.

Am 7. Juli 1880 erschien in Leipzig die erste Ausgabe des Duden unter dem Titel „Vollständiges Orthographisches Wörterbuch der deutschen Sprache“ von Konrad Duden. Vollständig, das waren damals circa 27.000 Wörter. 2015 handelte es sich laut einer Pressemitteilung schon um etwa 140.000. Die Duden-Dudes haben alle Hände voll zu tun, ihre „Orientierungshilfe“, ihren „Leitfaden“, wie sie ihn vorsichtig selbst nennen, auf Höhe der Zeit zu halten. Ständig entstehen neue Wörter, werden etwa anderen Sprachen entlehnt, und erweitern so kontinuierlich den Wortschatz.

Wie dieses einstmals fast schon grundgesetzlich verehrte Nachschlagewerk mit solchen Entwicklungen zuweilen umgeht, verdeutlicht eine rasche Recherche. Deren Ausgangspunkt war die Frage, ob es „der Hashtag“ (gefühlt richtig) oder „das Hashtag“ (klingt komisch) heißt. Das Ergebnis einer Google-Suche unter dem Stichwort #MeToo: Auf tagesschau.de ist der Hashtag grammatikalisch männlich, auf jetzt.de, dem Jugendportal der Süddeutschen Zeitung, ebenfalls. „Der Hashtag“ schreiben auch der Deutschlandfunk, die Deutsche Welle, ZEIT ONLINE. Allein der Duden beharrt auf dem grammatikalischen Neutrum.

Das eingangs erwähnte, dem Englischen entnommene Wörtchen „lit“ taucht auf duden.de gar nicht erst auf. Unter jenem Stichwort sammeln sich Begriffe wie „litera“ (ein Ausdruck für „Buchstabe“ in einer toten Sprache, Anm. d. Autors) oder „Litfaßsäule“ (an diese klebte man in vordigitaler Zeit analoge Werbung mit Kleister, weitere Anm. d. Autors). Ist der Duden antiquiert?

Es scheint, dass die Autorität des Duden bröckelt. Und dass jene, die sich einst blind auf ihn verließen – zum Beispiel Studierende, Bürokrat*innen oder Journalist*innen (das Wort „Gendersternchen“ taucht auf duden.de übrigens auch nicht auf) – die berechtigte Frage stellen müssen: Was kannst‘, Duden?

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