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Was die Beziehung zwischen Galerie und Künstler*innen prägt

Galerist*in und Künstler*in, Künstler*in und Kunstmarkt stehen in einem besonderen Verhältnis. Ein Gespräch mit Stephan Stumpf, Galerist der Galerie Størpunkt,  über die Galerie als Schnittpunkt zwischen Künstler*in und Kunstmarkt, welche Aspekte ihm in den Werken seiner Künstler*innen wichtig sind und über die neue Ausstellung „Facets of Queer“, die noch bis zum 15. Dezember zu sehen ist.

„Facets of Queer“ © Galerie Størpunkt

Von Angelika Sarcher

Stephan Stumpf arbeitet in seiner Galerie Størpunkt mit internationalen Künstler*innen an der persönlichen Weiterentwicklung von beiden Seiten. Weil diese Zusammenarbeit ein Versuch ist, mit Kunst auf einem sich stetig weiterentwickelnden Markt Geld zu verdienen, müssen auch Künstler*innen und Galerien beständig aneinander wachsen. In dieser Konstellation liegt es daran, sich gemeinsam vorwärts zu bringen, Wagnisse einzugehen und den Sprung auf den internationalen Kunstmarkt zu tun. „Wenn ein Künstler an eine Galerie herantritt hat derjenige natürlich gewisse Erwartungen und wenn du die nicht erfüllst, sucht derjenige woanders.“ beobachtet Stephan Stumpf. Dafür habe er großes Verständnis.

Stumpf setzt auf eine „Komplizenschaft“

Er fügt hinzu: „Es ist ja auch schön, wenn Künstler weitergehen und ich sagen kann – bei mir hat der mal angefangen. Denn man sucht ja in einer Galerie eine gewisse Potenz. Finanzielle Kraft, Connections und Erfahrungen – die Möglichkeit durch Verträge unterstützt zu werden und auf internationalen Messen vertreten zu sein.“ Das könne man aus einer reinen Managerposition heraus tun. Man kann aber auch noch eine Stufe näher an den „Komplizen“ herangehen: „Ich bin eher so der Kumpel und wir versuchen dann, gemeinsam auf den Markt zu gehen.“

Diese Erfahrung machen auch Studierende der Kunstakademie, nämlich, dass man in einer Gruppenausstellung besonders intensiv sieht, ob gegenseitige Wertschätzung auf einer freundschaftlichen Ebene möglich ist: Dort stellt sich schnell heraus, ob man denselben Anspruch an die Arbeiten hat, daran, wie sie letztendlich präsentiert werden „Eine schlecht präsentierte Arbeit fällt sofort auch auf den Galeristen zurück. Andersherum ist es genauso.“ So stellen die Besprechungen in einer Ausstellungsvorbereitung eine Chance für den zur Weiterentwickelung wichtigen Dialog dar.

Wichtig ist der Dialog mit den Künstler*innen und die Spiegelung der Persönlichkeit im Werk

Genau innerhalb dieses Dialoges arbeite Stephan Stumpf am liebsten mit Menschen zusammen, die auch außerhalb ihres künstlerischen Schaffens eine vielschichtige Persönlichkeit haben. Und die Werke schaffen, in denen sie sich hintergründig mit ihrer Biographie als Mensch wiedererkennbar zeigen. Sehr großen Wert lege er besonders auf die internationale Zusammenarbeit. „Internationale Künstler sind sehr hungrig, und ich will keine gesättigte Kunst. Ich mag das, wenn ein Künstler was zu erzählen hat …“ Mit gesättigter Kunst meint Stephan Stumpf jene Kunst, die sich nicht mit sich selbst befasse, ohne dabei zu einer Aussage zu kommen.

Das Verlangen danach, sich auch außerhalb des Eigenen mit etwas zu befassen und gegen und für etwas zu kämpfen, mache die Dramatik zu einem Dialog. „Da muss es Abgründe geben.“ Auch der Kunstmarkt stelle Künstler*in wie Galerist*in oft vor einen Zwiespalt: die Verkaufbarkeit der eigenen Werke mit in einen meist sehr intimen Produktionsprozess einfließen zu lassen.

Künstlerische Vielschichtigkeit und Verkäuflichkeit – ein komplexer Drahtseilakt

„Als Künstler*in wie Galerist*in steht man zwischen dem eigenen Ideal und der Prostitution. Und sich im Kunstmarkt nicht zu prostituieren, muss man sich leisten können“, so Stephan Stumpf. Die Vorstellungen des potentiellen Käufers mit in den Arbeitsprozess zu nehmen, bedeutet oft eine Verschiebung der Grenzen der eigenen Privatsphäre zulassen zu müssen. Jedoch ist eine prägnante Eigenschaft der Menschen wie der Kunst ihre stetige Wandlungsfähigkeit – Möglichkeiten tun sich auf, wo wir einsehen, dass Veränderungen das einzig Bleibende auf der Welt sind.

Eine gute Galerie macht Künstler*innen aus, die nicht hohl sind, deren Arbeiten mit Geschichten und Erfahrungen gefüllt sind und so dialogfähig werden. Dabei muss der Inhalt keineswegs sofort ersichtlich sein. Stephan Stumpf teilt eines seiner Erlebnisse mit ’seinen‘ Künstler*innen: „Wenn du ins Atelier kommst und die Arbeit erst einmal nicht verstehst, aber nach einer Stunde saugute Inhalte hast und rausgehst und: Wow.“

„Facets of Queer“: Die neue Ausstellung in der Galerie Størpunkt

Animal Locomotion © Valentina Murabito

Das kann einem auch mit den Arbeiten der Künstler*innen passieren, die in der Ausstellung „Facets of Queer“ vertreten sind. Valentina Murabito hebt mit ihrer fotografischen Arbeit – Animal Locomotion – Grenzen auf. Mensch und Material scheinen sich voneinander zu lösen, dabei zerreißen sie aneinander. Sie hat ein besonderes analoges Filmentwicklungsverfahren für sich entdeckt und mit diesem ein eigenes Ausdrucksmittel gefunden.

Reuben Negrons Aquarell-Zeichnungen hingegen sind durchwirkt von durchlässigen Materialien und vom Fleisch. Seine Fähigkeit, das auszudrücken, baut einerseits auf seinem handwerklichen Können auf, doch muss dieses mit den tieferen bedeutungstragenden Ebenen des Werks Hand in Hand gehen. Seine eigene Suche nach Kunst beschreibt Stephan Stumpf als eine Suche nach „Kunst, die aneckt und nicht hinters Sofa passt“. So arbeitet auch die Ausstellung „Facets of Queer“ neue, aneckende, internationale und vor allem vielschichtige Positionen zu dem umfangreichen und spannenden Thema Queer heraus.

 

Die Ausstellung „Facets of Queer“ in der Tengstraße 32a, 80796 München ist noch bis zum 15. Dezember geöffnet. Öffnungszeiten der Galerie sind Donnerstag – Samstag 15-19 Uhr; der Eintritt ist kostenlos

Kunst im Kontext

KUNST IM KONTEXT war bis Ende des Sommersemesters 2019 eine Kooperation mit dem Department Kunstwissenschaften der LMU. Studierende der fünf Studiengänge Theaterwissenschaften, Kunstgeschichte, Kunstpädagogik, Musikwissenschaften und Musikpädagogik rezensierten Ausstellungen, Konzerte und Theaterinszenierungen, berichteten über berufliche Perspektiven nach dem Studium und schrieben über alles, was sonst noch so los ist an der Isar. Die Texte entstanden im Rahmen von Seminaren des Departments und in einem freien Redaktionsteam.

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