Online Philterchen

Kartons schleppen mit Maske

Umzüge in Zeiten der Pandemie laufen anders ab als gewohnt – und vieles könnte eigentlich auch so bleiben. Vom Pas de deux mit dem Vormieter und kulanten Behörden.

Umziehen in Zeiten der Pandemie: mit Maske, ohne Führerschein und Kartons in der Tram © Max Fluder

Von Max Fluder

Ich habe meinen gesamten Hausrat durch Münchner Trams geschleppt. Und es hat unverhofft viel Spaß gemacht. Aber dazu später mehr. Dass Umzüge etwas Besonderes sind, muss man vermutlich nicht weiter ausführen: neue Wohnung, neue Nachbar*innen, neue Umgebung – und in einer besonderen Zeit wie dieser potenziert sich der Effekt. Gerade jetzt ist ein Umzug eine Erfahrung für sich, die Weise, auf der man zu einer neuen Wohnung oder einem neuen WG-Zimmer kommt, hat sich jedoch stark verändert, im Vergleich zu diesen fast vergessenen Vor-Corona-Zeiten.

Meine neue Wohnung liegt in Schwabing; der Besichtigungstermin war an einem Donnerstag im März – einen Tag, bevor Ministerpräsident Markus Söder (CSU) die Ausgangsbeschränkungen verkündete. Ich trug beim Inspizieren der Zimmer eine hastig zusammengenähte Maske. An eine Pflicht dachte damals kaum jemand. Immerhin: Massenbesichtigungen, wie es sie in München manchmal gibt, werden jetzt wohl eher nicht stattfinden. Gezeigt hat mir die Räume der Vormieter; möglichst um Abstand bemüht führten wir eine Art Pas de deux auf.

Meine neue Vermieterin habe ich vor meinem Umzug nicht gesehen. Kommuniziert haben wir wahlweise über WhatsApp, per Email oder Anruf. Das mag normal sein, wenn man es mit Service-Point-Mitarbeitenden großer Wohnkonzerne zu tun hat. Bei den meisten sich anbahnenden Mietverhältnissen sehen sich beide Parteien aber mindestens einmal vor Vertragsabschluss – zumindest in einer Welt, in der man nicht pandemiebedingt besser zu Hause sitzt. Vielleicht war es noch nie so wichtig, auch Online einen guten Umgangston zu bewahren – wenn man denn umziehen möchte.

Die Vermieterin vor Vertragsabschluss nicht gesehen

Zwischen der alten und der neuen Wohnung liegen etwa 2,1 Kilometer Luftlinie. Das ist nicht viel für einen Umzug, hat man denn ein Auto. Ich habe keines, hatte aber noch einen Gefallen bei einer Bekannten übrig. Die jedoch wollte nach dem Umzugswochenende zu ihren Eltern (Risikogruppe) und konnte deswegen nicht. Bitte nicht missverstehen: Das ist keine Schuldzuweisung, sondern eine Erklärung dafür, dass ich auf fast zwei Dutzend Fahrten mein Mobiliar durch U-Bahn und Tram geschleppt habe. Mittlerweile, Anfang Mai, galt die Maskenpflicht und die Münchner U-Bahnen waren so leer, wie ich sie nie erlebt habe. Schlecht war das nicht: Selten kann man einmal so bei sich sein. Worüber ich nachdachte? Dass es doch bitte aufhöre, zu regnen, und ich bis zum nächsten Umzug unbedingt meinen Führerschein machen sollte.

Wer umzieht, muss sich ummelden. Wer in der Shutdown-Phase der Corona-Krise umzog, musste sich immer noch ummelden, ging aber natürlich nicht ins Amt. Ich habe eine Mail ans Kreisverwaltungsreferat (KVR) geschrieben. Betreff: „Ummeldung in Zeiten von Corona – Wie?“.  Die Antwort war in einem sachlichen, trockenen Behördendeutsch verfasst. Von Stress und Krise keine Spur. Oder doch? Sie wurde jedenfalls um kurz nach vier Uhr abgeschickt. Morgens. Ich musste meine Unterlagen zum KVR schicken und habe meine Meldebescheinigung bekommen. Antanzen muss ich dennoch irgendwann, der Perso muss geändert werden. Selten habe ich so viel Kulanz seitens der Behörden erlebt.

Zugegeben, umziehen zu können, wenn viele – erst recht viele Studierende – gerade bangen, wie sie über die Runden kommen, ist ein Luxus. Mein Gefühl beziehungsweise meine Bekanntschaften sagen mir allerdings, dass ich nicht der Einzige bin, der einen Umzug in der Krise gemacht hat. Irgendwann werde ich vermutlich auf diese Zeit zurückschauen, lachen, und ja, auch dankbar sein. Dankbar dafür, dass es Trambahnen gibt und ich die Umzugskisten nicht zu Fuß schleppen musste.

 

Dieser Artikel ist Teil unseres Online-Schwerpunkts „Gemeinsam“. Aufgrund der Corona-Krise haben wir uns dazu entschieden, dieses Semester auf eine gedruckte Ausgabe zu verzichten, stattdessen veröffentlichen wir Artikel unter diesem Thema. Die Ausbreitung des Virus hat das Studierendenleben von heute auf morgen verändert: Wie wirkt sich das auf den Uni-Alltag aus? Wie auf Lehre und Leben? Und vor allem: Welche Lösungen im Umgang mit dem Virus werden an Hochschulen gefunden? Mit diesen Fragen beschäftigen wir uns.

Für dich vielleicht ebenfalls interessant...