Die STROKE Art Fair bietet seit 2009 einen offenen Raum für neue und alternative Kunst in München. Dieses Jahr konnten interessierte Künstler*innen und Zuschauer*innen erneut drei Tage lang Kunstwerke bestaunen, besprechen und (ver-)kaufen.
Von Christopher Bertusch
Es ist ein verregneter Montagmorgen, doch die lange Schlange vor der Praterinsel täuscht über das schlechte Wetter hinweg. Im Innenhof der kleinen Insel befinden sich einige Food Trucks, über die Theken werden veganer Leberkäse und Hamburger gereicht. Die Besucher*innen, die hier eintreten, ziehen jedoch vorbei an dem anziehenden Duft des Fast Foods und stürzen sich in die zwei Gebäude daneben, die reichlich Genuss einer anderen Art versprechen.
STROKE: Frisch, neu und anders
Die STROKE ist eine Kunstmesse, die spielerisch die Grenzen zwischen High und Pop Art sowie zwischen den Kunstformen selbst unterwandert und fernab etablierter Galerien Möglichkeiten für neue Künstler*innen bieten möchte. Jede*r Interessierte, ob einzelne*r Künstler*in oder Galerie, etablierter Profi oder Neuankömmling, kann hier eine Ausstellungsfläche mieten. Inhaltlich erheben die Veranstalter keine Vorgaben. Dies erklärt die Fülle an ausgestellten Werken: von der Fotografie, der Malerei und der Zeichnung über zu Modekleidern, Statuen, Metallarbeiten, Glaskunst, Skateboards und Holzdrucken scheint alles vertreten. In einer Ecke präsentieren sich traditionelle Porträts und Landschaftsgemälde, in der nächsten hängen Nonnen-Fotografien des belgischen Künstlers Joël Moens de Hase, die aus dutzenden Abbildungen nackter Hintern bestehen. Kontraste sind explizit erwünscht, Kontroversen erlaubt. Die ausstellenden Künstler*innen stammen aus der Region oder dem Umland, aber auch aus aller Welt, den USA, Großbritannien, Italien oder Kroatien.
Ausgestellt wird in zwei Gebäuden der Praterinsel, die kaum unterschiedlicher sein könnten. Die „Füllhalle“ mitsamt Untergeschoss bietet eine klassisch elegante Ausstellungsfläche. Weiße Säulen erstrecken sich über mehrere hundert Quadratmeter, dazwischen trennen dünne Aufstellwände die Messestände voneinander. Hunderte LEDs erleuchten die ausgestellten Werke. Direkt gegenüber ergibt sich in „Haus 3“ ein anderes Bild. Vorbei an großen Scheunentüren geht es in beengte Räume, deren abgeblätterter Boden, schwarze Wandfarbe und bunt angemalte Rohre mehr an einen Berliner Rave als eine Münchner Kunstmesse erinnern. In manchen Räumen wird die Ausstellung mit der passenden Musik atmosphärisch untermalt.
Kunst und Künstler*innen hautnah
Die STROKE ist kein simpler Spaß der Betrachtung, sondern ein Mitmachevent. Manche der ausgestellten Werke tragen den Slogan „please do disturb“ und dürfen frei angefasst werden. Auch mit den Künstler*innen selbst wird vielfältig interagiert. Wenn man diese nicht gerade in ihre Skizzenhefte vertieft zeichnen sieht, ergeben sich zwischen ihnen und den Besucher*innen belebte Gespräche, Nachfragen, aber auch Verkäufe. Manche Künstler*innen bieten ebenso Live-Sessions an, in denen sie zu bestimmten Zeiten vor dem Publikum malen.
Studenten zählen wohl eher weniger zu den Kunden, die sich an dem heutigen Tag für mehrere tausend Euro ein Original mit nach Hause nehmen, doch auch für den kleineren Geldbeutel ist einiges geboten. Neben kostenlosen Stickern und Postkarten gibt es Kunstkataloge, Comicbücher, T-Shirts, an einem Stand sogar Socken und natürlich auch Drucke zum günstigeren Preis. Diese Drucke sind für Künstler das „Butterbrot“ der heutigen Messe, ein Original zu verkaufen wäre der „Kaviar“ obendrauf, wie Illustrator Julian Opitz es formuliert.
Die Kunstszene selbst zeigt sich begeistert von der Kunstmesse. Der Künstler Robert Richter, der normalerweise in seinem Atelier in Dresden anzutreffen ist, reiste extra nach München, um auf der STROKE auszustellen. Sie ist für ihn der perfekte Platz zum „networken“, wie er betont. Auch für Künstler*innen ohne eigenes Atelier und solche, die es noch werden wollen, bietet die STROKE einen Weg in die Kunstwelt „außerhalb der Münchner Akademieszene“. So beschreibt es Dasha Minkina. Nach einer zehnjährigen Tätigkeit in einem anderen Berufsfeld, widmet sie sich seit 2020 ihrer künstlerischen Karriere. Drei Tage auf einer Messe zu stehen ist für Julian Opitz manchmal etwas anstrengend. Trotzdem sagt er: „Ich würde nie jemand anderen hier hinstellen“. Für ihn ist es bedeutend mitansehen zu können, wie seine Kunst bei den Besucher*innen ankommt.
Schon vergeht der Tag wie im Flug, während die Massen durch die Hallen stoßen, Kunst bestaunt, (ver)kauft, angefasst und eifrig diskutiert wird. Schließlich geht auch der letzte Tag der STROKE zu Ende, aber mit dem Versprechen 2024 mit neuer Besetzung und neuer Energie erneut durchzustarten.