Filmreihe

„Nimona“ – Kämpferin gegen den Faschismus

Die Gestaltwandlerin Nimona kämpft im gleichnamigen Animationsfilm von Regisseur Torquil Jones um Anerkennung. Eine Filmanalyse zu Faschismuskritik und TikTok.

© Netflix, Annapurna Pictures & DNEG

Von Jonas Hey

Der Film beginnt damit, dass die Heldin Gloreth das Böse besiegt und eine neue Gesellschaft gründet. Die Ritter beschützen von nun an das Königreich und eine Mauer wird errichtet, um das Böse auszuschließen. Dieser Gründungsmythos offenbart ein Schwarz-Weiß-Schema von Gut und Böse und erinnert an faschistische Ideologien. Zur Ideologie gehört auch ein Konservatismus, der sich hier im unbedingten Bewahren der Ordnung zeigt. Dagegen verstößt der Protagonist Ballister, der entgegen seiner niederen Herkunft (und möglicherweise seiner Hautfarbe) zum Ritter geschlagen werden soll. Damit würde er in die herrschende Schicht der Ritter aufsteigen, was die Direktorin des Instituts als Antagonistin auf jeden Fall verhindern will. Auch Nimona wird aufgrund der Fähigkeit, sich in verschiedene rote Tiere verwandeln zu können, von der Gesellschaft ausgeschlossen.

Faschismus- und Religionskritik

Der Faschismus zeigt sich in einem ausgeprägten Überwachungsstaat, der mit einem Kameranetz und Gesichtserkennung ausgestattet ist. Diese Überwachung kommt allerdings nur einmal im gesamten Film vor und wird nicht weiter ausgebaut. Zusätzlich scheint der Faschismus in der Darstellung der Figuren durch: Charaktere mit Tiefgang gibt es nur wenige; alle anderen Menschen treten als Masse auf, die staunt, durch die Straßen flaniert oder panisch wegläuft. Keiner von ihnen bekommt eine Persönlichkeit. Man sieht sie nicht bei individuellen Tätigkeiten, sie sind stets eine formbare Masse, die durch Radiodurchsagen kontrolliert wird.

Nach dem Gründungsmythos kommt ein Zeitsprung von 1000 Jahren, der Assoziationen an das von Hitler erhoffte „Tausendjährige Reich” weckt. Allerdings spielt der Autor hier eher auf das biblische „Tausendjährige Königreich” an: Dieses soll nach evangelikaler Bibelauslegung nach der zweiten Ankunft von Jesus bestehen und durch die finale Schlacht von Jesus und Satan enden. Betrachtet man diese Handlungsstränge im Film als Parallelen zu dieser evangelikalen Erzählung, würden das Institut der Ritter und das Königtum für die Herrschaft von Jesus stehen. Nimona wäre dann die Personifikation von Satan, der die Menschheit vernichten will. In der Auflösung des Films wird Nimona zum Monster und opfert sich für die Menschheit. Somit liegt eine Religionskritik vor, denn die Religion schafft hier ein faschistisches Reich, das andersartige Menschen unterdrückt. Wie vieles im Film ist dies allerdings nur grob erkennbar und nicht zu Ende gedacht.

Witz-Gewitter für TikTok

Seltsam am Film ist seine Zweiteilung. Die ersten drei Viertel des Films sind ein Witz-Gewitter. Ein kitschiger Witz folgt auf eine lustige Anspielung, auf situativen Humor und auf einen weiteren Witz. Der Rest des Films ist hingegen bierernst und zeigt, wie Nimona zum Monster wird und schließlich die Stadt rettet. Der Film folgt damit dem Medientrend unserer Zeit. Die Idee des ersten Teils ist es, dass jede einzelne Szene als TikTok, YouTube-Short oder Instagram-Story im Internet geteilt werden kann. Wo andere Animationsfilme alle paar Minuten einen Witz zur Lockerung der Spannung reinbringen, erinnert Nimona eher an eine Soap oder Sitcom, in der das Witz-Feuerwerk das Publikum bei der Stange halten soll. Seit TikTok kommt noch die Zerlegbarkeit der Szenen hinzu. Jede einzelne kann für sich auf Social Media gepostet werden und dadurch die Wahrnehmbarkeit erhöhen. Damit folgt der Film den Regeln des Marketing: Der Film soll keine geschlossene, selbstreferentielle Geschichte mehr erzählen, sondern es geht nur darum, ihn später wieder zerlegen und für das eigene Marketing einsetzen zu können.

„Nimona“ ist eindeutig ein Film über das Anderssein in einer homogenen Gesellschaft. Doch diese Einheit ist nicht alles. Sie eskaliert im Film zu einer faschistischen Gesellschaft, die auf den ersten Blick eher wie ein Märchen-Königreich wirkt. Auf der technischen Seite ist der Film so geschaffen, dass er für die heutigen Medien zerlegbar ist. Dadurch fokussiert sich das Publikum allerdings auf die einzelnen Szenen und übersieht vielleicht die größere Botschaft des Films.

Der Film wurde von Netflix mitproduziert und ist dort als Stream verfügbar.

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