In der Netflix-Doku „14 Gipfel“ will der nepalesische Bergsteiger Nims einen neuen Weltrekord aufstellen: in nur einer Saison alle 14 Achttausender der Welt besteigen. Der Weg dorthin hat alles, was eine Superheldengeschichte braucht.
Von Jonas Hey
Der Dokumentarfilm steigt direkt in die Handlung ein. Nirmal “Nims” Purja wird als starker Anführer gezeigt, der den Annapurna in Nepal mit drei nepalesischen Bergsteigern bezwingt. Alle Aufnahmen am Berg sind von den Bergsteigern selbst gefilmt, wodurch das Publikum immer direkt dabei ist. Außerdem werden von jedem Gipfel wunderschöne Luftaufnahmen gezeigt. Mittels einer Animation erklärt der Erzähler die drei Phasen des Project Possible, in denen erst die nepalesischen, dann die pakistanischen und chinesischen über 8000-Meter hohen Berge bestiegen werden sollen.
Ein waghalsiges Unterfangen. Doch Nims ist nicht vom Himmel gefallen, sondern aus Nepal und ist mit den Bergen aufgewachsen. Als junger Mann träumt er davon, der nepalesisch-britischen Spezialeinheit Gurkha beizutreten, was ihm gelingt. Er wird zum ersten Nicht-Briten, der die Aufnahme in den Special Boat Service, die Spezialeinheit der britischen Marine, schafft. Seine Frau berichtet, wie er ein Jahr lang äußerst hart für sein Projekt trainiert.
Ein Besessener mit Herz
Vor dem Rückblick auf seine Karriere kommt es zu einem Unfall am Annapurna: Ein Mann einer anderen Expeditionsgruppe stürzt und wird zurückgelassen. Doch Nims schleppt ihn bis über die Grenze der Erschöpfung hinweg zurück ins Lager. Er ist nicht nur ein außergewöhnlicher Bergsteiger, sondern auch bereit, sein Leben für andere zu riskieren. In einer weiteren Rückblende geht es um die Finanzierung seines Abenteuers, doch niemand will diesen wahnwitzigen Plan finanzieren, weshalb Nims am Ende eine Hypothek auf sein Haus aufnimmt. Er ist so von seinem Projekt besessen, dass er bereit ist, sich selbst zu ruinieren.
Nach zwei weiteren Bergen geht es zum Mount Everest. Hier kritisiert der Film den Eventtourismus am höchsten Berg der Erde: Aus dem Individualsport der Ära Messner ist ein Massentourismus geworden, was durch die große Anzahl an Zelten im Base Camp und die gefährliche Warteschlange unter dem Gipfel gezeigt wird. Doch unser Held überholt sie alle und besteigt gleich am nächsten Tag die angrenzenden Achttausender Lhotse und Manaslu. Dazu ertönt das mäßige Englisch von Reinhold Messner aus dem Off. Der Gralshüter der Bergwelt ordnet die Leistungen von Nims ein.
Der Mann, der alle Probleme löst
Nach einem Treffen mit seiner schwerkranken Mutter kehrt unser zweifelnder Held zurück in die Berge. Am K2 – dem zweithöchsten Berg der Welt – sind die anderen Expeditionen der Saison am bottle neck (Flaschenhals) – der gefährlichsten Stelle – umkehrt. Daraufhin erscheint Nims im Lager und ebnet wie Moses den Weg, sodass 24 weitere Personen den Gipfel erreichen können. Das Unmögliche macht dieser Mann möglich.
Wie jede klassische Erzählung hat auch diese Geschichte einen Höhepunkt: Nims Mutter erleidet einen Herzinfarkt und ist dem Tod nah. Doch das Wunder geschieht, sie findet zurück ins Leben und gibt Nims ihren Segen weiterzumachen. Mit dieser zusätzlichen Motivation bezwingt er zwei weitere Gipfel. Durch eine Vorausdeutung des Erzählers wurde schon eine notwendige Genehmigung der Chinesen angedeutet und es kommt, wie es kommen muss: Die chinesische Lokalregierung schließt den letzten Berg Shishapangma für weitere Expeditionen in der Saison. Dies ist die finale Herausforderung für den Helden. Eine letzte Hürde, die er nicht durch Muskelkraft besiegen kann. Stattdessen muss er bei der nepalesischen Regierung um Hilfe bitten und auf diplomatischem Weg eine Lösung finden. Nachdem dies gelingt, kann Nims den letzten Berg besteigen.
Er feiert seinen Triumph vor den Fernsehkameras, denn er hat gezeigt, dass auch ein Einheimischer zur Elite der Bergsteiger gehören kann. In diese Freude mischt sich ein bitterer Beigeschmack, da sich westliche Medien nicht für ihn interessieren. Unser Held hat seine eigenen Grenzen überwunden, aber das Weltpublikum versagt ihm die verdiente Anerkennung. Doch diese Doku ermöglicht es Nims, im Nachhinein gesehen zu werden.
Der Dokumentarfilm wurde 2021 von Netflix unter dem Titel „14 Peaks: Nothing Is Impossible“ produziert und ist dort als Stream verfügbar.