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„Neuanfang in der Drogenpolitik“: Ein grünes Wunder

Was wie ein Aprilscherz klingen mag, ist Realität: Pünktlich zum 01.04.2024 trat das Cannabis-Gesetz in Kraft. Was erhoffen sich vor allem junge Leute von dieser politischen Neuausrichtung und was befürchten sie? Münchner Studierende berichten.

Von Elisabeth Fuchs

Wahlkampfthema, Hoffnungsträgerin, Kontroverse – die anhaltende Debatte um eine mögliche Cannabislegalisierung in Deutschland fand am 27.03.2024 ein vorläufiges Ende. Mit dem Eintrag in das Bundesgesetzblatt des Cannabis-Gesetzes (CanG) wurde der Schritt in eine progressivere Drogenpolitik besiegelt. Anbau, Besitz und Konsum des Rauschmittels sind nun unter Vorschriften legal. Damit sollen laut Bundesregierung vor allem drei Ziele erreicht werden: Eindämmung der „organisierten Drogenkriminalität“ sowie Stärkung der „cannabisbezogenen Aufklärung und Prävention“ als auch des Kinder- und Jugendschutzes. Zur Freude der Liebhaber*innen der grünen Pflanze – zur Sorge vieler Skeptiker*innen. Vermag diese Entscheidung das vorläufige Ende eines breit getretenen Konflikts darstellen, so ist jedoch kein Ende einer ganz Deutschland beschäftigenden Diskussion in Sicht.

13 Studierende aus München haben mit philtrat ihre Meinung zur Teil-Legalisierung anonym geteilt und sind sich in der Mehrheit einig: In seiner Grundidee sei das Gesetz zu befürworten. Dabei haben wenige von ihnen schon vor dem Stichtag mindestens einmal Gras konsumiert und nur zwei der Befragten möchte die Droge ab Ostermontag zum ersten Mal ausprobieren. Für die anderen bedeutet die Legalisierung keine Änderung des individuellen Konsumverhaltens. Nur ein Student sieht eindeutig mehr Nachteile in dem Gesetz als Vorteile. Er hat die Sorge, dass „die Jugend sich schon vor der Schule zwei, drei Joints“ reinziehe und man den „Unterricht komplett vergessen kann.“ Sollte der Drogenkonsum steigen, würden die Menschen „noch unzurechnungsfähiger“, alles werde „noch unkontrollierter“. Ähnliches sagt er zur Frage, ob sich der Unialltag nun stark verändern würde. Studierende könnten nun „schon bekifft“ ihren Tag beginnen, sodass man die „Vorlesung eigentlich an den Nagel hängen“ könne.

Unsicherheiten bezüglich einer wirkungsvollen Kontrolle sieht auch eine befragte Studentin. Sie hält es für „unrealistisch“, dass die „Polizei die Regeln zum Gesetz flächendeckend kontrollieren kann“. Konträr zu möglichen negativen Einflüssen auf den Unialltag äußert sich ein zweiter Student.  Er geht davon aus, dass Cannabis diesen positiv beeinflussen werde. Laut ihm führe ein liberaler Drogenkonsum dazu, dass Studierende sich „besser entspannen“ oder „konzentrieren können“. Die anderen Befragten nehmen nur dahingehend eine Veränderung des Unialltags an, als dass „man es mehr mitkriegen wird“ und „Leute, die sonst eher im Verborgenen gekifft haben, es jetzt wahrscheinlich öffentlich tun werden“.

„Ich fühle mich nicht mehr zu Unrecht kriminalisiert“

Es wird schnell deutlich welche Vorteile sich die jungen Leute von dem Gesetz versprechen: Viele hoffen, dass der Konsum nun entkriminalisiert wird, da das Gesetz „der Realität begegnet, dass nicht wenige Menschen diese Substanz konsumieren wollen“. Eine Studentin, die bereits Cannabis geraucht hat, fühle sich „nicht mehr zu Unrecht kriminalisiert“ mit ihrem Wunsch, „ab und zu zu kiffen“. Da sie unter „starken Schmerzen“ während der Periode leide, erhofft sie sich „in Zukunft zumindest an ein bis zwei Tagen“ diese mit „etwas Gras statt schädlichen und zu schwachen Schmerzmitteln lösen zu können“.

Doch nicht nur eine Entkriminalisierung soll das Gesetz mit sich bringen. Daneben vermuten einige der Befragten, dass die Justiz entlastet werden könnte. Laut Aussage eines Studenten müsse diese dann „die Leute, die mit zwei Gramm auf der Straße erwischt wurden, nicht mehr strafrechtlich“ verfolgen. So könne sich die Justiz mit „einflussreicheren Dingen beschäftigen“. Ganz anders sieht das ein Student, der sich „zwiegespalten“ zur Legalisierung positioniert. Seine Kritik bezieht sich vor allem auf die sogenannte „Amnestieregel“. Der Bundesgeschäftsführer der Staatsanwaltschaft, Sven Rebehn erläutert den Begriff in einem Interview mit der Zeit: Die Staatsanwaltschaft müsse nun „alle Strafakten“, die in Verbindung zum bisherigen Betäubungsmittelgesetz stehen, erneut „händisch daraufhin auswerten“, ob diese Delikte nach dem Cannabis-Gesetz „straflos“ seien. Diese Regelung bringe einen enormen Arbeitsaufwand für die Zuständigen, den auch der Student befürchtet. Somit vermutet er das genaue Gegenteil einer Justizentlastung.

Eine Entscheidung der Gegensätze

Eine entsprechende Diskrepanz besteht bei der Frage eines erfolgreichen Kinder- und Jugendschutzes.  Während eine der zuvor zitierten Studentinnen einen „offenen“ Umgang mit Cannabiskonsum gegenüber Kindern und Jugendlichen befürwortet, da viele Jugendliche „so oder so“ kiffen würden, sehen andere Schwierigkeiten bei einer gelungenen Umsetzung. So sei es, ähnlich wie bei Alkohol und Zigaretten, schwierig, Kinder und Jugendliche „fernzuhalten“, wenn Cannabis z.B. „im Haushalt konsumiert wird“. Auch zu möglichen Chancen bezüglich der Eindämmung des Schwarzmarktes äußern die Studierenden teils gegenüberstehende Annahmen. Einige schenken dem Vorhaben der Regierung, diesen „wegzudrängen“ oder zumindest zu kontrollieren, Glauben. Andere befürchten eine Förderung dessen, da nun unter dem „Deckmantel der Legalität“ mehr Drogen nach Deutschland gelangen könnten oder Drogendealer*innen sich „ganz andere Sachen suchen, weil sie ja wieder Geld verdienen müssen.“

„Jetzt gibt es eine saubere Qualität“

Zu mehr Einigkeit finden die Studierenden im Punkt Qualitätsmerkmale der Droge. Da nun mit dem Gesetz die Herstellung des Rauschmittels kontrolliert werden soll, ist davon auszugehen, dass die Substanz für den Konsum keine Verunreinigungen oder Streckungen aufweisen wird. Einer der Befragten muss nun keine „Angst“ mehr haben, dass „man Fentanyl oder so raucht“. Hier ist anzumerken, dass sich die Legalisierung des kommerziellen Vertriebs noch in der Planung befindet.

Viele ziehen in diesem Punkt einen Vergleich zwischen dem Umgang mit Alkohol und dem mit Cannabis, wie es das Gesetz vorsieht. Eine Studentin sagt: „Wenn man Alkohol erlaubt, kann man auch Cannabis erlauben“. Diesen Ansatz legt ein anderer Student noch weiter aus. Laut ihm seien alle „Vorsichtsmaßnahmen“, die das Gesetz vorsieht, „Symbolpolitik“ im Vergleich zum Umgang mit Tabak, Alkohol oder auch giftigen Zimmerpflanzen. Letztere „können ohne Probleme in Kinderzimmern rumstehen“. Bei Alkohol begrenze keiner den Besitz „auf einen Kasten“ und Eltern könnten ihre Kinder weiter „im Auto mit Zigaretten zu qualmen“. Ein weiterer Student würde Gras „ähnlich zu Alkohol vollständig legalisieren“.

Zwischen Erwartungshaltung und eigenen Ideen

So unterschiedlich die Befragten sind, so unterscheiden sie sich auch in ihren Auffassungen zur Teil-Legalisierung von Cannabis – trotz der anfangs genannten Einigkeit in der Grundidee. Selbst wenn eine Mehrheit der Neuerung positiv gegenüber eingestellt ist – am Ende bleibt sie gespannt ist, ob alles kommt, wie erhofft. So bleibt für eine Studentin abzuwarten, ob sich „negative Konsequenzen“ für die in der „Produktionskette“ beteiligten Menschen „im Sinne von Ausbeutung“ ergeben. Für zwei weitere Studenten könnte das Gesetz „deutlich liberaler“ sein oder sind unzufrieden über den „Entstehungsprozess des Gesetzes, v.a. in der Kommunikation“.

Doch die Studierenden formulieren nicht nur Kritik, sondern äußern auch eigene Vorschläge zum Nutzen des „eingesparten Budgets in der Justiz“. So merkt eine Studentin an, man könne dieses in „Suchtprävention“ oder „Bildung ummünzen“. Ebenso würde sie eine spezifische „Steuererhebung“ auf den Verkauf von Cannabis befürworten. Die Einnahmen daraus könnten „wiederum in Suchtprävention und andere soziale Bereiche fließen“.

Abschließend sind sich trotz vieler Gegensätze alle einig: egal, ob sie diese Entwicklung positiv oder negativ bewerten – „Cannabis wird Teil des Studentenlebens wie die Kippe zwischendurch oder das gemeinsame Bier am Abend.“

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