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Hinter der Terrorfassade

Afghanistan kennen viele in Deutschland nur als Kriegsland. Wenn Jamal Farani in Vorträgen über seine Heimat schwärmt, wie neulich im Syndikatshaus in München, zeigt er ihnen ein anderes Bild. Eines, das den Blick auf die schönen Seiten des Landes lenkt.

© Natascia Pirulli

Von Sasa Schumacher

„Wer an Afghanistan denkt, denkt nur an Krieg, Zerstörung, Selbstmordattentäter“, sagt Jamal Farani. Das leise Bedauern, das in diesen Worten mitschwingt, lässt erahnen, dass es ihm darum geht, eine andere, positive Seite seiner Heimat zu zeigen. In seinem Vortrag am 6. Dezember in der Ligsalzstraße 8 in München spricht der gebürtige Afghane deshalb über die landschaftliche Schönheit des Landes, über kulturelle Besonderheiten und über sein Umweltprojekt „Stoff statt Plastik“. Dazu werden afghanische Köstlichkeiten gereicht. Rund 30 Besucher*innen sind gekommen, um ihm zuzuhören. Geladen hatte die Studenteninitiative Weitblick München.

Als Farani im Alter von 22 Jahren seine Heimat verlässt und ins benachbarte Pakistan flüchtet, muss er einen Teil seiner Familie zurücklassen. Schon damals, vor 35 Jahren, sei die Lage in Afghanistan sehr gefährlich gewesen, sagt er. In den frühen 1980er Jahren war Afghanistan ein Schauplatz des Kalten Krieges, die Sowjetunion und die USA kämpften um die Vormachtstellung im Land. Letztlich behielt die Sowjetunion die Oberhand. Mitglieder der Mudschahedin, islamistischer Guerilla-Gruppierungen, wurden von der afghanischen Bevölkerung zunächst als Freiheitskämpfer wahrgenommen, die ihr Heimatland von der Fremdherrschaft befreien wollten.

Letztlich landet Farani in Deutschland, beantragt dort Asyl. Zwei Jahre lang habe es gedauert, bis sein Antrag angenommen worden sei. Er absolviert eine Ausbildung als Elektroingenieur, bekommt nach vielen Absagen schließlich einen Job bei Siemens. In Hamburg lernt er eine Afghanin kennen, seine Frau Ingela. Mit ihr gründet er eine Familie. Heute lebt Farani mit Frau und zwei Kindern in Fürstenfeldbruck.

Berglandschaften und endlose Weiten

Der Bezug zum Heimatland aber bleibt, regelmäßig besucht Farani Afghanistan und seine Familie. Im Frühjahr habe er zum letzten Mal Afghanistan bereist, erzählt Farani – unter großer Vorsicht, da die Lage in den meisten Teilen des Landes sehr ungewiss sei. Er erzählt davon, wie Journalist*innen terrorisiert und ermordet worden seien, weil sie kritisch über die Terrormilizen berichteten. Er erzählt von Angehörigen, die sich voneinander verabschieden würden, wenn sie das Haus verlassen, nicht wissend, ob sie den Tag überleben werden.

© Natascia Pirulli

Farani erzählt auch von seinem Hilfsprojekt „Stoff statt Plastik“, das er dieses Jahr in Afghanistan initiiert hat. Es solle dazu beitragen, die Lage der Menschen vor Ort zu verbessern. In den Märkten in Afghanistan, erzählt er, würden vorrangig Plastiktüten verkauft. Also sei er auf die Idee gekommen, Stofftüten von afghanischen Frauen nähen zu lassen, die auch nicht umweltschädlich seien, und die dann auf den Märkten verkauft werden könnten. Dadurch würde nicht nur die Umwelt geschützt, sondern es würden auch Arbeitsplätze für afghanische Frauen geschaffen.

Die landschaftliche Schönheit seiner Heimat begeistert Farani. Er zeigt Fotos von Berglandschaften, von den endlosen Weiten des Landes. Es sind auch ältere Fotos dabei. Fotos, die entstanden seien, bevor sich der Terror in Afghanistan verbreitet hat. Fotos etwa von dem Dorf, in dem Farani aufgewachsen ist. Die Terrormilizen haben es später größtenteils zerstört. Die Bilder zeigen ein anderes Afghanistan, das in den deutschen Medien selten zu sehen ist.

Die Lage in Afghanistan sei zu ungewiss, um dort ein normales Leben zu führen, sagt Farani. Viele Afghanen würden darum Asyl in verschiedenen Ländern beantragen. Doch es gebe eben auch eine andere, eine schöne Seite. In einer Pause serviert seine Frau Ingela afghanische Köstlichkeiten, zubereitet nach Rezepten aus ihrem eigenen Kochbuch. Die Gäste sind von den Gerichten sichtlich angetan. „Afghanistan“, sagt Jamal Farani, „ist für mich mehr als ein Lebensgefühl“.

Wer das Projekt „Stoff statt Plastik‟ mit einer Spende unterstützen möchte, kann sich bei Weitblick München e.V. unter muenchen@weitblicker.org melden.

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