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„Fußball ist das beste Mittel für eine barrierefreie Gesellschaft“

Die Teilhabe am Sport ist für körperlich Beeinträchtigte schwer. Ein junger Münchner mit eingeschränktem Gehör möchte das ändern. Ein Gespräch über die Bedeutung von Vereinsfarben, Inklusion und den Profifußball.

Simon Ollert spricht dem Fußball-Nachwuchs Mut zu © Fotos: Lloyd Diaz / Sonova

Das Gespräch führte Max Fluder

Simon Ollert hat eine Karriere als Fußballspieler hinter sich und nun den Inklusions-Fußball-Club (IFC) Munich United gegründet – mit nur 22 Jahren. Ollert ist von Geburt an schwerhörig; schon vor dem IFC engagierte er sich in Blinden-Fußballcamps. Die Vereinsfarben des IFC sind gelb-schwarz.

Was Fußball anbelangt, ist München einerseits rot, andererseits blau. Und jetzt durch den IFC United gelb. Hat die Farbwahl eine Bedeutung?
Ja, denn die Stadtfarben von München sind gelb-schwarz. Wir wollten uns klar mit der Stadt identifizieren und zeigen, dass München durch uns für Vielfalt und Toleranz steht. Schubladendenken und Ausgrenzung gehören nicht in eine harmonische Gesellschaft.

Der IFC versteht sich als Klub für Menschen mit und ohne Handicap. Mit „Bei uns steht der Mensch im Mittelgrund“ wirst du zitiert. Wie erreicht ihr das?
Indem wir mehr auf die Menschen zugehen wollen, neue Attraktionen schaffen, den Fußballplatz wieder zu einem familiären Umfeld machen, die Mitgliedsbeiträge so gering wie möglich halten und, ganz wichtig: jedem Menschen eine Chance geben. Der Spaß soll wieder mehr im Vordergrund stehen, der Leistungsgedanke aber auch nicht außer Acht gelassen werden. Zudem ist es gerade im Amateursport wichtig, dass man auf die Spieler zugeht und ihnen hilft, ihren Sport und ihre Leidenschaft so gut es geht auszuführen. Das bedeutet, wir wollen den Spielern, die aus den unterschiedlichsten Berufssparten kommen – vom Student bis zum Schichtarbeiter – auf sie abgestimmte Angebote anbieten.

Hat dir die menschliche Komponente in deiner Laufbahn gefehlt?
In Unterhaching war es noch sehr familiär, aber im Großen und Ganzen muss ich sagen, dass die menschliche Komponente im Fußball leider immer mehr in den Hintergrund gerät und die Spieler nicht mehr so geschätzt werden, wie sie es verdienen. Fußball ist und bleibt ein Sport, bei dem der Mensch glücklich sein sollte. Nur dann kann er seine beste Leistung abrufen.

Bevor Ollert den IFC Munich United gründete, veranstaltete er schon mehrere Fußballcamps für Hörgeschädigte © Fotos: Lloyd Diaz / Sonova

Du selbst hast einen eingeschränkten Gehörsinn. Hast du ein solches Angebot in deiner Jugend vermisst?
Ehrlich gesagt: ja! Ich hatte Glück, dass ich gute Trainer in meinem näheren Umfeld hatte. Aber ohne die wäre es schwer gewesen. Wir möchten in der Zukunft ein Angebot für alle bieten. Der Verein will sich nicht als Inklusionsverein in dem Sinne sehen, sondern als ein Verein, der für alle ein Angebot bieten kann. Inklusion ist nicht das Ziel, Inklusion ist der Weg.

Fühlst du dich mit deinem Engagement genug unterstützt?
Im Moment erfahre ich viel Unterstützung, aber merke, dass es noch viel besser gehen könnte. Ich hoffe, dass es auch mehr Studenten gibt, die nicht nur auf einen Zug mit aufspringen möchten, sondern etwas anschieben und bewegen wollen. Fußball ist Schule des Lebens und das beste Mittel zum Zweck für eine barrierefreie Gesellschaft.

„Wir sind ein Verein, der für alle ein Angebot bieten kann. Inklusion ist nicht das Ziel, Inklusion ist der Weg“

Mit dem Fußballcamp für Gehörlose warst du auch schon global aktiv. Welche Erfahrungen nimmst du von diesen Reisen mit?
Es sind wahnsinnig tolle Erfahrungen, die ich da gesammelt habe, und ich werde die vielen Umarmungen der Eltern und das Lachen der Kinder nie mehr vergessen. Diese Ereignisse bringen einen dazu, stets zu wissen, dass man mit diesem Projekt so viel bewegen kann und dass es nicht immer nur Geld bedarf, um glücklich zu sein.

Eine Karriere als professioneller Fußballspieler hast du hinter dir. Vermisst du das Spiel?
So wie sich der Fußball entwickelt, bin ich froh, nicht mehr Teil des professionellen Geschäfts zu sein. Da arbeite ich lieber mit Kindern und spiele für meinen Verein mit Herzen und Leidenschaft. Das ist der Fußball, den ich liebe und mit dem ich aufgewachsen bin. Ich will mit dem IFC wieder back to the roots und das Spiel wieder zu einem Volkssport machen, der die Massen elektrisiert.

In der Saison 2020/2021 soll es losgehen. Mit welchen Gefühlen blickst du in die Zukunft?
Ich freue mich sehr auf die Zukunft, auch wenn ich weiß, dass es nicht einfach wird. Aber ich weiß schon jetzt: Mit diesem Projekt kann ich nur gewinnen. Ich liebe den Fußball einfach zu sehr, um mich abzuwenden. Aber ich will auch den Kindern in der Zukunft neue Möglichkeiten bieten und ihnen Türen öffnen.

Ein Spiel verbindet: Fußball begeistert Kinder in der ganzen Welt

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