Rezension

„Fantastische LMU“ – Monster in der Universität

Wer an die Uni denkt, denkt vielleicht an vollgepackte Vorlesungssäle, Abgabefristen, Klausurenstress und einschläfernde Lektüren. Die Anthologie „Fantastische LMU“ zeigt, dass sich hinter der alltäglichen Fassade fantasievolle Weiten erstrecken können.

Das Cover von „Fantastische LMU“. ©Hybrid Verlag

Von Christopher Bertusch

Insgesamt 12 Kurzgeschichten beinhaltet die „Fantastische LMU“. Entstanden ist das Projekt aus der Feder sechs Student*innen der LMU: Julia Dörner, Natascha N. Druschba, Zsófia Meggyesi, Xenia Taufertshöfer, Petra Teichert und Nikodem Skrobisz. Sie lernten sich im „Kreativ Schreiben!“-Workshop des Schreibzentrums kennen, welcher jedes Semester angeboten wird. Im Rahmen dessen trafen sie sich jeden Freitag, um an ihren Schreibkünsten zu feilen und das ausgerechnet in der Anatomischen Anstalt der LMU. Dass sie sich ihre Räumlichkeiten mit medizinischen Apparaturen teilen mussten, beflügelte wohl ihre Fantasie, denn die sechs Autor*innen legen mit „Fantastische LMU“ eine Fantasy-Anthologie vor, die vor allem für Genrefans interessant ist: Dark Academia und Urban Fantasy treffen hier auf die Vorlesungssäle der LMU. 

„Was auch immer das hier war, die LMU war es ganz sicher nicht.“ 

Alltäglich beginnen die meisten Geschichten und präsentieren bekannte Orte und Namen der LMU: Der Nord- und Lichthof, der Uni-Ball oder der Müllgang, in dem aus unerklärlichen Gründen die Philosophie-Fachschaft steht. Die Protagonist*innen wirken ebenso vertraut. Sie sind Jugendliche, die durch die Meute des Sommerfests torkeln, Dauerstudent*innen, die ihre Lebensentscheidungen vor sich hinschieben oder Student*innen, die sich Sorgen um die nächste Klausur oder den baldigen Job machen. Als „Seelenmedizin“ gegen den Herzschmerz wirken Alkohol und Zigaretten und mehr als einmal wird eine Vorlesung verschlafen. Schon bald wird dieser bekannte Uni-Alltag jedoch wahnsinnig fantastisch. Während eines Vorlesungs-Nickerchens sieht sich ein Student einer Armee an Spinnen ausgesetzt, zwei Monsterjäger aus einer parallelen Welt crashen in den Lichthof und die falsche Raumwahl führt zu einem Treffen mit einem blutrünstigen Forscher. 

Die fantastischen Gestalten, die hier auf die Bühne gebeten werden, erinnern an Märchen und Mythologie. Es sind Zwerge und Gnome, die sich in der Bibliothek vor neugierigen Menschenaugen verstecken, monströse Spinnen, die alles in ihrem Weg verschlingen, Götter, die Sterbliche in ihr Reich einladen oder Vampire, die ihren Opfern Blut und Wissen aussaugen. Trotz bekannter Schemata zeugt die Anthologie aber von der Kreativität der Autor*innen, insbesondere was ihre Faszination mit dem Blutigen, Makabren und Furchterregenden angeht. Die LMU, mit ihren altertümlichen Gebäuden und langer Tradition eignet sich scheinbar perfekt für das Gruselige und Fantastische. In ihren Mauern verstecken sich verborgene Geschichten und in manchen dunklen Forschungssälen erwartet man beinahe verrückte Wissenschaftler wie Viktor Frankenstein. Universitäten sind Orte des Wissens, ein Wissen, welches zu besitzen nicht immer ungefährlich erscheint. Die „Fantastische LMU“ ist aber keine reine Schauerliteratur, sondern bietet ebenso überzeugend Action, Fantasy und Humor: In der Geschichte „Das Metaethik-Reptil“ sieht sich der Ich-Erzähler mit einem Forschungsassistenz-Krokodil konfrontiert, das ihm das Bein abbeißt.

„Unserer Vernunft sind Grenzen gesetzt.“ 

Faszinierender als die Gruselgestalten, die hier eindrücklich in Szene gesetzt werden, sind die Grundthemen von Wissenschaft, Forschung und Lehre, die an ihnen diskutiert werden. Behandelt werden die Grenzen und Gefahren der Wissenschaft und die Frage, was diese überhaupt in Krisenzeiten bewirken kann, die Gegenüberstellung von Theorie und (blutiger) Praxis, die Kosten gefährlicher Ambitionen und die Suche nach der Inspiration, dem Sinn des Lebens und/oder Studierens. Dass diese Themen von bluttriefenden Vampiren, Göttern und sprechenden Statuen thematisiert werden, rundet das Lesevergnügen noch ab.

Statt dem Klausurenstress, jagen einen riesige Spinnen durch die fantastische LMU und doch spiegeln sich in den Abenteuern ihrer Figuren vertraute Sorgen und Ängste wider. Ihre Geschichten sind spannend, erschreckend, belustigend und eigenen sich wunderbar für die Lektüre zum Anfang des Wintersemesters. Nicht nur, weil der Schnee selbst in vielen der Geschichten auftritt, sondern weil man nach dem Lesen die Universität mit neuen Augen bestaunen wird. 

„Fantastische LMU“ ist für 15,90 EUR im stationären Buchhandel und bei zahlreichen Online-Händlern erhältlich. Für 5,49 EUR kann es als E-Book auf der Webseite des Hybrid-Verlags erworben werden. 

ISBN 978-3-96741-221-5

Für dich vielleicht ebenfalls interessant...