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Falsche Prioritäten?

Darf ich Zukunftsängste haben, auch wenn mein Job im Moment sicher ist? Bin ich egoistisch, wenn ich daran denke, wie es MIR im Post-Corona-Arbeitsmarkt gehen wird? Diese Fragen stellt sich unsere Autorin seit Beginn der Pandemie.

Frei von Sorgen – Momentaufnahme in Ecuador, Baños © Foto: Tamara Spannruft

Von Tamara Spannruft

Diesen März war ich noch bei meiner Familie in Ecuador zu Besuch und hatte eine Vorstellung von meiner Zukunft. Corona war noch kein wirkliches Thema zu diesem Zeitpunkt. Zumindest nicht, als ich hingeflogen bin. Doch dann überrollte uns alle der Virus und mein Rückflug wurde abgesagt. Der Urlaub war gefühlt zu Ende und ich begann mir Sorgen um meine Werkstudierenden-Stelle zu machen. Nachrichten von Kommilliton*innen, denen bereits gekündigt wurde, machten die Nervosität nicht besser.

Home-Office, doch die Angst bleibt

Glücklicherweise war das bei mir nicht der Fall und ich konnte nach mehreren Tagen und Stunden in der Telefonwarteschlange von KLM ein etwas befremdliches Flugzeugabenteuer antreten.  Nach zwei Wochen Selbstquarantäne konnte ich dann endlich im Home-Office starten. Doch hier angekommen fingen meine eigentlichen Sorgen an, die ich bisher verdrängt hatte. Zwar habe ich ein festes Einkommen durch meine Werkstudierendenstelle und muss mir bis Januar erstmal keine Gedanken um einen neuen Arbeitsplatz machen, dennoch plagen mich Zukunftsängste.

Meine Studienzeit hat sich durch Corona nicht verschoben, Geldsorgen habe ich zum Glück aktuell auch keine und noch dazu habe ich einen günstigen Wohnheimsplatz mitten in München. Wieso beschwere ich mich überhaupt?! Tja, ich hatte eine genaue Vorstellung von meiner Zukunft nach dem Studium. Nun ist fast alles in der Schwebe. Durch unnötigen Druck auf mich selbst steigere ich mich außerdem in Dinge rein, die vielleicht gar nicht so schlimm sind. Immerhin habe ich noch eine Arbeitsstelle, ein Dach überm Kopf, bin gesund und jung. Aber ich bin in dieser Hinsicht vielleicht auch etwas egoistisch und denke nur an mich und welche Folgen Corona für MICH hat. Ich denke an die schwindenden Übernahmechancen bei meiner aktuellen Werkstudierendenstelle, an den zukünftigen Arbeitsmarkt, den Wohnungsmarkt… an viel zu viele Märkte einfach, die auch ohne Pandemie überlaufen genug sind.

Mein zukünftiger Arbeitgeber, eine Illusion?

Und woanders bewerben? Eine Möglichkeit. Aber ich denke es gibt, vor allem in einem sowieso schon durch die Pandemie angespannten Arbeitsmarkt, immer bessere Arbeitnehmer*innen als ich. Und und und – 1000 Gründe fallen mir ein, warum ein*e andere*r den Job eher bekommen würde als ich. Wie soll ich mich nur durchsetzen und von mir überzeugen, wenn nicht mal ich von mir überzeugt bin?! Das Ganze setzt mich so sehr unter Stress, dass ich, statt an meiner Masterarbeit zu sitzen, lieber google, wie ich meine kommenden Bewerbungsgespräche am besten meistere und Jobportale nach Stellen durchfroste, auf die ich mich sowieso noch nicht bewerben kann.

Auch bei einem einfachen Spaziergang oder auf dem Weg zum Einkaufen gehen mir diese Gedanken nicht aus dem Kopf. Sie begleiten mich jeden Tag und sind nun Teil meines Alltags geworden; meine neuen Alltagssorgen, denen ich leider zu viel Aufmerksamkeit schenke. Die Masterarbeit sollte jetzt mein größtes Sorgenkind sein. Aber ich weiß nicht, wie ich meine Zukunftsängste „vergessen“ kann, da man ständig an den Virus und seine Folgen erinnert wird. Covid-19 ist leider Teil meiner Lebenswelt geworden und wird diese auch weiterhin prägen.

 

Dieser Artikel ist Teil unseres Online-Schwerpunkts „Gemeinsam“. Aufgrund der Corona-Krise haben wir uns dazu entschieden, dieses Semester auf eine gedruckte Ausgabe zu verzichten, stattdessen veröffentlichen wir Artikel unter diesem Thema. Die Ausbreitung des Virus hat das Studierendenleben von heute auf morgen verändert: Wie wirkt sich das auf den Uni-Alltag aus? Wie auf Lehre und Leben? Und vor allem: Welche Lösungen im Umgang mit dem Virus werden an Hochschulen gefunden? Mit diesen Fragen beschäftigen wir uns.

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