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Befreite Hochschule oder Präsidialdiktatur?

Die bayerische Regierung plant eine Reform des Hochschulgesetzes. Was von den Plänen bisher veröffentlicht wurde, hat unter Dozierenden und Studierenden für einigen Wirbel gesorgt und viel Kritik hervorgerufen. Worum geht es genau?

Am 1. Dezember demonstrierten mehrere hundert Leute gegen die Reform des Hochschulgesetzes. © Foto: Max Fluder

Von Moritz Richter

Es ist ein grauer Dezembertag, die Temperaturen liegen knapp über null und Schneeregen tröpfelt vom Himmel. Wer sich bei solchem Wetter freiwillig auf den Odeonsplatz stellt und demonstrieren geht, dem muss sein Anliegen schon wirklich wichtig sein. Dennoch haben sich vor der Feldherrnhalle über hundert Menschen versammelt, natürlich mit Maske und genügend Abstand zu anderen Demonstrierenden. Aufgerufen zu der Demonstration hat die Initiative Geistes- und Sozialwissenschaften, die sich gegen die geplante Hochschulreform der bayerischen Staatsregierung ausspricht. Sie befürchtet durch das neue Hochschulgesetz Nachteile für ihre Fächergruppen und sieht deren Existenz an bayerischen Universitäten langfristig gefährdet. 

Allein ist sie bei weitem nicht mit ihren Bedenken. Eine Gegenpetition zum Hochschulgesetz haben mittlerweile schon knapp 7.000 Menschen unterschrieben, ein Brandbrief der Professor*innenschaft zählt schon weit über 900 unterstützende Professor*innen. Zudem kursieren mehrere kritische Stellungnahmen von Hochschulangehörigen verschiedener Universitäten, die Landes-Asten-Konferenz (LAK) hat zusammen mit dem Landesverband Wissenschaftler in Bayern (LWB) sogar schon ein eigenes Positionspapier mit Gegenvorschlägen für die Hochschulreform veröffentlicht. 

Ärger im Vorfeld

Die Aufregung ist groß, dabei liegt zu dem geplanten Hochschulgesetz noch nicht mal ein erster Gesetzesentwurf aus dem bayerischen Wissenschaftsministerium vor. Die Kritik bezieht sich vor allem auf ein 20-seitiges Eckpunktepapier, das im Oktober diesen Jahres nach einer Sachverständigenanhörung im Bayerischen Landtag veröffentlicht wurde. Schon der Umgang des Wissenschaftsministeriums mit diesem Dokument sorgte für Ärger. Denn bis zur Anhörung waren selbst unter den eingeladenen Expert*innen teils verschiedene Versionen des Papiers im Umlauf, von denen aber keine offiziell bestätigt war. Erst nachdem daraufhin der Vorwurf der Intransparenz laut wurde, entschied man sich für eine Veröffentlichung.

Große Pläne

Als Ziele der Hochschulreform werden gleich zu Beginn des Eckpunktepapiers „größtmögliche Freiheit für und in den Hochschulen“ sowie „maximale Verschlankung und Deregulierung“ ausgegeben. Zentral für die Umsetzung dieser Ziele ist die neu vorgesehene Möglichkeit für Hochschulen, zu reinen Personalkörperschaften des öffentlichen Rechts zu werden. Durch eine solche Umwandlung hätte der Staat nur noch die Rechtsaufsicht über die Hochschulen inne, ansonsten könnten die Hochschulen über ihr Budget, Bauvorhaben oder neue Stellenbesetzungen frei entscheiden. Die Finanzierung der Hochschulen würde dann nur noch über Zielvereinbarungen der Hochschulen mit dem Staat geregelt werden, die Hochschulen wären alleiniger Dienstherr aller Beschäftigten und erhielten zudem wieder umfassende Gebührenerhebungsmöglichkeiten. Gleichzeitig soll jeder Hochschulrat über die eigene Organisationssatzung entscheiden. Ob in Zukunft also Senate, Fakultäten oder auch eine Studierendenvertretung existieren und wie viel Mitbestimmungsrechte sie bei bestimmten Entscheidungen haben, wird somit jeder Hochschule selbst überlassen. Zudem sieht das Eckpunktepapier umfangreiche neue Möglichkeiten für Hochschulen vor, unternehmerisch tätig zu werden und so leichter mit der Wirtschaft zu kooperieren. Vorgesehen ist unter anderem die Nutzung von Hochschulressourcen für Unternehmensgründungen. Darüber hinaus sollen die Hochschulen schließlich selbst über die Gewichtung ihrer Lehrkapazitäten auf die verschiedenen Fächer entscheiden können und das alleinige Berufungsrecht für neue Professor*innen erhalten. Auch die gesetzliche Verankerung eines Landesstudierendenbeirats, der aus Vertreter*innen aller Studierendenvertretungen besteht, ist angedacht. 

Gefährdete Existenz

Genauso lang wie die Liste der anstehenden Änderungen im bayrischen Hochschulwesen ist auch die Liste der Kritikpunkte der Gegner*innen der Hochschulreform. Eine der größten Sorgen ist dabei der neue Fokus auf den Transfer in die Wirtschaft und die unternehmerische Betätigung der Hochschulen. „Es gibt große Bedenken, dass dadurch die Lehre als eine Hauptsäule der Uni nicht mehr ausreichend gefördert wird und in Zukunft an Qualität verliert“, sagt José Martínez, Geschäftsführer der Studierendenvertretung der LMU. Dazu kommt, dass insbesondere in den Geistes- und Sozialwissenschaften starke Befürchtungen bestehen, dass man sich bei den Zielvereinbarungen zur Finanzierung der Hochschulen zukünftig hauptsächlich an quantitativ messbarem Output und umstrittenen Indizes orientieren wird. Da sich die wissenschaftlichen Ergebnisse dieser Fächergruppen so kaum abbilden lassen und hier naturgemäß auch weniger Drittmittel angeworben werden, sehen gerade viele kleinere Fächer ihre langfristige Existenz gefährdet. Und auch die Möglichkeiten für Unternehmensgründungen und Start-Up-Förderung, die für manche Studiengänge durchaus sinnvoll sein können, haben ihre Schattenseiten. So merkt Maximilian Frank, Sprecher der LAK Bayern, an: „Man muss sich auch klarmachen, dass sind ja Steuergelder, mit denen die Hochschulen arbeiten. Und am Ende partizipieren die Hochschulen eben nicht nur am Erfolg und Gewinn, sondern auch, wenn es dann mal schiefgeht.“ 

Autoritatives Durchregieren

Der zweite große Kritikpunkt, der aktuell für viel Diskussionsstoff an den Universitäten sorgt, betrifft die abzusehende Machtfülle der Hochschulleitung. Durch die geplante Freiheit bei der internen Gremienstruktur der Hochschulen ist nicht mehr gewährleistet, dass Studierende, Angehörige des Mittelbaus oder auch die Professor*innen bei wichtigen Entscheidungen über die Hochschule künftig noch irgendein Mitbestimmungsrecht haben. Manche Kritiker*innen warnen deswegen schon vor einer „Präsidialdiktatur“, der Vorsitzende des Landesverbandes Bayern im Deutschen Hochschulverband bezeichnete die Pläne als „modern aufgehübschtes Führerprinzip“. Auch der Brandbrief der Professor*innen sieht „die Gefahr eines autoritativen Durchregierens“, wenn die Gremienstruktur allein nach den Vorstellungen des Präsidiums gestaltet wird. José Martínez sagt: „Und selbst wenn die formelle Gremienstruktur genauso beibehalten wird, ist es fraglich, wie viel Einfluss und auch Informationen man dann tatsächlich als Mitglied eines Gremiums zukünftig noch zugesprochen bekommt.“ Die LAK Bayern spricht sich deswegen in ihrem Positionspapier für einen paritätisch besetzten Hochschulkonvent aus, der über die Organisationssatzung demokratisch entscheiden und aus allen Statusgruppen der Hochschule bestehen soll. 

Kritik und Ungewissheit

Auf starken Widerstand stoßen vor allem auf Studierendenseite auch die neuen Möglichkeiten zur Gebührenerhebung, die insbesondere Nicht-EU-Studierende treffen könnten. Bemängelt wird zudem aber auch, was in dem Eckpunktepapier nur angedeutet oder überhaupt nicht angegangen wird. So werden beispielsweise keine Vorschläge gemacht, wie man der oft kritisierten Masse an befristeten Verträgen im Mittelbau beikommen könnte. Zu den lange von Studierendenseite eingeforderten Punkten Nachhaltigkeit und Gleichstellung finden sich zwar Abschnitte im Eckpunktepapier, jedoch nur sehr allgemein gehalten und ohne konkrete Regelungen. Die Einrichtung eines Landesstudierendenbeirats wird zwar auch von der LAK Bayern grundsätzlich begrüßt, allerdings betont Anna-Maria Trinkgeld, Sprecherin der LAK Bayern: „Die Umsetzung im Eckpunktepapier wird den Wünschen der Studierendenvertretungen an den Hochschulen nach einem Landesverband bisher noch nicht gerecht.“ Insbesondere die strikte Regulierung der Zusammensetzung und die sehr eingeschränkten Mitbestimmungsrechte seien noch verbesserungswürdig.

Ein wenig Wirkung scheinen die vielen Kritiker*innen aber auch schon erreicht zu haben. So soll die Umwandlung der Hochschulen in reine Personalkörperschaften nun nicht mehr zwingend der Regelfall werden, außerdem bleibe laut Wissenschaftsminister Sibler (CSU) der Freistaat auch entgegen dem Eckpunktepapier Dienstherr der Beamten an den Hochschulen. Wie der Gesetzesentwurf, der voraussichtlich in den ersten Monaten des neuen Jahres erscheinen soll, am Ende also wirklich aussehen wird, bleibt weiterhin spannend. Für genügend Diskussionsstoff in den Hochschulen ist auf jeden Fall gesorgt.

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