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Bedenklicher Beitrag zum Klimaschutz

Warum die Forderung, wegen des Klimas weniger Kinder zu bekommen, zu weit geht. Ein Kommentar.

Kind auf einer Wiese (Symbolbild)

Von Thomas Lipsky

Klimaaktivist*innen fordern uns nicht nur auf, unsere Treibhausemissionen zu verringern, sondern weisen uns auch darauf hin, welche Maßnahmen wir konkret ergreifen sollen. Neben angemessenen Forderungen nach weniger Fleisch- und Kleidungskonsum sowie einer klimaschonenderen Verkehrsnutzung tritt immer wieder das Argument auf, doch weniger Kinder zu bekommen. Die Vertreter*innen stützen sich unter #birthstrike unter anderem auf eine schwedische Studie aus dem Jahr 2017.

Der menschengemachte Klimawandel beruht auf Emissionen. Wenn es weniger, beziehungsweise nicht mehr Menschen auf der Welt gibt, dann wird auch weniger konsumiert, weniger geflogen und somit weniger Treibhausgas emittiert so die Rechnung. In Summe würde jedes Kind, das nicht geboren wird, eine Verringerung der Erdbevölkerung und somit eine Verringerung der Treibhausemissionen bedeuten.

Problem: Ein Mensch wird gegen seine Emissionen aufgewogen

Zu allererst unterliegt diese Argumentation ethischen Bedenken. Mit der Entscheidung, kein Kind zu bekommen, empfehlen die Klimaaktivist*innen Maßnahmen in einem sehr persönlichen Lebensbereich. Die Entscheidung, ein Kind zu bekommen, betrifft die langfristige Lebensplanung. Nun mag auch die langfristige Lebensplanung einer Naturverträglichkeitsprüfung unterliegen.

Allerdings ist damit auch das Leben eines zukünftigen Menschen betroffen. Einen Menschen nur deswegen nicht zu zeugen, weil dieser einmal Treibhausemissionen hervorrufen könnte, stellt diesen in seiner Menschenwürde in Frage. Pauschal wird die Auswirkung seiner Treibhausemissionen höher gewichtet als sein zukünftiges Leben. Dies wiegt umso schwerer, als die Menge des Treibhausgases, das dieser Mensch verbrauchen wird, nicht sicher abzuschätzen ist.

Im Gegenteil kann das Handeln eines einzelnen Menschen, der sich für den Klimaschutz einsetzt, eine positive Auswirkung auf die Senkung von Treibhausemissionen haben. Und dies wiegt umso schwerer, als der Grund für diesen Ausschluss vom Leben die eigene Klimasünde ist. Das Argument ist überdies widersprüchlich: Der Grund für umweltschützende Maßnahmen ist zumindest auch, dass einer zukünftigen Generation ein lebenswerter Planet überlassen wird. Wer keine Kinder zeugt, überlässt den Planeten aber niemandem.

Für wen den Planeten retten, wenn nicht für die Kinder?

Klimaaktivist*innen stehen häufig dem Vorwurf gegenüber, Konsument*innen zu viel Verantwortung aufzuhalsen. Dass zur Tierzucht Nahrungsmittel verwendet werden, die auf Regenwaldgebiet angebaut werden, dass Kleidung vor dem Verkauf um die halbe Welt geschickt werde, das wolle doch die Konsument*in nicht. Und das Flugzeug fliege doch auch ohne die einzelne*n Konsument*in. Es sei Sache der Regulierungsbehörden, diese Konsumangebote einzuschränken. Kern der These: Die individuelle Nachfrage nach Rinderfleisch erhöht die Treibhausgasmenge nur mittelbar, nämlich durch eine zukünftig vermehrte Züchtung von Rindern; die wiederum mehr Soja verspeisen, das auf einer größeren Urwaldfläche angebaut wird; für das wiederum mehr Urwald abgeholzt wird, der mehr Kohlenstoffdioxid aus der Atmosphäre in klimaneutralen Sauerstoff umwandeln würde.

Umso mittelbarer sind allerdings die Auswirkungen eines Kindes auf den Treibhauseffekt. Hier steht nicht eine jahrhundertelange Industriepraxis, sondern stehen hunderte kleine Konsumscheidungen eines individuellen Menschen zwischen Ursache und Wirkung.

Man kann nur hoffen, dass sich wenige Klimaaktivist*innen mit diesem Argument, das berechtigterweise auf ein dumpfes Bauchgefühl trifft, ins eigene Bein schießen. Nach dem IPCC Sonderbericht von 2018 muss zur Erreichung des Klimaziels von nur 1,5 Grad Erwärmung im Vergleich zu vorindustrieller Zeit eine Absenkung der CO2-Emissionen auf Null bis spätestens 2050 erfolgen. Gerade jetzt sollte sich auf die vermittelbaren und vertretbaren Empfehlungen zur Reduzierung der Treibhausemissionen beschränkt werden.

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