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Wahlkampf à la Taylor Swift

Nach dem Erfolg der Demokraten bei den amerikanischen ‚Halbzeitwahlen‘ im November kann US-Präsident Donald Trump nun nicht mehr uneingeschränkt regieren. Der USA-Experte Andreas Etges über Trump-Fans an Unis, das Politikinteresse der Studierenden dies- und jenseits des Atlantiks und das Mobilisierungspotenzial von Prominenten.

Taylor Swift (l.) und ihre Mutter unterstützen den demokratischen Senatskandidaten für den US-Bundesstaat Tennessee, Phil Bredesen (Screenshot: Instagram)

Das Gespräch führte Sasa Schumacher

Herr Etges, vor den amerikanischen ‚Halbzeitwahlen‘ im November haben Prominente wie Taylor Swift für die Demokraten und Kanye West für die Republikaner mit ihren Aktionen im Wahlkampf mitgemischt. Können populäre Persönlichkeiten den Ausgang einer Wahl beeinflussen?
Das kann man natürlich kaum messen. Kanye West hat sich übrigens kurz vor der Wahl von Trump abgesetzt, aber diese Pressekonferenz oder Pressemitteilung vom Oval Office ist schon prominent durch die Welt gegangen. Zu Taylor Swift: Eine, die sich politisch klar positioniert, aber ein Publikum hat – also Käufer*innen von Musik oder Konzerttickets – setzt sich unter anderem Boykottaufrufen oder anderen aus. Taylor Swift bedient eben mit ihrer Musik auch viele konservative Leute, auch im republikanischen Süden der USA.

Die Midterms in den USA finden zwei Jahre nach den Präsidentschaftswahlen statt, also zur ‚Halbzeit‘ der vierjährigen Amtszeit des jeweiligen Präsidenten. Es werden das gesamte Repräsentantenhaus, ein Drittel der 100 Senator*innen sowie einige Gouverneur*innen gewählt. Bei den Midterms 2018 gab es einen klaren Erfolg der Democrats im Repräsentantenhaus.

Und wie steht es nun um den Einfluss auf das Wahlverhalten?
Bei Taylor Swift hatte es anscheinend den Einfluss, dass deutlich mehr junge Leute herausfinden wollten: Wie kann ich mich registrieren lassen? Nicht nur in Tennessee, aber vor allem da. Man kann einen relativ klaren statistischen Beleg finden, dass ihre Äußerung zumindest in dieser Frage einen Unterschied gemacht hat. In Amerika ist man nicht direkt für die Wahl registriert wie in Deutschland. Man muss sich registrieren lassen und viele junge Leute sind nicht registriert. Der Kandidat der Demokraten in Tennessee, den sie unterstützt hat, hat dennoch nicht gewonnen. Das liegt auch daran, dass es ein sehr konservativer Staat ist.

Also hat die Aktion eigentlich nichts gebracht.
Wie viele jungen Menschen dann überhaupt zur Wahl gegangen sind, auch zusätzlich auf Grund ihres Aufrufs, und welche von denen dann tatsächlich auch demokratisch gewählt haben, das kann man quasi kaum messen. Aber immerhin: Dass jemand wie Taylor Swift sich klar politisch positioniert, ist dann doch ein ganz gutes Zeichen. Dass sie die Menschen dazu aufruft: Lasst euch registrieren, geht wählen, nehmt dieses Recht ernst. Das ist wichtig, egal ob sie will, dass die Demokraten gewählt werden.

Kanye West umarmt US-Präsident Donald Trump bei einem Pressestatement im Oval Office (Screenshot: Instagram)

Denken Sie, dass in Deutschland eine ähnliche Beziehung von Prominenten und der Meinungsbildung der Wähler*innen entstehen kann?
Bei uns ist die Wahlbeteiligung deutlich höher, auch bei jungen Leuten, und wir sind automatisch registriert. Bei uns gibt es aber auch ein Stück weit eine Wahlmüdigkeit, die Wahlbeteiligung geht ebenfalls runter. Wir haben Koalitionsregierungen, wir können kleine Parteien wählen, die im Parlament vertreten sind, wenn sie über fünf Prozent kommen. In den USA kann es ja sein – gerade in einem seit Jahrzenten republikanisch dominierten Staat wie Tennessee – dass Sie jedes Mal zur Wahl gehen können, ihre Stimme aber verloren ist, weil immer nur derjenige gewinnt, der die relativ meisten Stimmen hat. Es gibt keine Landeslisten oder Ähnliches.

Was bedeutet das für Oppositionelle?
Das heißt, viele Leute, die vielleicht auch anderer Meinung sind als die herrschende Politik, gehen gar nicht wählen, weil ihre Stimme sowieso vergeben ist und keinen Unterschied macht. Bei uns macht es für viele Leute hier mehr Sinn wählen zu gehen: Alle sind registriert, es gibt Koalitionsregierungen und auch kleine Parteien können ins Parlament einziehen. Deswegen würde eine prominente Figur hier nicht so einen Effekt haben wie in den USA.

Andreas Etges © ist Historiker am Amerika-Institut der LMU. Schwerpunkte sind unter anderem aktuelle Entwicklungen in den USA und die transatlantischen Beziehungen

An deutschen Unis wird derzeit viel über die politischen Ereignisse diskutiert. Wie groß ist das Politikinteresse bei US-amerikanischen Studierenden?
Wenn man sich nur die Wahlbeteiligung anschaut, käme man zu dem Schluss, Studierende in den USA seien unpolitischer, aber ich bin ja schon auf die vielfältigen Gründe für die niedrigere Wahlbeteiligung eingegangen. Die Beteiligung bei Wahlen für Studentenparlamente sind wohl in beiden Ländern eher gering. Aber man muss differenzieren: In den USA und bei uns gibt es viele engagierte und viele eher passive Studenten. Noch weit mehr als bei uns sind bestimmte Teile des Landes und damit oft auch die Studierenden sehr konservativ. Andererseits herrscht an den meisten Universitäten ein weit offeneres, liberales Klima und sie sind Zentren sozialer Bewegungen.

Gibt es auch Trump-Fans an den Unis?
Unter jungen Leuten ist Trump sehr unpopulär. Und er produziert fast täglich Schlagzeilen, über die man trefflich reden und streiten kann. Da geht es um Dinge, die möglicherweise für das eigene Leben von großer Bedeutung sind, wie etwa die Ernennung konservativer Richter, die Abtreibungsfrage, Änderungen in der Umweltpolitik und Einschränkungen bei Obamacare.

Sind Studierende in Deutschland politisch aktiver, zum Beispiel als Mitglieder in Organisationen oder in jungen Fraktion der Parteien?
Das kann man so pauschal nicht sagen. In amerikanischen Wahlkämpfen engagieren sich sicherlich deutlich mehr Studenten als bei uns, gehen zu Hunderten und Tausenden zu Wahlkampfveranstaltungen, die oftmals auch in den Universitätsstädten stattfinden, sammeln Geld, werben für Kandidaten und Kandidatinnen. Viele engagieren sich in der Umweltbewegung, fordern schärfere Waffengesetze usw. Und es sind auch zahlreiche jüngere Abgeordnete ins Repräsentantenhaus gewählt worden. Da das Land politisch, kulturell und ideologisch so stark gespalten ist, fällt es auf beiden Seiten des politischen Spektrums zudem einfacher den „Feind“ zu identifizieren und entsprechend zu mobilisieren.

Was würden Sie Menschen in den USA und in Deutschland sagen, die sich nicht für Politik interessieren oder nicht wählen gehen, weil sie glauben, dass ihre Stimme nichts zum Wahlergebnis beiträgt?

Der parteilose Bernie Sanders (m.) im Gespräch mit der Demokratin Alexandria Ocasio-Cortez (l.) (Screenshot: Instagram)

Wie schon angedeutet, kann ich es in den USA an bestimmten Punkten durchaus nachvollziehen. In den USA wird an einem Wochentag gewählt. Vielleicht hat man mehrere Jobs, muss unter Umständen stundenlang an einem Wahllokal stehen und die Stimme zählt sowieso nicht für ein Ergebnis. Dann kann ich verstehen, warum Leute zu dem Schluss kommen: Ich gehe gar nicht erst wählen. Andererseits musste das Wahlrecht in vielen Punkten erkämpft werden. Wir feiern in Deutschland ja gerade 100 Jahre Frauenwahlrecht. Auch Schwarze im Süden der USA mussten lange für ihr Wahlrechte kämpfen, sind dafür gestorben, haben ihre Gesundheit aufs Spiel gesetzt, sind ins Gefängnis gekommen. Das heißt, das Wahlrecht ist eine echte Errungenschaft, und Demokraten und andere versuchen immer darauf hinzuweisen: Es ist nicht selbstverständliches und wir müssen dieses Recht wahrnehmen.

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