Rezension

Von Frauen, Religion und unangenehmen Stimmpausen

In “A Thousand Kisses Deep” verneigen sich Kathrin von Steinburg und Jakob Tögel im Metropoltheater vor Leonard Cohen und versuchen das Phänomen um den kanadischen Singer-Songwriter zu ergründen.

Kathrin von Steinburg und Jakob Tögel singen im Duett, stilecht mit dem Markenzeichen Leonard Cohens, einem Fedoras Filzhut. © Metropoltheater München/Fotograf: Jean-Marc Turmes

Von Balthasar Zehetmair

Die Pause zum Stimmen der Gitarre ist seit jeher der unangenehme Schreck bei jedem Live-Auftritt. Das Publikum blickt mit großen, erwartungsvollen Augen auf die Bühne, die Anspannung steigert sich in Sekunden. Bei der Premiere von “A Thousand Kisses Deep” weiß Jakob Tögel vor dem Publikum im Metropoltheater diese furchteinflößende Stille elegant und humorvoll mit einer Floskel aufzulösen. “Nun muss ich in dieser unverhofften Pause also lustige Anekdoten erzählen”, der Saal ist mit Heiterkeit erfüllt und das wunderschön ruhige, besonnene “Suzanne” erklingt. Kurz darauf stellt sich heraus: Die Stimmpause war Teil der Inszenierung, denn die musikalische Karriere des großen Leonard Cohen begann mit eben solch einem Horror-Moment. Die Singer-Songwriter-Legende reagierte nicht so cool und rannte kurzerhand von der Bühne. Er könne doch gar nicht singen. Am Ende tat er es doch, und alle waren begeistert.

Depressionen und Selbstzweifel, davon war die Karriere des kanadischen Musikers, Schriftstellers, Poets und Malers Leonard Cohen bis kurz vor seinem Tod gezeichnet. Trotzdem verlor dieser nie seinen Humor, weder in seinen Texten noch auf der Bühne. Sein Schaffen fand im ständigen Wechselspiel aus Licht und Dunkel statt. Macht dies das Phänomen Leonard Cohen aus? In “A Thousand Kisses Deep” versuchen Kathrin von Steinburg und Jakob Tögel, zwei Ensemble-Mitglieder des Metropoltheaters und glühende Cohen-Bewunderer, dieser Frage in 15 Songs und Geschichten aus dem Leben des Musikers nachzugehen.

Leonard Cohen und die Frauen

Einige seiner Songs schrieb Cohen für die vielen Frauen, die er während seines turbulenten Lebens liebte. “Suzanne” ist der Tänzerin in einem Jazzclub in Montreal gewidmet, “So Long, Marianne” seiner langjährigen Muse, die er auf der griechischen Insel Hydra im Rausch seines schriftstellerischen Schaffens kennenlernte. “Famous Blue Raincoat” erzählt gar von einer Dreierbeziehung und “Chelsea Hotel #2″ von seiner Liaison mit Janis Joplin, die er im Aufzug des berühmten Hotels auf Manhattan traf. In diesem Lied singt Cohen auch die für seine Poesie unüblich anrüchige Zeile “Givin’ me head on the unmade bed”, für die er sich im Nachhinein schämte. Humorvolle Anekdoten wie diese, gekonnt verflochten mit den Songs, tragen von Steinburg und Tögel in der Ich-Perspektive vor. Der große Songwriter erzählt direkt aus dem Nähkästchen im Metropoltheater in München-Freimann.

Das Arrangement ist auf die wesentlichen Instrumente reduziert. © Metropoltheater München/Fotograf: Jean-Marc Turmes

Hinter allen Songs steckt eine Geschichte

Von seinen Songs ist kein einziger aus reinem Zufall entstanden oder ohne große Bedeutung geschrieben. Hinter all seinen Texten steckt immer eine – oftmals auch persönliche – Geschichte. Ganz intensiv und bewusst wird bei der Aufführung durch die beiden Schauspieler*innen auch die Bedeutung der Sprache in Cohens Liedern. Diese war für den Singer-Songwriter immer ein antreibendes Element des poetischen Ausdrucks. Mit seine größte Inspirationsquelle war der spanische Dichter Federico García Lorca. In dessen Werk fand Cohen seine eigene Stimme, sein eigenes Selbst wieder. Ein weiterer Zugang, mit dem von Steinburg und Tögel das Phänomen der kanadischen Singer-Songwriter-Legende zu ergründen versuchen, sind der Bezug Cohens zum Judentum und sein spirituelles Eintauchen in andere Religionen. Symbolisch dafür steht der Song “Dance Me to the End of Love”, der vom griechischen Volkstanz Haspaiko inspiriert und auch unter dem Eindruck des Holocaust entstanden ist.

Ein harmonischer Song, den die beiden Schauspieler*innen sehr gelungen darzubieten wissen. Und ein Titel vom Album “Various Positions”, das die Plattenfirma Columbia 1984 fast nicht veröffentlicht hätte. Cohen hatte in den Augen der Produzenten an Relevanz verloren. Auf die schmähende Aussage “Wir wissen, dass du bedeutend, aber nicht, ob du gut bist” hin verteidigen von Steinburg und Tögel ihr Idol, das Phänomen Cohen mit einer latent gereizten Version von “You Want It Darker” – einer der letzten Songs aus Cohens Feder – getragen von aggressiven Alternative-Rock-Gitarren.

Authentische Performance im Metropoltheater

Gerade die tiefe Stimme Jakob Tögels kommt dem Original verdächtig nahe. In einer Atmosphäre, reduziert auf das Wesentliche an Instrumenten, umgeben von mystischen Nebelschwaden, macht sich so an manchen Stellen der Aufführung fast der Eindruck breit, hier das Original in seinen besten Jahren erleben zu dürfen. Anhand vieler seiner bedeutendsten Songs, verbunden mit den Geschichten und Anekdoten dazu, nähert sich diese Aufführung dem Phänomen Leonard Cohen an und verneigt sich in Ehrfurcht.

Und am Ende, bei der Zugabe, kommt dann dieser eine Song, der so definierend für das Schaffen Leonard Cohens ist und dem sich vor kurzem ein ganzer Film widmete: “Hallelujah”. Das Publikum singt leise mit im Chor. Langsam gehen die Lichter im Saal an, wir fühlen uns erleuchtet von den Songs dieses großartigen Künstlers. Hallelujah, dass ihm seine Stimmpause nicht zum eigenen Verhängnis wurde.

Aufführungszeiten: Do, 9. Februar/ Fr 10. Februar/ Mi 22. März/ Do 23. März/ Fr 24. März

Tickets hier: https://www.metropoltheater.com/

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