Demut vor deinen Taten Baby vom Theater Bielefeld
Dass die Inszenierung von Demut vor deinen Taten Baby zu Radikal Jung eingeladen wurde, ist in mehrfacher Hinsicht erstaunlich. Zum einen kommt sie von einem Theater, das nicht zu den führenden in Deutschland gehört und zum anderen handelt es sich um eine sehr weiblich dominierte Produktion – eine Autorin, eine Regisseurin und drei Schauspielerinnen. 50 Minuten Witz, Schnelligkeit und Spielfreude über ein eigentlich ernstes Thema: Terror mal angenehm ironisch.
Neue Stücke junger deutscher Autoren sind oft so eine Sache. Vor allem, wenn sie an einem der renommierten Schreibschulen ausgebildet worden sind. Dann beherrschen sie fraglos das Handwerk, nur interessante Geschichten erzählen, das können sie oft nicht. Und komisch sein auch nicht. Anders ist das bei Laura Naumann. Die 23-Jährige studiert an der Universität Hildesheim Kreatives Schreiben und Kulturjournalismus und wurde schon mehrfach ausgezeichnet. Mit ihrem Stück meerrauschenhören wurde sie 2008 beispielsweise zum Dramatikerworkshop beim Stückemarkt des Berliner Theatertreffens eingeladen.
Ihr neuestes Stück Demut vor deinen Taten Baby wurde nun von der ebenfalls jungen Regisseurin Babett Grube am Theater Bielefeld uraufgeführt. Es erzählt die Geschichte von drei Frauen, deren gemeinsames Schicksal auf einer Flughafentoilette beginnt. In ebendieser Toilette nämlich wird ein herrenloser Koffer gesichtet, man befürchtet einen terroristischen Akt und fordert die drei auf, die Kabinen nicht zu verlassen. Während alle anderen Fluggäste aus dem Gebäude evakuiert werden, stecken sie also fest und haben schreckliche Angst, zusammen mit dem Koffer in die Luft gejagt zu werden. Als Entwarnung gegeben wird und sie lebend aus der Sache herauskommen, verändert sich das Leben von Bettie, Mia und Lore komplett. „Es riecht nach Frühling und Geburt, die Vögel singen auch und irgendein goldener Glitzer liegt auf uns allen drauf.“ Die drei ziehen zusammen und werden beste Freundinnen. Sie beschließen, der Menschheit etwas Gutes zu tun und alle anderen in ebendieses Glücksgefühl zu versetzen, das man hat, wenn man eine lebensbedrohliche Situation überlebt hat. Also simulieren sie Terroranschläge, erst im kleinen Stil in Nachtclubs und Supermärkten, dann im Auftrag der Regierung.
Was als genialer Plan beginnt, endet im Chaos, denn keiner will mehr arbeiten, alle singen nur noch und erfreuen sich des Lebens. Versicherungen werden gekündigt. Bei ihrem letzten Einsatz, dem Eröffnungsspiel der Fußballweltmeisterschaft, sollen sie „ernst machen“. Doch die Waffen, die zum ersten Mal echt sind, richten sie am Schluss gegen sich selbst und gehen als Märtyrer in die Geschichte ein.
Was nun sehr dramatisch klingt, ist auf der Bühne irrsinnig ironisch und unterhaltsam. In einem rasanten Tempo brettern die drei Schauspielerinnen mit einem Feuereifer durch 50 Minuten Text und entlocken ihm alles, was er an Witz zu bieten hat. So gut wie keine Hilfsmittel benötigen sie für ihre Weltverbesserungs-Mission. Nur ein paar Masken aus Plastikflaschen und schwarzem Klebeband und Mikrofone. Die drei Aktivistinnen sind laut, energiegeladen und fest entschlossen.
Grubes Inszenierung ist die schnörkellose Umsetzung des Dramentextes. Ihren Witz verdankt sie der flink-flapsigen Sprache der Autorin, viele Regieeinfälle scheint es nicht zu geben. Die braucht es in dem Fall aber vielleicht auch nicht. Geschwindigkeit und Pointiertheit verleihen Naumanns Zeilen den Drive, den sie benötigen. Schließlich handelt es sich bei Demut vor deinen Taten Baby um eine Uraufführung. Die pure Umsetzung des Textes ist also nicht verkehrt, gerade wenn er so kurzweilig ist.
Dennoch könnte man sich fragen, ob nicht eher das Stück zum Heidelberger Stückemarkt als die Regieleistung zu Radikal Jung eingeladen werden hätte sollen. Denn der Text brilliert am heutigen Abend mehr als die Regie.