Mit „Super, und dir?“ hat Kathrin Weßling das perfekte Buch für alle erfolgshungrigen und karrierefixierten Studierenden hingelegt. Im Wintersemester werden wieder viele ein Studium beginnen; und dieses Buch könnte einigen eine Warnung sein.
Von Philip Kunz
Millionen Studierende befinden sich in den Semesterferien. Zu welcher Fraktion gehörst du? Hängematte, Strand, Palmen, Urlaub und der Duft von Freiheit? Oder gehörst du zu denen, die sich während der Semesterferien im Praktikum aufreiben und die ganz Kraft investieren, um die große angestrebte Karriere voranzubringen? Um letztere dreht sich „Super, und dir?“, der dritte Roman von Kathrin Weßling, der 2018 erschienen ist.
Marlene Beckmann lebt in einer Blase der Scheinwelt. Es funkelt und glitzert, sie schleift sich von Erfolg zu Erfolg durch Tausend Praktika, bis sie den einen bekommen hat: ihren Traumjob. Sie ist so unglaublich gut, so stark, so leidensfähig, so taff; sie hat sich gegen alle durchgeboxt. Sie hat die trotzige Aura einer jungen, erfolgreichen Frau. Sie hat es allen früheren Kommiliton*innen gezeigt, die früher aufgegeben haben.
Nein, Marlene ist anders: Sie kann leiden und zurückstecken, um ihr Ziel zu erreichen. Doch wie fühlt es sich an, im Unternehmen der Wünsche angekommen zu sein? Das Glück scheint ihr regelrecht aus den Ohren zu platzen, da sie es kaum glauben kann, dass der Leidensdruck vorbei ist. Doch der wahre Stress steht ihr erst noch bevor.
Der ewige Druck schnürt sie ein, zerreißt sie
Beim Lesen dieses intensiven, hochaktuellen Buches hatte ich ständig den Wunsch, mit Marlene zu sprechen und sie wachzurütteln aus ihrer Scheinwelt. Der vernarrte Weg zu ihrem Job hat sie blind gemacht für ihre wahren Gefühle. Schon lange nimmt sie ihre Stimmungsschwankungen und erschöpften depressiven Züge nicht mehr wahr. Mit jedem Arbeitstag wird die Last größer und größer und schnürt sie ein. Die ewigen Vergleiche mit den Kolleg*innen nagen an ihrem Selbstbewusstsein. Es fehlt jegliche Zeit für sich selbst, Freunde, Familie, das Gute im Leben. Ewiger Leistungsdruck und Terminstress zerreißen sie.
Auch Marlene kann irgendwann nicht mehr die Beste sein. Ihr Luftschloss droht zu zerplatzen. Ihr letzter Ausweg für den Erhalt ihres Traums ist die berauschende Welt der Drogen. Doch der kleine Sekt kann sie nicht schützen vor dem inneren Schmerz, die weiße Linie wird zu ihrem Licht am Horizont. Oh du süßes, wohliges Koks, gibst mir Halt und neue Kraft; lässt mich strahlen, wenn ich eigentlich zerbreche. Dank dir sehe ich nicht mehr, wie furchtbar ich bin. Du versteckst mich vor mir selbst und machst mich lebensfähig. Doch genau an dieser Lüge zerbricht Marlene mit ihren naiven 31 Jahren. Der Strudel der Abhängigkeit entfernt sie immer mehr von sich selbst und zieht sie immer weiter in den Abgrund.
Der dringende Appell an alle verzweifelt Suchenden, der sich aus Marlenes Schicksal ableiten lässt: Sucht nicht nach Bestätigung und Anerkennung, denn ihr selbst seid das Beste, was ihr finden könnt. Hört auf euren Körper und euer Herz, die Beiden sind der beste Kompass für ein entspanntes, frohes Leben. Stellt euch vor, ihr würdet wie gehabt nicht 60 Stunden die Woche arbeiten, sondern nur noch vier Tage die Woche. Ihr hättet sofort viel mehr Leichtigkeit und Freiheit. Das Leben ist jetzt und nicht später.
„Super, und dir?“ ist 2018 im Ullstein Verlag erschienen, 256 Seiten, Preis: 16 Euro, ISBN-13 9783961010103