Kulturphilter

Radtour nach Singapur: Corona zwingt Paar zur Umkehr

Um abgebrannte Wälder in Australien für Koalas wieder aufzuforsten, starteten Sophia Schlederer und Patrick Langhorst im Rahmen ihrer Kampagne ,,HomeforKoalas“ eine Fahrradtour nach Singapur. Ihr Ziel: 15.000 Kilometer für 15.000 Bäume. Dieses Projekt haben die beiden bereits letztes Frühjahr im Interview mit Philtrat vorgestellt; nun, ein halbes Jahr später, haben sie uns von den bisherigen Erlebnissen, Abenteuern und auch Problemen ihrer Reise berichtet. 

Patrick und Sophia dort, wo sie sich wohlfühlen: Auf ihren Fahrrädern. Foto: Sophia Schlederer

Von Özge Enis und Balthasar Zehetmair

148 Tage nach dem Start in München befinden sich Sophia und Patrick zum Zeitpunkt des Zoom-Interviews mit Philtrat nahe der anatolischen Stadt Erzurum. Sichtlich gut gelaunt und mit breitem Grinsen berichten uns die beiden Langstreckenradler*innen von ihren Erlebnissen in den letzten Monaten, während ihnen die herbstliche Nachmittagssonne ins Gesicht strahlt. Es ist schon das zweite Mal auf ihrer Reise, dass sie das Land durchqueren. Aber von Anfang an. 

,,Jetzt wird es spannend, jetzt geht das Abenteuer los.“ Mit diesen Worten berichtete Patrick Ende April dieses Jahres seiner Freundin Sophia von dem positiven Ergebnis seines Coronatests. Die Wohnung war bereits gekündigt, Versicherungen und der Job auch. Der Tag der Schlüsselabgabe wurde den beiden somit zum Beginn einer 14-tägigen Quarantäne, die sie in einem Gartenhaus von Bekannten verbrachten. Genug Zeit zum Lesen, Tee Trinken und Dokus Schauen. Der geplante Start der Tour aber verschob sich dadurch vom 8. auf den 23. Mai 2021. Dieser verzögerte Beginn sollte sich allerdings zu ihrem Nutzen auswirken: Denn zu diesem späteren Zeitpunkt waren in Mitteleuropa die Grenzen leichter zu passieren. 

Kontakte mit Wildschweinen, Schildkröten und Stechmücken 

Die Fahrt begann entlang der Isar bis nach Deggendorf, dann ließen sie sich von der Donau durch die Balkanländer begleiten. An der Grenze von Ungarn zu Kroatien gerieten Sophia und Patrick ziemlich ins Schwitzen. Nach dem Weingenuss mit Einheimischen machten sich die Fahrradsportler*innen trotz der fortgeschrittenen Zeit auf zur Grenze. Einmal falsch abgebogen fuhren sie in ein Naturschutzgebiet hinein. „Plötzlich hören wir Geräusche aus dem Gebüsch und stellen fest, das sind Wildschweine“, erzählt Sophia. Erst nach 30 Kilometern, rasend durch tiefste Nacht, konnten sie sich neben einem kleinen See wieder ausruhen. 

Ein einsamer Esel in der Provinz Konya, Türkei. Foto: Sophia Schlederer

Ihr Zelt mussten sie teilweise in abgelegenen Gebieten an den ungewöhnlichsten Orten aufschlagen: bei Blitz und Donner neben Gewässern; bei heftigem Wind auch mal neben Gleisen seitlich von durchfahrenden Zügen; in einer verlassene Hütte mit Mäusekot und dreckigen Klamotten. Mal hatten sie ohne Unterbrechung den besten Schlaf, mal durften sie aus ihrem Zelt bellende Hunde oder vorbeikriechende Schildkröten miterleben, aber auch Karaoke singende Camper*innen anhören. Wirklich gefährlich nahe kamen Patrick und Sophia dabei nur Mücken, die mit ihren Stichen Schwellungen hinterließen. 

Von den Ortsansässigen bekamen die Langstreckenradler*innen aber auch zahlreiche Einladungen in deren Häuser. Ob mit einem Gästezimmer oder einer Mahlzeit, die Einheimischen empfingen sie meist mit offenen Armen. Auch unterwegs schafften die beiden es, neue Leute kennenzulernen. In Kroatien, Bulgarien, später aber auch in Georgien wurden sie tagelang von weiteren Fahrradsportler*innen begleitet. „Das sind ganz besondere Freundschaften, die bleiben“, sagt Patrick. 

Ein sehr emotionales Etappenziel für die beiden war die Ankunft am Schwarzen Meer. „Wir standen da, beide verschwitzt mit einem Sonnenbrand im Gesicht und hatten in diesem Moment echt Tränen in den Augen. Zu realisieren, dass man es bis dahin schon geschafft hat“, erinnert sich Sophia an den Gänsehautmoment. Nach einer Weile Entspannung ging es weiter nach Istanbul. Gerade die nächtliche Einfahrt in diese lebendige Metropole am Bosporus beeindruckte sie auf unvergessliche Weise. Dort aber erwischte das Coronavirus dieses Mal Sophia. Die Krankheit wütete in der Stadt, für mehrere Wochen blieb die Weiterfahrt ungewiss. Die beiden Radler*innen trennten sich, Patrick fuhr vorerst alleine weiter, Sophia tastete sich langsam wieder ans Radfahren heran. 

Sackgasse Georgien 

In Kappadokien trafen die beiden wieder gesund und munter aufeinander und die Fahrt setzte sich fort quer durch die Türkei in das bergige Georgien. Besonders anstrengend, aber genauso schön war für die beiden die Überquerung des Zagari Passes auf 2.600 Metern Höhe. Angekommen in der Hauptstadt Tiflis bahnte sich die Hiobsbotschaft der geschlossenen Grenzen langsam an. Nach ein paar Tagen Aufenthalt in der Küstenstadt Batumi wurde das Wetter trüb, die Stimmung auch. Sackgasse Georgien: Die Weiterfahrt nach Russland ist nur geimpft möglich, Aserbaidschan und der Iran befinden sich im Lockdown. Eine Impfung bekommen Sophia und Patrick dort nicht. 

Auf dem Fahrrad durch den wilden Kaukasus Georgiens. Foto: Sophia Schlederer

So bleibt den beiden erst einmal nur, die restlichen Kilometer wieder zurück Richtung Heimat zu fahren, allerdings ist die Motivation bald wieder da. Probleme macht jetzt nur das Wetter. ,,Das Equipment wird leider nicht besser, je länger wir unterwegs sind“, beklagt Patrick. Ihr Gepäck beschränkt sich auf das Nötigste. Für kältere Tage wird ihnen aber bald ein neues Paket aus Deutschland zugestellt. ,,Auch die Türkei hat einen Winter zum Skifahren“, so beschreibt Sophia die anstehende Jahreszeit. 

Auf ihrer Rückreise wollen sie nun nicht den direkten Weg fahren. „Wir wollen jetzt über die Südküste der Türkei, Griechenland und den Balkan zurückfahren. Vielleicht machen wir auch noch einen Schlenker über Italien. Insgesamt liegen so noch gut 6000 bis 7000 Kilometer vor uns“, enthüllt Patrick die nächsten Pläne. 

Bislang konnte das Projekt „HomeforKoalas“ 18.500 € von den geplanten 75.000 € sammeln. Mit dieser Summe können jetzt schon 4.000 Bäume gepflanzt werden. „Wir sind sehr optimistisch, dass da in den nächsten Monaten mehr hinzu kommt“, prophezeit Patrick. Gespendet werden kann direkt über die Better-Place-Plattform

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