Kulturphilter

Radikal Jung 2013

Heute startet zum neunten Mal das Festival Radikal Jung am Münchner Volkstheater. Eingeladen sind zehn Inszenierungen aus Deutschland, der Schweiz und Israel, darunter sieben Uraufführungen. Mit dem diesjährigen Schwerpunkt Deutschland – Israel öffnet das Festival seinen Blick auch für außereuropäische Produktionen und zeigt zwei Inszenierungen aus Tel Aviv.

Plakat Radikal JungFestival 2013

Über 40 Arbeiten hat die Jury, bestehend aus dem Chefdramaturgen des Volkstheaters Kilian Engels, dem Theaterkritiker C. Bernd Sucher und der Schauspielerin Annette Paulmann, gesichtet und die ihrer Ansicht nach herausragendsten nach München eingeladen. Zwischen 19. und 26. April werden Inszenierungen junger Theatermacher gezeigt; neun von ihnen sind das erste Mal in der Auswahl von Radikal Jung.

Die einzige Ausnahme bildet Milo Rau, der schon letztes Jahr mit seiner Produktion Hate Radio über den Genozid in Ruanda zu Gast war. Dieses Mal sorgte seine Einladung mit dem Stück Breiviks Erklärung schon im Vorfeld für Schlagzeilen. Das Haus der Kunst ludt Raus Reenactment der Rede, die Breivik vor dem Osloer Amtsgericht hielt, trotz schriftlicher Zusage kurzfristig wieder aus. Eine Klausel im Mietvertrag, so verteidigte sich die Kultureinrichtung, verbiete rechtsradikale und antisemitische Inhalte. Angesichts der historischen Vergangenheit scheint man übervorsichtig jeden Zusammenhang mit dem heutigen Rechtsradikalismus vermeiden zu wollen. Die Bedenken sind alles andere als begründet, hat Raus Stück ganz offensichtlich keinen rassistischen oder Hintergrund, sondern will ganz im Gegenteil eine künstlerische Aufarbeitung des Breivik-Falles ermögliche. Nun findet Raus Inszenierung im Stadtmuseum statt. Dieses Stück ist sicherlich das umstrittendste im Programm. Dieses spiegle, so Engels, die Themen des letzten Jahres wieder. Das wird nicht nur an Raus Stück unmittelbar deutlich.

Auch die Inszenierung von Malte C. Lachmann vom Thalia Theater in Hamburg beschäftigt sich mit einem Ereignis des vergangenen Jahres. Die Protokolle von Toulouse basiert auf dem Gespräch zwischen einem Polizisten und dem Attentäter Mohammed Merah, der sich 2012 schwer bewaffnet in seiner von einer Spezialeinheit umstellten Wohnung eingeschlossen hat. Thematisch scheint das Festival in diesem Jahr generell den Fokus auf dokumentarische Arbeiten zu legen. Laut Engels stelle sich in Zusammenhang mit derlei Produktionen die interessante und auch brisante Frage, was Kunst darf und wie eine angemessene Umsetzung eines dokumentarischen Stoffes aussieht. Dadurch ist das diesjährige Programm gleichzeitig politischer als die letzten Male. Rückblickend auf die Ereignisse von 2012 werfen die Inszenierungen vor allem auch eine Frage auf, die wohl viele Menschen umtreibt und die Engels in vielen der eingeladenen Arbeiten wieder findet: „In was für einer Gesellschaft wollen wir leben?“ Die zu beobachtende Rückkehr des Dokumentarischen, die sich auch in der Auswahl von Radikal Jung widerspiegelt, hat seiner Ansicht nach mit dem individuellen Gefühl zu tun, dass man in einer sich ändernden, anonymisierten Gesellschaft lebt, die man zunehmend nicht mehr zu steuern im Stande ist.

Die beiden Stücke aus Tel Aviv, Mein Jerusalem – A performance by Sabine Sauber und Shall we dance, beides Uraufführungen, beleuchten das Leben einer fiktiven deutschen Fotografen in Jerusalem und den Umgang mit Volkstänzen in Israel.

Eröffnet wird das Festival heute mit einem Gastspiel des Schauspielhaus Zürich: Kinder der Sonne von Maxim Gorki unter der Regie von Daniela Löffner. Weitere Inszenierungen kommen aus Bielefeld (Demut vor deinen Taten Baby von Laura Naumann, Regie Babett Grube), Klagenfurt (Die Winterreise von Elfriede Jelinek, Regie Marco Stormann), Jena (Ich bedanke mich für alles von Prem Kavi, Regie Sanuel Hof) und Köln (Die Glasmenagierie von Tennessee Williams, Sebastian Kreyer). Auch eine Produktion des Volkstheaters selbst ist wieder dabei: Arrabboy von Güner Balci in der Regie von Abdullah Karaca.

Die Zusammenstellung des Programms verspricht eine sehr vielseitige Theaterwoche. Wie immer erhält die Inszenierung, für die die Zuschauer am meisten abstimmen, den Radikal Jung-Publikumspreis.

Philtrat berichtet die kommenden Tage über das Festival und die eingeladenen Inszenierungen.

 

Näheres zu Programm und zu Kartenbestellung findet ihr unter:

https://www.muenchner-volkstheater.de/radikal-jung/das-festival

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